ACHTUNG:
Von 10. Dezember 2025 bis einschließlich 18. Januar 2026 erscheint KEIN COMPASS!
Guten Tag!
Wie steht es eigentlich um die Entwaffung der Hamas, die der Trump'sche "Friedensplan" für Gaza vorsieht? Dieser Frage geht Clemens Wergin in einem Beitrag für die WELT nach. Zwar unterstützen auch viele arabische Staaten die Entwaffnung der Hamas und die Entsendung von Truppen zur Stabilisierung, so Wergin, die Terroristen freilich hätten bislang keine Signale gesendet, ihre Waffen abzugeben. Im Gegenteil, die Berichte über vermehrten Waffenschmuggel würden sich häufen. Im STANDARD berichtet Maria Sterkl von einem ausführlichen Gespräch, das sie mit Oded Ailam, Forscher am Jerusalemer Zentrum für Sicherheit und Auswärtige Angelegenheiten (JCFA), über die Frage geführt hat, welche Rolle die Hamas im Gaza-Streifen noch spiele. Auch er kommt zu dem Schluss, dass die Hamas zwar geschwächt und ihre Führung dezimiert sei, aber von einer Beseitigung der Terrorgruppe könne keine Rede sein: "Hamas-Kämpfer in Tunneln und Waffenschmuggel – Die Realität hinter dem Friedensplan".
Der Link dazu in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND
In der FAZ schildert Korrespondent Christian Meier anschaulich, wie Israels Ministerpräsident Netanjahu versucht, seinen Korruptionsprozess zu verzögern oder sogar ganz abzuwickeln:
"Mal gab es ein „dringendes diplomatisches Treffen“. Mal musste Benjamin Netanjahu sich zu einer Abstimmung in die Knesset begeben. Mal musste er sich um den Krieg kümmern. Und dann gab es noch die Tage, an denen Israels Ministerpräsident Halsschmerzen, Rückenschmerzen, Schlafmangel, Bronchitis, eine Lebensmittelvergiftung oder ein anderes gesundheitliches Problem hatte. Das Ergebnis war immer das gleiche: Verhandlungstage in seinem Korruptionsprozess wurden verkürzt oder ganz ausgesetzt."
Aktuell, so Meier, konzentrieren sich Netanjahus Bemühungen wohl darum, dass zur Not die Geisel-Angehörigen um Gnade für ihn bitten sollen: "Rückenschmerzen und dringende Termine: Wie Netanjahu seinen Prozess verschleppt".
Der Link dazu in der Rubrik ISRAEL INTERN
In den vergangenen Monaten deckten amerikanischen und israelischen Geheimdienste Untergrundzellen und Waffenverstecke in Europa auf. Auch in Österreich, wie Norbert Jessen im KURIER berichtet. Auch Deutschland war betroffen, konkret Berlin. Dort wurden in diesem Zusammenhang vor kurzem Hamas-Terroristen festgenommen, die Anschläge in Europa planten und über ein beträchtliches Waffenarsenal verfügten. Im Interview mit der TAZ erläutert die Expertin Kim Robin Stoller die Organisationsstruktur der Hamas im Blick auf ihr Vorgehen in Europa: „Die nächste Eskalation ist eine Frage der Zeit“
"Warum bricht im Westen Empörung aus, wenn Israel sich gegen genozidal vorgehenden Terrorismus verteidigt, während es weitgehend still bleibt angesichts von Massakern in Syrien, den Hinrichtungen von Dissidenten in Iran oder der systematischen Entmündigung der Frauen in Afghanistan? Warum marschieren Zehntausende mit palästinensischen Flaggen durch europäische Hauptstädte, während kaum jemand ein Wort verliert, wenn die Hamas brutal Palästinenser hinrichtet, die der «Zusammenarbeit» mit Israel verdächtigt werden? ... Warum wird Israel – ein demokratischer Staat, umgeben von feindlichen Regimen – in seinem Agieren mikroskopisch genau untersucht, während die Verbrechen der Tyranneien dieser Welt oft unbeleuchtet bleiben?"
Diesen schon andernorts gestellten Fragen widmet sich Jan Kapusnak, der als freier Autor in Tel Aviv lebt, in einem lesenswerten Essay für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG - und gibt eine deutliche Antwort: "Die Antwort liegt weniger im Nahen Osten als in der kulturellen und moralischen Pathologie des modernen Westens begraben."
Diese Pathaologie des Westens gründe im Wesentlichen auf einer "Projektion eigener historischer Schuld", die in "Selbsthass" gemündet sei. Um seine Sichtweise, die er in dem Essay an vielen Zusammenhängen und Beispielen skizziert, zu erläutern, stützt er sich auf den Begriff der «Oikophobie» – aus dem Griechischen «oikos» (Haus) - und meint damit "die irrationale Herabsetzung der eigenen Zivilisation. ... Während sich Xenophobie gegen das Fremde richtet, verachtet Oikophobie das Vertraute. Sie gedeiht in wohlhabenden, stabilen Gesellschaften, wo Komfort Schuldgefühle erzeugt und Eliten Selbstkritik mit Tugend verwechseln."
Um den so entstehenden Selbsthass nach aussen zu projezieren, biete sich Israel als perfekte Zielscheibe an:
"Der jüdische Staat wird zum Blitzableiter für Sünden der eigenen Imperial- und Kolonialzeit. Hass eskaliert in absurden Nazivergleichen und Apartheidvorwürfen. Während andere Demokratien Krieg führen, wenn sie angegriffen werden, können die Juden nichts anderes als Völkermord üben. Damit steht Israels schiere Existenz zur Disposition. Israel-Kritik wird zum Tugendtheater der Dämonisierung, das es dem Westen erlaubt, Busse zu tun, indem er den jüdischen Staat verteufelt."
Ellen Markus' Großeltern väterlicherseits, Hugo und Johanna Marcus, betrieben einst in Bochum ein Konfektionsgeschäft. Ihr jüngster Sohn Hans, Ellens Vater, wurde Zahnarzt. Nach dem „Judenboykott“ 1933 floh er aus Deutschland. Die Eltern blieben. Sie wurden drangsaliert, terrorisiert, enteignet und schließlich 1942 in einem Zug Richtung Osten gesteckt, wo sie, zusammen mit ihren beiden älteren Töchtern, ermordet wurden. Weil sie Juden waren. Hans schaffte es in die USA, heiratete die Jüdin Lottie Blümlein, die ebenfalls aus Deutschland geflohen war - und machte ein Vermögen. Aus diesem Vermögen der beiden Holocaust-Überlebenden stammt nun die größte Privatspende Israels: 500 Millionen Dollar für die Wasserforschung in der Negev-Wüste. In der WELT erzählt Alan Posener die ganze Geschichte: "Wie eine Familie Israels Wüste zum Blühen bringt".
In einer längeren, sehr anschaulichen Reportage berichtet Klaus Hillenbrand in der TAZ von der Neueröffnung eines Museums in Haifa, das an die Geschichte der deutschsprachigen Einwanderer erinnert, die ab 1930 Palästina auf der Flucht vor den Nazis erreichten. Fünf Jahre nach seiner Schließung an seinem früheren Standort hat das "Museum des deutschsprachigen jüdischen Erbes" in Haifa einen neuen Standort gefunden an der Universität Haifa gefunden. Es umfasst eine Dauerausstellung sowie einen Raum für Wechselausstellungen und soll in Kürze für Besucher öffnen. Bis 2020 war das Museum im nordisraelischen Tefen beheimatet. Die Eröffnung in Haifa ist eine große Sache. Nicht nur die Universitätspräsidentin ist gekommen. Auch Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU), der deutsche und der österreichische Botschafter sind anwesend, ebenso einige Bundestagsabgeordnete: "Das Jackett hängt am richtigen Platz".
Mehr zu allem in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.
**********************
Mit Blick auf den "Friedensplan", den Trump und Putin der Ukraine präsentiert haben, erkennt Sven Felix Kellerhoff in der WELT eine Reihe von alarmierenden Parallelen zum Münchner Abkommen von 1938. Einmal mehr mahnt Kellerhoff, wer die "Vergangenheit nicht kennt, ist dazu verdammt, ihre Fehler zu wiederholen". In der Tat listet er sodann eine Reihe von erschreckenden Merkmalen auf, die sowohl die äußeren Umstände als auch die Vertragsgestaltung betreffen, die sich in dem Münchner Abkommen über das Schicksal der Tschechoslowakische Republik finden wie auch in dem Trump-Putin-Plan für die Ukraine: "Warum der „Friedensplan“ die Fehler von 1938 wiederholt".
Eine scheinbar harmlose Frage am Flughafen in Tel Aviv löst bei dem Juristen Peter Habit eine über zweijährige Recherche aus, an deren Ende ein ganzes Lebensbild zerbricht. Es ist das Lebensbild seines Vaters. Der war, soviel wußte der Jurist, als ordinierter Pastor im besetzten Polen als Dolmetscher bei der Sicherheitspolizei tätig. Was Habit nicht wußte: sein Vater war in der Uniform eines SS-Offiziers aktiver Teil der NS-Tötungsmaschine. Günter Saalfrank erzählt die erschütternde Geschichte der Aufdeckung eines Familiengeheimnisse für das SONNTAGSBLATT: "Ein Pastor als NS-Täter: Wie Peter Habit die erschütternde Wahrheit über seinen Vater aufdeckte".
Claude Lanzmanss Holocaust-Film "Shoah" setzte Maßstäbe in der filmischen Dokumentation eines Menschheitsverbrechens. Fast alles war an seiner Machart neu, ebenso das Konzept, die bis dahin ignorierte Perspektive der Zeitzeugen ins Zentrum zu stellen. Nun hat der französische Regisseur und Fotograf Guillaume Ribot die zwölfjährige Entstehungsgeschichte und die bedrückenden Dreharbeiten dieses Mammutprojekts dokumentarisch zugänglich gemacht. Dabei stützt er sich auf 220 Stunden unveröffentlichtes Filmmaterial zu »Shoah«, das im United States Holocaust Museum in Washington aufbewahrt wird, sowie auf Lanzmanns eigene Worte aus seiner Autobiografie »Der patagonische Hase: Erinnerungen« (2010). Entstanden ist der Dokumentarfilm "Ich hatte nur das Nichts. „Shoah“ von Claude Lanzmann", der gestern am Spätabend in ARTE ausgestrahlt wurde und nun in der ARTE-Mediathek zur Verfügung steht. Manfred Riepe stellt die Dokumentation in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG näher vor: "So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film 'Shoah'".
In der Politik wird Nazi-Vokabular nicht selten als bewusste Grenzüberschreitung eingesetzt. Man denke etwa an den jüngst von dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke benutzten Nazi-Satz "Alles für Deutschland". Aber auch in einer anderen Branche vergreift man sich immer wieder an Nazi-Parolen, wenn auch meist unabsichtlich: in der Werbung. Allein die durch die Verbindung zum KZ Buchenwald berüchtigte Wendung "Jedem das Seine" wird immer wieder für Produktwerbung "entdeckt". Doch es gibt auch bewusste versteckte Anspielungen auf den Nationalsozialismus und rechtsextreme Codes in den Werbebotschaften, wie ein Beitrag für den MDR deutlich macht: "'Jedem das Seine': Nazi-Parolen in der Werbung".
Deutschland versteht sich als Erinnerungs- und Aufarbeitungsweltmeister. Aber wie kommt es dann, dass Rechtspopulisten Wahlen gewinnen, rechtsextremistische Straftaten unzureichend aufgeklärt werden und »Nie wieder ist jetzt« zu einer Phrase verkommt? Max Czollek und Hadija Haruna-Oelker meinen in ihrem nun vorliegenden Buch "Alles auf Anfang: Auf der Suche nach einer neuen Erinnerungskultur", dass das auch an einer gescheiterten deutschen Erinnerungskultur liegt. Gemeinsam denken sie über eine neue Praxis des Erinnerns und Gedenkens nach. Im Gespräch mit der TAZ gibt Hadija Haruna-Oelker Auskunft über Beweggründe und Konzept, die dem Buch zugrunde liegen: „Uns geht es um eine plurale Erinnerungskultur“.
Die Links zu den Themen in der Rubrik VERGANGENHEIT...
**********************
Viele Hoffnungen der Weltgemeinschaft ruhen derzeit auf der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), soll sie doch in Zukunft eine entscheidende Rolle im Blick auf die künftige Regierung in Gaza spielen und gilt als Partner für eine Zwei-Staaten-Lösung. Vor diesem Hintergrund ist es wenig ermutigenden, dass bei einem Dauerthema die PA nach wie vor tatenlos geblieben ist: laut einer Anfang November erschienen Studie der Organisation „IMPACT-SE“ verunglimpfen die Schulbücher und andere Lehrmaterialien für das Schuljahr 2025/26 weiterhin Juden und den Staat Israel, berichtet ISRAELNETZ: "Antisemitismus in palästinensischen Schulbüchern weiter stark verbreitet".
Spricht man von Judenhass, fallen einem sicher und leider sehr viele Länder dieser Erde ein, in denen dieser Virus tobt, aber nicht unbedingt China. Das ändert sich, berichtet Lea Sahay für den schweizer TAGES-ANZEIGER. Während früher viele Chinesen jüdische Menschen bewunderten, dominierten nun Verschwörungstheorien und Judenhass im Internet. Insbesondere die Sozialen Medien verbreiten offenbar immer mehr Verschwörungstheorien, China erlebe eine Welle des Antisemitismus. Das sei freilich durchaus im Sinne der Regierung, die Israel als Aggressor betrachtet, was wiederum den eigenen geopolitischen Interessen im Nahen Osten diene: "Antisemitismus in China: Judenhass, der Peking nützt".
Laut des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) wird ein Israel-bezogener Antisemitismus von Polizisten häufig nicht als solcher erkannt und finde somit auch nicht Eingang in die entsprechende Statistik. Das berichten DIE WELT und die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG. Der Bundesverband sagt, es gebe strukturelle Probleme, Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen, was starke Folgen für die Anzeigenbereitschaft habe. Insgesamt ergebe sich dadurch ein unzureichendes Bild antisemitischer Hasskriminalität in den offiziellen Statistiken, viele Strattaten blieben im Dunkeln: "Wenn Polizisten antisemitische Anfeindungen als 'Jugendstreich' abtun".
In nicht wenigen Kirchen gibt es anti-jüdische Kunst, meist in Form schmähender Skulpturen. Wie man damit umgehen soll, ist seit vielen Jahren immer wieder heftig umstritten. Abnehmen? Verdecken? Offen lassen und mit einer Info-Tafel versehen? In der Stadtkirche St. Stephani in Calbe (Saale) hat man nun nach einer langen Debatte versucht, durch eine künstlerische Installation sowohl dem Denkmalschutz als auch einem kritischen Umgang mit dem historischen Erbe gerecht zu werden, so berichten die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG, der MDR und CHRISMON: "Wie umgehen mit antisemitischer Kunst?".
Die Links zu den Themen in der Rubrik ANTISEMITISMUS.
**********************
Die Lebensweise der vor etwa 30.000 Jahren ausgestorbenen Neandertaler ist durch archäologische Funde relativ gut rekonstruiert. Wie aber sieht es mit ihrer spirituellen Verfasstheit aus? Gab es eine solche überhaupt? Offensichtlich übten sie rituelle Praktiken aus, die auf eine Form von Religiosität hinweisen könnten. Das ist jedoch in der Forschung recht umstritten, wie Sofie Reichel in einem Beitrag für FOCUS erläutert: "Hatten Neandertaler eine Religion? Das sagen Forscher dazu".
Peter Thiel gilt vielen als der eigentliche Strippenzieher hinter dem kulturellen Rechtsruck in den USA und ist einer der wichtigsten Unterstützer von Donald Trump. Einst gründete er den Finanzdienstleister PayPal, dessen Verkauf und seine Erstinvestitionen bei Facebook sowie die 2003 erfolgte Gründung von Palantir machten ihn zum Milliardär. Der in Deutschland geborene Investor entwickelt schon als Student in Stanford seine Haltung als Contrarian, als Andersdenkender gegen die Political Correctness. Peter Thiel gründet ein mächtiges Netzwerk, das die Basis für den kulturellen Rechtsruck in den USA lieferte. Seine Philosophi ist stark von christlichem Denken und apokalyptischen Visionen beeinflusst sowie von den Werken des wohl bekanntesten, wirkmächtigsten und zugleich umstrittensten deutschen Staats- und Völkerrechtler des 20. JahrhundertsKulturanthropologen Carl Schmitt sowie dem Werk des Kulturanthropologen René Girard. Wolfgang Palaver, Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Innsbruck, kennt Peter Thiel seit vielen Jahren persönlich. Für FEINSCHWARZ analysiert er dessen Politische Theologie: "In den Spuren Carl Schmitts: Peter Thiels Kampf gegen den Antichrist".
Mit einer Feierstunde in der Vatikanischen Audienzhalle wurde am 28. Oktober der Verabschiedung des Konzilsdokuments "Nostra aetate" vor 60 Jahren gedacht. Mit dieser Erklärung hatte sich die katholische Kirche dem Dialog mit den nicht-christlichen Religionen geöffnet und insbesonder eine Revision im Verhältnis zum Judentum eingeläutet. Unter dem Thema »Gemeinsam in der Hoffnung voranschreiten« hatten das Dikasterium für den interreligiösen Dialog und die Kommission für die Beziehungen zum Judentum einen Abend mit Zeugnissen, Musik und Tanz organisiert, an dem neben dem römischen Oberrabbiner Riccardo Di Segni und weiteren Vertretern des Judentums auch Islamführer aus Ländern wie Pakistan und Iran, Vertreter von Buddhismus, Hinduismus und vieler anderer Religionen teilnahmen. Kardinal Kurt Koch, Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen und Präsident der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, unterstrich, dass die Erklärung weiterhin der »Kompass« für die Beziehungen zum Judentum bleibe. Zum Abschluss der Feierlichkfeiten kam Papst Leo XIV. zur Veranstaltung hinzu und hielt eine Rede, die der L'OSSERVATORE ROMANO in deutscher Übersetzung veröffentlicht hat. Auch im Nachklang des Jubiliäums sind noch einige interessante Beiträge zum Thema erschienen. So etwa eine Würdigung von Nostra Aetate des amerikanischen Rabbiners Abraham Cooper, die auf MENA WATCH zu lesen ist, ein Interview in COMMUNIO mit dem nächstjährigen Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille, dem Judaisten und Theologen Christian Rutishauser über die Vorgeschichte und die bleibende Bedeutung der Konzilserklärung sowie ein Gespräch zwischen dem Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr, der bei der Deutschen Bischofskonferenz zuständig für den Dialog mit dem Judentum ist, mit dem Frankfurter Rabbiner Julien-Chaim Soussan, Vorstandsbeirat der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland: "Warum ein orthodoxer Jude keine Kirche betreten darf".
In einem längeren Gespräch in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG unterhalten sich Kardinal Kurt Koch und Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt über die katholisch-jüdischen Beziehungen, die Bedeutung von Nostra Aetate, Krieg und Frieden, die gesellschaflichen Herausforderungen unserer Zeit und die Bedrohung durch den Islamismus. Auf die Frage, ob ein Dokument wie Nostra Aetate Jahrhunderte lange anti-jüdische Prägungungen wie etwa die These vom Gottesmord hinwegwischen können, antwortet Goldschmidt:
"Vor ein paar Wochen traf ich den früheren EU-Aussen- und -Sicherheitsbeauftragten Josep Borrell zum Frühstück. In seiner Kindheit in Spanien, so erzählte er mir, liefen an der Karfreitagsprozession die Dorfkinder mit Trommeln dem Priester hinterher und riefen: «Tötet die Juden.» Das war vor «Nostra Aetate». Heute wäre das undenkbar."
Und zu den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen sagt er:
"Wenn wir über die jüdisch-christlichen Wurzeln Europas sprechen, so erinnere ich mich an eine Rede von Papst Benedikt, in der er von den drei Säulen Europas gesprochen hat: die Philosophie der alten Griechen, die Politik Roms und die Theologie Jerusalems. Sie haben das ermöglicht, was Europa ausmacht: eine Kultur der Freiheit, der Toleranz und des Dialogs. Die Gesellschaften Europas befinden sich in einer schweren Krise, weil sie sich ihrer Wurzeln nicht mehr bewusst sind. Unsere Werte stehen heute von der extremen Linken und der extremen Rechten enorm unter Druck."
2019, im letzten Jahr vor der Pandemie und dem jüngsten Nahostkrieg, hatte Israel Rekordeinnahmen aus dem internationalen Fremdenverkehr von rund 6,3 Milliarden Dollar verzeichnet. Mit etwa 3 Milliarden Dollar hatte dabei der Pilgertourismus fast die Hälfte davon generiert. Mit dem 7. Oktober 2023 war das alles vorbei. Jetzt aber, pünktlich zur christlichen Weihnachtszeit, kommt der Pilgertourismus wieder in Gang. Dabei ist es kein Zufall, dass es vor allem evangelikale Reisegruppen aus den USA sind, die seit dem Waffenstillstand für den Gazastreifen den christlichen Pilgertourismus in Israel wieder in Schwung bringen. Und die amerikanischen Evangelikalen sind als besonders israelfreundliche Denomination für den Tourismus in Israel enorm wichtig, liegt ihre Zahl in den USA doch bei ca. 100 Millionen, womit sie mit Abstand die Größte aller christlichen Denominationen in den USA stellen. Matthias Rüb hat für die FAZ kürzlich eine solche evangelikale Reisegruppe bei ihrem Besuch in Israel begleitet und dabei eine Reihe interessanter Beobachtungen gemacht: "Zurück im gelobten Land".
Die Links zu den Themen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.
**********************
Am kommenden Sonntag, 30. November, wird das «Jüdische Museum der Schweiz» in Basel wiedereröffnet. Gezeigt wird in dem umgebauten Holzhaus in moderner Architektur und auf vier Etagen die Geschichte des Judentums vom römischen Altertum bis zur Gegenwart in der Schweiz. Das Museum präsentiert laut Direktion rund 500 Objekte. Vorab durften die schweizer Medien einen ersten Rundgang unternehmen - und sind durchgängig beeindruckt, dass es den Verantwortlichen gelungen sei, die Historie erlebbar zu machen und jeden einzelnen Aspekt auf die Menschen herunterzubrechen, um die es in der Geschichte geht: "Das Jüdische Museum beschreitet eine neue Epoche".
Irene Aue-Ben-David wird neue Direktorin des Jüdischen Museums Hohenems und damit Nachfolger von Hanno Loewy, der das Museum nach zwei Jahrezehnten verlässt. Aue-Ben-David, geboren in Hildesheim, leitet seit zehn Jahren das internationale Forschungsinstitut Leo Baeck für deutsch-jüdische Geschichte in Jerusalem. Sie wurde von einer international besetzten Findungskommission einstimmig für die Funktion in Hohenems empfohlen, so das Museum in einer Aussendung. Im STANDARD zieht Loewy im Interview Bilanz seiner Tätigkeit, spricht über Ausstellungen, die Spuren hinterlassen haben, den Gazakrieg und die Linke. Befragt, ob er dem Nahost-Friedensdeal von Trump traut, sagt er:
"Trump ist doch ein mit Allmachtsfantasien durch die Gegend laufender Hooligan. Aber natürlich habe ich mich an dem Tag, an dem die Waffen schwiegen, gefreut. Ganz einfach, weil endlich einmal das Sterben aufgehört hat und die Geiseln freigekommen sind. Aber hat das Sterben wirklich aufgehört? Und gelöst ist natürlich gar nichts."
Und was die Linke betrifft, sieht er weniger im linken Antisemitismus das größte Problem, sondern vielmehr in einem linken Identitätsdenken:
"Ich würde behaupten, Identitätsdenken ist per se rechts. Und wenn Linke meinen, sie müssen im postkolonialen Diskurs nun auch damit anfangen, dann sind sie keine Linken mehr für mich. Sie geben das Wichtigste auf, das für mich mit 'links' zu tun hat: den Universalismus."
Als Beispiel nennt er die Israel-Boykott-Kampagne BDS:
"Mein Problem damit ist nicht so sehr, dass es unter ihren Vertretern auch antisemitische Ressentiments gibt, sondern dass BDS grundsätzlich ein ethnisch-nationalistisches Konzept vertritt. Ihr Ziel ist wörtlich die 'Befreiung arabischen Bodens'. Das ist identitäre Blut-und-Boden-Diktion."
Kürzlich fand die erste internationale jüdische Militärseelsorgekonferenz in Berlin statt. Über das Thema »Militärrabbiner in Krisenzeiten« tauschen sich jüdische Geistliche aus Ländern der NATO und befreundeter Staaten aus. Mit dabei waren auch unter anderem Teilnehmer aus Belgien, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Kanada, der Schweiz und den USA, wie die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG berichtet: "Mit Kippa und Uniform". Auch in Deutschland ist angesichts der Bedrohung aus Russland die Sorge vor einem Krieg gewachsen und hat eine Debatte um die Wehrpflicht ausgelöst. Dazu hat sich nun der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in einem Beitrag für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG zu Wort gemeldet und für eine Teilnahme von Juden an der Musterung für den Wehrdienst ausgesprochen. Wenn die Situation es erfordere, dann müsse die jüdische Gemeinschaft einen Beitrag leisten, schreibt er. Juden seien in Deutschland gleichberechtigt; er unterstütze daher eine Musterungspflicht: "Freiheit gemeinsam verteidigen".
In einem informativen Beitrag für den STANDARD schreibt Aysun Yasar, islamische Theologin und Islamwissenschaftlerin, über das nahezu verschwundene jüdische Leben in Antakya und Gaziantep, die Bedeutung ihrer Synagogen und Friedhöfe als Erinnerungsorte. Beide anatolische Städte waren über Jahrhunderte Orte religiöser Vielfalt – ein Alltag, der lange selbstverständlich war. Hier lebten Muslime, Christen und Juden oft Tür an Tür. Yasar ist überzeugt, dass sich von hier aus "Entwicklungen beobachten (lassen), die für das Verständnis religiöser Minderheits- und Mehrheitsverhältnisse sowie des sozialen Zusammenhalts entscheidend sind". Dazu tragen nicht zuletzt auch die jüdischen Friedhöfe als "stille Zeugnisse einer Geschichte, die kaum erforscht wurden" bei: "Verschwundene Nachbarschaften: Jüdisches Leben in Anatolien".
Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Als politische Denkerin wollte sie die Welt und die Menschen verstehen. In ihren Schriften wie in ihrem Leben spiegeln sich die tiefgreifenden Erschütterungen dieser Zeit: Aufstieg und Fall totalitärer Regimes, Flucht- und Fremdheitserfahrungen, aber auch hoffnungsvolle Neuanfänge prägten ihr gesamtes Denken. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren, woran Jürgen Prause in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG erinnert. Gleichzeitig ist soeben eine neue Biographie über Arendt erschienen. Grit Straßenberger präsentiert ein neues, lebendiges Bild der außergewöhnlichen Denkerin. Durch einen starken Fokus auf die Erinnerungen und Geschichten, die von Freunden, Kollegen und Schülern über Arendt erzählt wurden, kann man den Menschenn hinter der einzigartigen Philosophin kennenlernen. Lorenz Jäger hat die Biographie für die WELT gelesen: "'Kotzdämlich' und 'Plattkopf' – Warum Hannah Arendt auch engste Freunde nicht schonte".
Die Links zu den Themen in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
**********************
Der biografische Dokumentarfilm „Leo from Chicago“ über die amerikanischen Wurzeln von Papst Leo XIV. ist nun auch mit deutschen Untertiteln verfügbar und frei anzusehen. Der 50-minütige Film ist eine Produktion des Dikasteriums für die Kommunikation und beleuchtet die Geschichte, die familiären Wurzeln, das Studium und die augustinische Berufung von Robert Francis Prevost in seinem Heimatland, den Vereinigten Staaten.
Mehr dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.
**********************
Eigentlich wollte er ja gar keine Romane mehr schreiben, aber nun legt John Irving mit "Königen Esther" einen Roman vor, der von jüdischer Identität, Antisemitismus und dem Nahost-Konflikt handelt wie wohl kaum ein anderer seiner Romane. Mit dem nun in 550 Romanseiten gegossenen Rücktritt vom Rücktritt legt der begnadete Schriftsteller aber eine Geschichte vor, die ihren großen Vorgängern in nichts nachsteht, meint Taylan Gökalp in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG: "John Irvings 'Königin Esther': Mythos oder Mensch?".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.
Einen angenehmen Tag wünscht
Dr. Christoph Münz
redaktion@compass-infodienst.de
(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)
Abo-Hinweis
Dann abonnieren Sie unsere Seiten oder testen Sie uns vorab mit einem kostenfreien Schnupper-Abonnement!
Abo bestellen
Sie sind bereits Abonnent?
Dann melden Sie sich bitte erst mit Ihrem Benutzernamen und Passwort an, um die Fundstelle inkl. Quellenangabe und Link sehen und nutzen zu können!
Anmeldung



