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ISSN 1612-7331
02.10.2025 - Nr. 2113
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Am Mittwoch, 24. September 2025, erscheint ONLINE-EXTRA Nr. 368.


Guten Tag!

Nr. 2113 - 02. Oktober 2025



Das war er also, der einer der vielleicht "größten Tage in der Zivilisation", wie es US-Präsident Trump bei der Vorstellung seines 20 Punkte umfassenden Friedensplans zur Beendigung des Gaza-Krieges formulierte. Das Thema beherrscht die Medien, die umfangreich den 20-Punkte-Plan vorstellen und über die ersten, durchweg positiven Reaktionen in der westlichen und arabischen Welt sowie Widerständen in Teilen der israelischen Regierung berichten. Einer schweigt bislang jedoch: die Hamas. Trump hat ihnen "drei, vier Tage" Zeit gegeben, den Plan zu prüfen. O-Ton Trump: »Und die Hamas wird entweder zustimmen oder nicht, und wenn sie nicht zustimmt, wird das ein sehr trauriges Ende nehmen.«

Sehr viel mehr zu alledem in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

In einer interessanten Reportage für die FAZ schildert Ninve Ermagan, auf welche Schwierigkeiten israelische Friedensgruppen wie „B’Tselem“ oder „Ärzte für Menschenrechte Israel“ stoßen, wenn sie die Kriegführung der Regierung anklagen oder sich für Palästinenser einsetzen. So wie beispielswese Itamar Avneri, der der jüdisch-palästinensischen Friedensgruppe „Standing Together“ angehört. Für ihn sei absolut unmenschlich, wie die israelische Regierung derzeit handele. Die Toten, die Hungernden, die Zerstörung, all das müsse aufhören. Er ringt sichtlich um Worte. „Es sind Verbrechen, was da geschieht, ein Genozid“, sagt er schließlich. Aber warum zeigt sich der Großteil der Bevölkerung in Israel vom Leid der Menschen in Gaza unberührt, wer prägt dieses Stimmungsbild? Für Avneri sind es vor allem die israelischen Medien, die nur selten über die humanitäre Situation in Gaza berichten:
"'Als im April Tausende ausschließlich für die Zivilbevölkerung Gazas demonstrierten und Fotos getöteter und ausgemergelter Kinder zeigten, war das in den Hauptnachrichten kein Thema', sagt er. Internationale Medien berichteten hingegen von der Aktion. Die Medienwissenschaftlerin Ayala Panievsky spricht im Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur von einem strukturellen Problem: Journalisten seien eingeschüchtert, und es gebe eine 'noch nie dagewesene Diskrepanz zwischen dem, was Israelis im Fernsehen sehen, und dem, was der Rest der Welt wahrnimmt'. Auch die liberale Rabbinerin Noa Sattath ... kritisiert die Branche: 'Die Medien sind unabhängig und kritisieren die Regierung ständig. Doch sie zeigen nicht, was in Gaza passiert.'"

Die gleiche Frage - Wie konnte die israelische Gesellschaft so sehr abstumpfen? - beschäftigt auch zwei Freundinnen, deren Chatverlauf die TAZ abdruckt. Marina Klimchuk, in der Ukraine geboren und in München aufgewachsen, zog 2012 zum Studium nach Israel, lernte Hebräisch und nahm später als Jüdin die israelische Staatsbürgerschaft an. Vor fünf Jahren verließ sie das Land, auch weil es sie erschöpfte, sich vor Bekannten und Freund:in­nen immer wieder für ihre linken, humanistischen Positionen rechtfertigen zu müssen. In dem hier abgedruckten Chatverlauf versuchen sie und eine israelische Freundin zu begreifen, was mit der israelischen Gesellschaft passiert ist: „Es macht mir Angst, wozu die Menschheit fähig ist“

Die Links in der Rubrik ISRAEL INTERN

Während in Tel Aviv bei zahllosen Demonstrationen immer wieder die Rufe nach Freiheit für die Geiseln hallen, werden in Deutschland ihre Poster abgerissen. Der Vater einer deutschen Hamas-Geisel fragt: Warum ist ihr Schicksal unsichtbar? Warum scheigt Deutschland? Und das, obwohl einige der Geiseln deutsche Pässe haben. In der FAZ schildert Ninve Ermagen u.a. das Beispiel von des 57-jährigen Chen, Vater des verschleppten deutsch-israelischen Soldaten Itay, der jedes Gespräch mit mit deutschen Politikern nutzt, um die Aufmerksamkeit auf diejenigen Geiseln zu lenken, die auch deutsche Staatsbürger sind und seit dem 7. Oktober in den Tunneln von Gaza gefangen gehalten werden. So etwa bei einer Demonstration in Tel Aviv, als der Max Lucks entdeckt, den menschenrechtspolitischen Sprecher der Grünen. Ermagan schilder das Aufeinandertreffen der Beiden:
"Chen sieht Lucks an, zögert keine Sekunde. Seine Stimme wird lauter, drängender, fast zornig: Wie könne es sein, fragt er, dass Deutschland so wenig über seine eigenen Bürger spreche? Frankreich habe für die ermordeten Franzosen eine nationale Zeremonie veranstaltet – mit Präsident Macron und militärischen Ehren. In Deutschland? Schweigen. Keine Gedenkfeier, keine politische Geste von vergleichbarer Wucht. 'Wo bleibt die Gerechtigkeit für die Ermordeten?', schleudert er dem Grünen-Politiker entgegen – und erklärt: 'Wissen Sie, warum wir Juden so sehr um jede Seele trauern? In unserer Tradition heißt es: Wer einen Menschen umbringt, bringt das ganze Universum um.'“

Auf dem Blog des Journalisten Michael Miersch - MIERSCH MEDIA - schildert Ludger Weiß, dass auch deutsche NGOs zu den hochaktiven Unterstützern des Israelboykotts gehören und sich dennoch direkt oder indirekt maßgeblicher Subventionierung durch die EU, Deutschland und die Kirchen erfreuen. Hauptmotor dieser Entwicklung ist das gemeinnützige, in Berlin ansässige "European Center for Constitutional and Human Rights" (ECCHR). Weiß wirft dem Center vor, es habe sich beispielsweise mit reichlich undurchsichtigen palästinensischen Organisationen zusammengetan, um die Bundesregierung juristisch unter Druck zu setzen, Waffenlieferungen an Israel einzustellen. Weiß fragt:
"Aber wer finanziert das ECCHR eigentlich, das sich mit antisemitischen Terrorgruppen, die Israel auslöschen wollen, gemein macht? Unter den Förderern sind nicht nur die Europäische Union, sondern auch 'Brot für die Welt' und Misereor, die Hilfswerke der beiden großen christlichen Kirchen, die zum großen Teil durch verschiedene Bundesministerien und das Auswärtige Amt finanziert werden. Beide gaben 2022 jeweils circa 100.000 Euro. Hinzu kamen die Schöpflin Stiftung mit knapp 100.000 Euro sowie die Olin gGmbH mit 30.000 bis 40.000 Euro."

Die European Broadcast Union lässt im November ihre Mitglieder über die Teilnahme von Israel beim nächsten Eurovision Song Contest (ESC) abstimmen. Bereits mehrere Länder haben angekündigt, bei einer Teilnahme Israels von einer eigenen Teilnahme - und damit auch der Mitfinanzierung des Events - abzusehen. In der TAZ fürchtet Jan Feddersen, dass dies 
"der größte Erfolg der antiisraelischen Bewegung BDS werden" könnte. Die ARD hat sich in der Angelegenheit noch nicht geäußert, selbst auf Nachfrage nicht. Aber der Druck steigt, berichtet Daniel Zander für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG:
"Der Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten richtete unlängst einen öffentlichen Appell an den ARD-Vorsitzenden Florian Hager. Darin ruft der Verband die Intendanten der ARD dazu auf, »den Ausschluss Israels aus dem ESC ... zu verhindern«. Eine Austragung ohne Israel würde »keine Kritik an der israelischen Kriegsführung« darstellen, sondern die »gesamte Bevölkerung undifferenziert« treffen."

Eyal Shani, Jahrgang 1959, hat maßgeblich zum internationalen Ansehen der modernen israelischen Küche beigetragen. Gemeinsam mit seinen Geschäftspartner Shahal Segal betreibt er weltweit mehr als 40 Restaurants, darunter das „Shmoné“ in New York, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist. Shanis Küchenstil ist von einer radikalen Einfachheit geprägt und setzt auf das Zusammenspiel weniger, aber sehr hochwertiger Zutaten. Jetzt hat er ein neues Restaurant in Berlin eröffnet. Die Eröffnung des Restaurants freilich hatte mehrfach verschoben werden müssen, da es zu antiisraelischen Protesten gekommen war. Anfeindungen wie diese sind für Shani allerdings keine neue Erfahrung, wie er im Interview mit der WELT berichtet. Auf die Frage, ob er angesichts der Feindseligkeiten gegen ihn in Berlin daran gedacht habe, sein Vorhaben aufzugeben, antwortet er:
"Nein, es ist genau andersherum. Je größer der Widerstand wird, desto mehr habe ich den Drang, weitere Restaurants aufzumachen. Es ist eine Art Instinkt, vielleicht ein jüdischer Instinkt, den ich im Laufe meiner Karriere entwickelt habe – mich immer mehr zu öffnen, um andere Menschen mit meiner Kochkunst zu berühren. Ich möchte ein Licht erstrahlen lassen und nicht der Dunkelheit verfallen, die uns umgibt. Es ist ein Akt der Liebe, den ich ausführe – und der mich mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft erfüllt. Deshalb hatte ich nie das Gefühl, aufgeben zu müssen."

Mehr zu allem in der Rubrik
ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

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Das Foto »Der letzte Jude von Winniza« ist zu einer Ikone des Holocaust geworden: Ein SS-Offizier steht am Rande eines Massengrabes und hält seine Pistole an den Kopf eines knieenden Mannes, der Bruchteile von Sekunden nach dieser Aufnahme erschossen in die bereits mit vielen Leichen übersäten Grube fallen wird. Seit Jahrzehnten versucht man die Identität des SS-Mörders zu klären, bisher vergeblich. Einer neuen historische Studie zufolge, die auch mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz entstanden ist, handelt es sich bei dem Exekutor um Jakobus Oehnen. Jahrgang 1906, war er dem Bericht zufolge ursprünglich als Lehrer für Englisch, Französisch und Sport tätig, bevor er sich der SS anschloss. Zum Zeitpunkt der Hinrichtung war er als Teil der mobilen SS-Einsatzgruppen in der Ukraine. Ein Beitrag auf dem Portal NEWS4TEACHER nimmt die Studie zum Anlass, drei aktuelle Recherchen vorzustellen, die aufzeigen, wie tief Lehrkräfte in den Nationalsozialismus verstrickt waren: "Lehrkräfte im NS-Staat: Neue Recherchen fördern bestürzende Details zutage".

Der im Jahr 1900 in Pforzheim geborene Jude Adolf Rosenberger war in den 1920er-Jahren ein erfolgreicher Rennfahrer und später Unternehmer. Am 25. April 1931 gründete er gemeinsam mit Ferdinand Porsche und Anton Piëch in Stuttgart das Konstruktionsbüro Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH, aus dem später die heutige Porsche AG hervorging. Als kaufmännischer Leiter und Gesellschafter prägte er die Frühphase des Unternehmens entscheidend – mit eigenem Kapital und seinem Netzwerk. Dennoch musste Rosenberger 1933 die Geschäftsführung abgeben. Im Jahr 1935 musste er seine Anteile zum Nominalwert verkaufen und war zeitweise im Konzentrationslager Kislau inhaftiert. Unter der Leitung des Bonner Historikers Joachim Scholtyseck entstand nun eine wissenschaftliche Biografie, die Rosenbergers Lebensweg zwischen Motorsport-Erfolgen, unternehmerischem Pioniergeist und erzwungener Emigration nachzeichnet. In einem Beitrag für die FAZ erzählt Scholtyseck vom Schicksal Rosenbergers und fasst einige Ergebnisse seiner Studie zusammen: "Porsches vergessener Mitgründer".

Erste Opfer oder Täter? Die Frage, welchen Anteil Österreicher an den Verbrechen des NS-Regimes haben, erregt schon immer die Gemüter und hat entgegengesetzte Deutungen hervorgebracht. „Insgesamt lässt sich nicht erkennen, dass Österreicher an NS-Massenverbrechen mit einem Anteil beteiligt gewesen wären, der über ihren bevölkerungsmäßigen Anteil am Großdeutschen Reich hinausgegangen wäre“, bilanzierte nun der Wiener Historiker Kurt Bauer seine aktuelle Studie über NS-Täter aus Österreich. Seine Einschätzung ist umstritten und stieß auf heftigen Widerspruch etwa von dem Grazer Soziologen Christian Fleck und dem Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes in Wien, Andreas Kranebitter. Im Interview mit der WELT rechtfertigt nun Bauer seine Forschungsergebnisse: „Seit Jahren wird mit aus der Luft gegriffenen irrwitzigen Zahlen herumgeworfen“.

Sie war ehrgeizig, erfolgreich und beliebt: Hanna Reitsch, die berühmte Testpilotin erprobte die wichtigen Maschinen von Hermann Görings Reichsluftwaffe, wurde von Adolf Hitler mit dem Eisernen Kreuz I. und II. Klasse ausgezeichnet und erlangte weltweite Berühmtheit, als sie 1938 den ersten Hubschrauber in einer geschlossenen Halle flog. Doch „Hitlers Überfliegerin“ diente auch der NS-Propaganda und wollte andere Piloten als Selbstmordflieger in den sicheren Tod schicken. War sie, die Hitler über dessen Tod hinaus die Treue hielt, wirklich die naive, unpolitische Patriotin, die nur Flugzeuge fliegen wollte? Oder war sie eine überzeugte und fanatische Nationalsozialistin, wie ihre Kritiker meinen? Anhand bislang unbekannter Aussagen Reitschs legt nun Armin Fuhrer die erste, spannende Biografie der Pilotin vor. In einem Beitrag für den WESER-Kurier beleuchtet der Autor insbesondere die Nachkriegszeit und den Umgang Reitschs mit ihrer eigenen Vergangenheit: "Vom Holocaust wollte Hitlers Überfliegerin nichts wissen". 

Die Links zu den Themen in der Rubrik VERGANGENHEIT...

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Die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geförderte „Studie zu den Auswirkungen des terroristischen Anschlags am 7. Oktober 2023 auf jüdische und israelische Communitys in Deutschland“ hat einen ersten Zwischenbericht vorgestellt. Die befragten Jüdinnen und Juden schildern darin in Einzelinterviews und Gruppendiskussionen bedrücktende Fälle von sozialer Isolation und Ausgrenzung in allen Lebensbereichen – zum Beispiel in Schulen, Hochschulen, am Arbeitsplatz oder in Arztpraxen. Der vorgelegte Zwischenbericht - eine ausführliche Endfassung ist für Anfang 2026 vorgesehen - macht auf erschreckende Weise deutlich: "Jüdinnen und Juden in Deutschland fühlen sich alleingelassen und benachteiligt".

Offiziell ist Donald Trumps „Make America Great Again“-Bewegung pro Israel. Das aber teilen längst nicht mehr alle im rechten Lager. Im TAGESSPIEGEL schildert Malte Lehmung, dass die MAGA-Bewegung an den Rändern zunehmend antisemitisch wird, was sich besonders deutlich bei der Trauerfeier um den ermordeten Charlie Kirk abgezeichnet habe. In der WELT widmet sich der in den USA lebende Journalist Hannes Stein dem gleichen Thema sehr viel deutlicher. Stein schildert die Bruchlinien in der MAGA-Bewegung, die sich entlang der Unterstützung von Israel ziehe und erläutert, wie sehr dies mit einem unterschiedlichen theopolitschen Verständnis von Israel zusammenhängt. Eindrucksvoll sei das zum Beispiel bei dem ehemaligen Fox-News-Star Tucker Carlson zu beobachten, der das 
"Bündnis mit Israel eigentlich immer für einen Fehler gehalten (hat). Es liege nicht im Interesse Amerika, diesen Staat zu unterstützen. Bei der Beerdigungszeremonie von Charlie Kirk trat Carlson mit einer Rede auf, in der er das Opfer mit Christus verglich und sagte, dieselben Leute, die einst Jesus getötet hätten, seien auch für den Tod des jungen MAGA-Aktivisten verantwortlich. Das Wort „Juden“ verwendete er nicht; das war auch vollkommen unnötig."

„Israelische Bürger sind in diesem Lokal nicht willkommen. Natürlich werden sie wieder willkommen sein, sobald sie sich entscheiden, ihre Augen, Ohren und Herzen zu öffnen.“ So war es in einem Aushang einer Pizzeria in Fürth zu lesen, der dieser Tage ziemlichen Wirbel verursachte. Ein ähnlicher Vorfall wurde auch aus Flensburg gemeldet. In der FAZ nimmt Ruben Gerczikow, ehemals Vizepräsident der European Union of Jewish Students sowie der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands, die beiden Vorfälle zum Anlass, um u.a. zu fragen, was gefährlicher sei:
"Das Schild in Flensburg, mit dem der Eigentümer offen sagt, was er meint? Oder jener Antisemitismus, der sich, wie bei der rechtsextremen AfD, hinter Chiffren wie „Globalisten“ oder der Verschwörungserzählung des „Großen Austauschs“ versteckt. Oder als „Israelkritik“ getarnter Boykott wie in Fürth, der im gleichen Ton wie Vertreter des links-progressiven Lagers Israelis aus Kultureinrichtungen, Universitäten und Veranstaltungen ausschließen will? Wer ist schlimmer? Der Antisemit, der brüllt, oder derjenige, der im akademischen Jargon formuliert, dass der Staat Israel kein Existenzrecht besitze?"

Nach der umstrittenen Ausladung des jüdischen Publizisten Michel Friedman haben rund 500 Menschen an einer Kundgebung im mecklenburgischen Klütz teilgenommen, bei der auch Friedman selbst aufgetreten ist. Zu der Kundgebung hatte die Autorenvereinigung PEN Berlin aufgerufen. Wie Sprecherin Thea Dorn erklärte, sollte damit ein Zeichen für die Autonomie der Kultur und gegen das Canceln gesetzt werden. In der Diskussion auf dem Marktplatz meldeten sich zahlreiche Menschen mit teils kontroversen Meinungen zu Wort, wie FAZ und DIE WELT schildern: "'Deutschlandfunk redet über uns. NDR, ARD, wir sind überall. Aber warum?', fragt eine Bürgerin".

Gerade mal einen Tag nach den verheeren Anschlägen der Hamas Am 7. Oktober 2023 dominierte nicht Mitgefühl für die Angegriffenen die öffentliche Meinung. Vielmehr wurden die Attacken in progressiven Kreisen von Berlin über Paris bis New York als Akt des Widerstands legitimiert, ja teilweise sogar bejubelt. Woher kommt dieser Hass, der sich selbst für moralisch überlegen hält? Eva Illouz, jüdische Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität Jerusalem, eigentlich tief geprägt von der klassischen postmarxistischen Linken, versucht sich in ihrem neuen Buch "Der 8. Oktober" tief getroffen von den Irrwegen der Linken auf all das einen Reim zu machen. Roland Kaufhold hat es für HAGALIL gelesen: "Antizionismus als tugendhafte Ideologie".

Die Links zu den Themen in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

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Es ist nicht so, als gäbe es keine Papiere, in denen die katholische Kirche die christlich-jüdischen Beziehungen nicht neu justiert hätte. Angefangen von der Konzilserklärung „Nostra aetate“ (1965), die in diesem Jahr ihr 60-jähriges Jubiläum feiert, bis hin etwa zu dem Papier der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum im Jahre 20215 unter dem Titel „Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“. Gleichwohl, so beklagt Christian Geyer in einem Beitrag für die FAZ, könne man von keinem dieser Papiere sagen, dass von ihnen "eine politisch-theologische Wirkung in Zeiten grassierenden Antisemitismus ausginge". Und so fragt er sich, "wann, wenn nicht jetzt, ginge es um eine Aktualisierung dieses Schrifttums in einem zentralen vatikanischen Text, dem als theologische Solidarisierung mit dem Judentum Signalwirkung zukäme, ohne dass damit schon eine theologische, geschweige denn sakramentale Deutung des Staates Israel und seiner Politik gegeben wäre". Er wünscht sich dringend "eine zu Herzen gehende, Israel auch religiös in die Pflicht nehmende, aber eben dem Antisemitismus den Boden entziehende Botschaft": "Wie der Papst dem Antisemitismus den Boden entziehen könnte".

Frankreich hat es kürzlich getan, Großbritannien ebenso, Deutschland lehnt es ab und in anderen Ländern wird darüber heftig diskutiert: die Anerkennung Palästinas als Staat. Vor diesem Hintergrund interessant: Kein anderes Völkerrechtssubjekt (sprich: Staat) hat Palästina so früh anerkannt wie der Vatikan! Im offiziellen vatikanischen Verzeichnis der Päpstlichen Auslandsvertretungen findet sich schon seit vielen Jahrzehnten ein Eintrag mit dem Titel "Jerusalem und Palästina", dahinter steht in Klammern ein Datum: 11. Februar 1948. Eine Anerkennung Palästinas bereits drei Monate vor der Staatsgründung Israels. Was es damit auf sich hat und wie dies im Blick auf die aktuelle Debatte zu verstehen ist, erläutert Ludwig Ring-Eifel in einem Beitrag für KATHOLISCH.de: "Wie der Vatikan Palästina als Staat anerkannte".
 
Ein Skeptiker mit Tränen in den Augen. Ein Flüchtling mit einem Gelübde. Für die internationale katholische Zeitschrift COMMUNIO schildert Ulrich Greiner die Begegnung zweier jüdischer Schriftsteller mit dem Wunderort Lourdes. Sowohl Kurt Tucholsky als auch Franz Werfel haben Lourdes besucht - und darüber geschrieben. Tucholsky in seinem "Pyrenäenbuch" und Werfel in seinem Roman "Das Lied von Bernatette". Greiner erinnert daran und fragt sich, was von dieser jüdischen Begegnung mit einem christlichen Wallfahrtsort zu halten sei: "Keineswegs leichtgläubig: Kurt Tucholsky und Franz Werfel in Lourdes".

Die Links zu den Themen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

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In Nürnberg gibt es seit kurzem erstmals koschere Lebkuchen. Die veganen Schoko-Elisen-Lebkuchen werden streng kontrolliert und sind das Ergebnis einer Kooperation der Israelitischen Kultusgemeinde mit dem Nürnberger Lebkuchenhersteller Schmidt. Bewußt sollen sie ein Zeichen der Verbundenheit zwischen jüdischer Gemeinde, Tradition und der Stadtgeschichte sein, wie der BAYRISCHE RUNDFUNK und das SONNTAGSBLATT berichten: "Koschere Version des Nürnberger Lebkuchens kommt auf den Markt". 

Der Autor, Journalist und Filmemacher Georg Stefan Troller ist tot. 103 Jahre ist er geworden. Als Sohn eines jüdischen Pelzhändlers 1921 in Wien geboren, flieht der junge Mann 1938 über die Tschechoslowakei nach Frankreich. Er bekommt ein Visum für Amerika, wird dort GI und verhört nach Kriegsende als Soldat jene Nazis, die einen Grossteil seiner Familie in den Konzentrationslagern ausgelöscht haben. Er kehrt nach Paris zurück und wird Journalist. Mit seinem Magazin "Pariser Journale" und der Porträtreihe "Personenbeschreibung" schrieb er bundesrepublikanische TV-Geschichte mit enormen Einschaltquoten. Im Nachruf der WELT findet sich dieses Zitat von ihm:
„Wissen Sie, ich fühle mich manchmal, als sei ich der letzte Wiener Feuilletonist. Die Liebe zu Wien besteht ja darin, dass man etwas gleichzeitig total bewundern und total belächeln kann. Das ist die Wiener Ironie. Das ist letztlich mein Lebensgefühl.“ 

Ruben Gerczikow, Publizist und Autor, hat gemeinsam mit dem Politik- und Religionswissenschaftler Monty Ott ein neues Buch zur Fußballkultur herausgegeben, in dem sie Geschichten jüdischer Profis und Fans zusammengetragen haben. Im Zentrum steht der von der Hamas ermordete Werder-Fan Hersh Goldberg-Polin. Der TAGESSPIEGEL hat mit den beiden Autoren ein Gespräch geführt: „Jüdisch und Fußballfan zu sein, gilt schnell als exotisch“

Die Links zu den Themen in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

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Die Gedenkveranstaltung für den ermordeten Charlie Kirk demonstrierte, wie sehr in den USA Religion zu einem politischen Instrument geworden ist. Kirche und Staat teilen sich die Bühne in Lobgesängen und Hassbotschaften. Wie passt das zusammen? Der christliche Bestsellerautor William Paul Young («The Shack») hat eine ambivalente Beziehung zu Evangelikalen. Er zählt sich selbst zwar zu ihnen – und findet dennoch: Sie haben am Christentum etwas Grundlegendes nicht verstanden, wie er im Interview mit der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG erläutert: «Man kann über den Zustand der Evangelikalen in den USA nur sagen: ‹Gott, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun›».
Passend dazu an gleicher Stelle ein Beitrag von Michael Hochgeschwender, Professor für nordamerikanische Kulturgeschichte, empirische Kulturforschung und Kulturanthropologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hochgeschwender skizziert die historischen und theopolitischen Hintergründe, die zu dem führten, was wir bei der Gedenkveranstaltung für Kirk erlebt haben. An einer Stelle fasst er zusammen, was die religiös-politische Geisteshaltung der Kirk-Gemeinde kennzeichnet:
interview
"Wer in Gott investiert und korrekt die Wirklichkeit so denkt, wie sie sein soll, hat beste Chancen, reich, gesund, begehrt und erfolgreich zu sein. Gnade, Leiden, Mitleiden, das Kreuz Christi, all das ist für diese Religionsform im Grunde Schnee von gestern, auch wenn man gelegentlich darauf Bezug nimmt. Der «Gospel of Prosperity» ist radikal modern, kapitalistisch und individualistisch. Er ist bestens mit elitären eugenischen und transhumanistischen Idealen, die im Umfeld Trumps und seiner Anhänger aus dem Silicon Valley massiv präsent sind, kompatibel."

Die Links dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

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Fast jeder von uns hat wenigstens eines dieser kleinen gelben Bändchen im Regal stehen, oder hatte es zumindest in Schüler- oder Studentenzeiten: die in charakteristschem Gelb gehaltenen Reclam-Bändchen. Der Verlag Philipp Reclam jun. hat sich in Volksbildung und Schule fest verankert und eine exponierte Rolle in der öffentlichen Meinungsbildung und in gesellschaftlich-politischen Diskursen erarbeitet. Nun liegt ein Buch vor, das die wirtschaftliche Entwicklung und das unternehmerische Handeln des Verlags in der Zeit von 1933 bis 1945 behandelt und anhand einer systematischen Analyse der Programmentwicklung herausarbeitet, wie sich der Reclam Verlag im Kultursystem des Nationalsozialismus positionierte. Marc Lehmstedt hat den Band für die FAZ gelesen: "Rassentheorie und Führerkult im Verlagsprogramm".

Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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EDITORIAL HIGHLIGHTS

02. Oktober 2025

 * Die 20 Punkte des Friedensplans für Gaza ... mehr

 * Breite Zustimmung zu Trumps Friedensplan ... mehr

 * „Die Menschen haben nach Rache geschrien“ ... 
mehr
 
 * „Es macht mir Angst, wozu die Menschheit fähig ist“ ... mehr

 * „Warum schweigt Deutschland?“ ... 
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 * Der größte Boykott aller Zeiten ... 
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 * „Ich bin allein, wenn ich nicht in Israel bin“ ... mehr
 
 * »Der letzte Jude von Winniza« ... 
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 * Porsches vergessener Mitgründer ... 
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 * Vom Holocaust wollte Hitlers Überfliegerin nichts wissen ... mehr
 
 * Jüdinnen und Juden in Deutschland fühlen sich alleingelassen ... 
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 * MAGA wird an den Rändern zunehmend antisemitisch ... 
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 * Antizionismus als tugendhafte Ideologie ... mehr
 
 * Wie der Papst dem Antisemitismus den Boden entziehen könnte  ... 
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 * Wie der Vatikan Palästina als Staat anerkannte ... 
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 * Kurt Tucholsky und Franz Werfel in Lourdes ... mehr
 
 * Koschere Version des Nürnberger Lebkuchens ... 
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 * Zum Tod von Georg-Stefan Troller ... 
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 * „Jüdisch und Fußballfan zu sein, gilt schnell als exotisch“ ... mehr
 
 * ‹Gott, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun› ... mehr
 
 * Buch-Tipp: Karolin Bove - Im Geisteskampf. ... mehr

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EDITORIAL


ACHTUNG: Am Donnerstag, 09. Oktober 2025, erscheint ONLINE-EXTRA Nr. 369 mit einem Beitrag der französisch-israelischen Soziologin Eva Illouz: "Es ist an der Zeit, die Heuchelei des Antizionismus zu entlarven".