ACHTUNG:
Von 25. Juli 2025 bis einschließlich 10. September 2025 erscheint KEIN COMPASS!

Guten Tag!
"Bei seinem Besuch in Washington berichtete Netanjahu vor laufenden Kameras, dass er Trump für den [Friedensnobel-]Preis vorgeschlagen habe. Der US-Präsident stifte gerade – 'während wir hier sprechen' – Frieden 'in einer Region nach der anderen', sagte Netanjahu und überreichte ein Schreiben, das er an das norwegische Nobelkomitee geschickt habe. Da entfuhr wohl nicht nur Trump ein 'Wow'".
So beschreibt Juliane Schäuble in der ZEIT den Moment, als Netanjahu seine Friedenstaube aus dem Sack ließ. Daraufhin warf sie einen Blick auf die Intention von Alfred Nobel, demzufolge den Preis derjenige erhalten solle, der im zurückliegenden Jahr "die beste oder meiste Arbeit" für Völkerverständigung, Abrüstung oder Friedenskongresse geleistet habe. Schäuble kommentiert:
"Sagen wir so: Als Sieger für die "meiste Arbeit" könnte Trump glatt durchgehen, wenn auch Rhetorik dazugehört. Niemand hat häufiger darüber gesprochen, dass er diesen Preis verdiene. Nur das mit der "besten Arbeit" ist so eine Sache. Von Frieden in Gaza oder in der Ukraine kann trotz Trumps Wahlkampfversprechen auch nach knapp sechs Monaten noch keine Rede sein. Die Bombardierung des Irans kann man bisher ebenfalls nicht als Überbringung eines Olivenzweigs deuten. Und zumindest die indische Seite bestreitet heftig, dass die US-Amerikaner eine größere Rolle beim Zustandekommen der Waffenruhe mit Pakistan gespielt haben."
Ganz anders sieht das Talya Lador-Fresher, von 2015 bis 2019 israelische Botschafterin in Österreich und Slowenien und seit September 2023 Generalkonsulin für Süddeutschland: „Donald Trump hätte den Friedensnobelpreis schon viel früher verdient gehabt“, sagt sie im Gespräch mit der FRANKFURTER RUNDSCHAU und ergänzt: „Er hätte ihn schon in seiner ersten Amtszeit für die Abraham-Abkommen bekommen sollen.“
Die Links zu den Themen in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.
Der aktuell zwischen Israel und der Hamas verhandelte Entwurf zu einem Waffenstillstand sieht u.a. die Freilassung von einem Teil der israelischen Geiseln vor, berichtet Steffin Hentschke für DIE ZEIT:
"Mehr als anderthalb Jahre nach ihrem Überfall auf Israel hält die Hamas noch 50 Geiseln gefangen. Nur noch 20 davon sollen am Leben sein, 19 Israelis, ein Student aus Nepal. Nur zehn von ihnen sollen laut dem aktuellen Entwurf freikommen, außerdem sollen die Leichen von 18 Getöteten übergeben werden. Die übrigen zehn Geiseln will die Hamas halten, bis die Frage beantwortet ist, wer Gaza nach dem Krieg kontrollieren soll."
Wer also schafft es auf die Liste? Diese Frage wird in der israelischen Öffentlichkeit und noch viel mehr unter den Angehörigen seit Tagen diskutiert. Eine Entscheidung von nahezu unmenschlichem Ausmaß, wie Maria Sterkl in der FRANKFURTER RUNDSCHAU berichtet, und bei Angehörigen und ehemaligen Geiseln heftige Reaktionen hervorruft:
"Bei den Angehörigen der Geiseln, aber auch bei jenen, die in früheren Geisel-Deals befreit werden konnten, ist die Empörung über die geplante Auswahl von Geiseln groß. So groß, dass sogar Bezüge zum Holocaust gebraucht werden: Die Plattform der Geisel-Familien spricht von „Schindlers Liste“ – in Anspielung auf jene Liste, die rund 1200 Juden das Leben rettete, weil sie für die Arbeit in Oscar Schindlers Fabrik ausgewählt wurden."
Wird es diesmal tatsächlich ernst? In Israel waren streng religiöse Männer jahrzehntelang von der Wehrpflicht befreit. Diese Ausnahme gilt aber nicht mehr. Die israelische Armee hat angekündigt, bis Ende des Monats 54.000 Einberufungsbefehle an ultraorthodoxe junge Männer zu verschicken. Doch nach wie vor gibt es großen Widerstand - innerhalb der Ortodoxie, aber vor allem auch innerhalb der Regierungskoalition selbst. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Regierung wegen der Wehrpflichtreform auf der Kippe steht. Andererseits benötigt das Militär dringend frische Kräfte, denn parallel macht sich zunehmend Kriegsmüdigkeit in der israelischen Gesellschaft wie auch in den Streitkräften selbst bemerkbar, berichtet Franca Wittenbrink in der FAZ:
"Israelische Medien gehen davon aus, dass seit Anfang des Jahres mehr als 100.000 Reservisten nicht mehr zum Militärdienst erschienen sind. Die meisten von ihnen sind ausgebrannt, leiden unter den Folgen traumatischer Erlebnisse, haben Beruf und Familie über Monate vernachlässigt. Bei einigen kommen grundsätzliche Zweifel an der Kriegsführung der Regierung hinzu, dazu die Verzweiflung darüber, dass die in den Händen der Hamas verbliebenen Geiseln noch immer nicht wieder frei sind."
Die Links in der Rubrik ISRAEL INTERN
Auf Anfrage der Fraktion DIE LINKEN im Bundestag erhebt der Wissenschaftliche Dienste des Bundestags "erhebliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit der Angriffe von Israel und der USA auf den Iran. In einem 54-seitigen Gutachten heißt es, die "ganz überwiegende Zahl der Völkerrechtler" sehe die Kriterien für eine "Selbstverteidigungslage" Israels nach Artikel 51 der UN-Charta nicht als erfüllt an. Eines der Hauptargumente lautet, Israel habe nicht hinreichend dargelegt, dass der Iran die feste Absicht hege, eine mögliche atomare Waffe gegen Israel einzusetzen - und dass die Angriffe die letzte Möglichkeit waren, den Bau zu verhindern. Einen Beweis für einen unmittelaben Angriff, wie es das Völkerrecht vorsieht, habe nicht es nicht gegeben. In einem Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG widerspricht dem vehement Béatrice Acklin Zimmermann, Geschäftsführerin des Think-Tanks Liberethica. U.a. schreibt sie:
"Wer nun dagegen argumentiert, die unmittelbar bevorstehende Gefahr, die einen Präemptivkrieg legitimiere, sei (noch) nicht gegeben, hat wohl übersehen, dass es hier nicht um eine Bedrohung durch Hellebarden und Schwerter, sondern durch Nuklearwaffen geht. Soll Israel gegenüber einem Feind, der genozidale Absichten hat, passiv bleiben, soll es zuwarten, bis Iran tatsächlich den Knopf der Atombombe drückt und sich danach jegliche Selbstverteidigung Israels erübrigt? Und: Weshalb soll die «gerechte Angst» Israels, von der der amerikanische Moralphilosoph Michael Walzer im Zusammenhang mit Israels Präemptivschlag im Sechstagekrieg von 1967 sprach, heute, wo das Ausmass der Bedrohung für Israel noch grösser ist, nicht Grund genug sein, um vorbeugend zu reagieren?"
Ihr Fazit dem entsprechend:
"Kann ein militärischer Angriff gerecht sein? Ein Krieg kann nie gerecht sein, aber er kann moralisch gerechtfertigt sein. All die Zartbesaiteten mit hehrer Gesinnung, die den Krieg zwischen Israel und Iran verurteilt haben, müssen sich fragen lassen, ob der Präemptivschlag Israels moralisch nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten war."
In einem Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG versucht Richard C. Schneider einen interessanen Vergleich des Rechtspopulismus in Israel und Europa vorzulegen. Der israelische Rechtspopulismus unter Benjamin Netanyahu vereine religiös-nationalistischen Populismus mit autoritären Zügen, betone die national-jüdischer Identität, forciere die Siedlungspolitik im Westjordanland, und versuche, die Justiz und Medien zu schwächen. Die rechtspopulistischen Parteien in Europa (wie AfD, FPÖ, Rassemblement National, PVV, Fidesz, Fratelli d’Italia) zeigen wiederum vielfältige Ausprägungen: sie sind konservativ, nationalistisch, islamkritisch und oft EU-skeptisch. Viele nutzen ein „liberales Illiberalismus“-Narrativ: Sie beanspruchen traditionelle Werte (z. B. Meinungsfreiheit) zur Abgrenzung gegen muslimische Einwanderung und haben nicht selten auch dann starken Einfluss, wenn sie in der Opposition sind (DE, FR, SE). Schneider beschreibt sodann wichtige Übereinstimmungen, die er an den Stichworten "Kulturkriege", "Philosemitismus" und "Schwächung der Institutionen" festmacht und zieht abschließend eine Reihe von Lehren aus diesen Erkenntnissen für Europa. In seinem Fazit heißt es u.a., Europa müsse:
"die liberale Demokratie nicht nur verteidigen, sondern auch erneuern. Demokratie darf nicht als Status quo, sondern muss als Projekt verstanden werden – offen, streitbar, lernfähig. Die israelische Erfahrung zeigt, wohin es führen kann, wenn demokratische Institutionen schwächeln, religiöse oder ethnische «Exklusivität» überhandnimmt und die politische Sprache militarisiert wird."
Die Links in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.
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Fast auf den Tag genau ist es 100 Jahre her, als das bislang meistverkaufte Buch deutscher Sprache erschien: "Mein Kampf" von Adolf Hitler. Erstaunlich ist der Erfolg auch, weil die Resonanz nach Erscheinen der Erstauflage in Höhe von knapp 10.000 zunächst vernichtend ausfiel. Dies schildert eindrucksvoll Sven Felix Kellerhoff in der WELT. Er zitiert teilweise ausführlich aus den ersten Rezensionen, die nicht nur in einschlägig rechten Blättern erschienen, sondern insbesondere auch aus Buchbesprechungen, die in den damals führenden Zeitungen wie der "Frankfurter Zeitung" oder der "Neuen Zürcher Zeitung" veröffentlicht wurden. In der "Berliner Zeitung" etwa schrieb der demokratisch gesinnte Journalist Stefan Grossmann, das Werk enthalte „mehr oder weniger pathetischen Blödsinn“, zahlreiche „Phrasen“ und Gedankenlosigkeit, außerdem „krassen Unsinn“. Der enttäuschende Erfolg von „Mein Kampf“ und die vorwiegend negative Resonanz, so Kellerhoff, habe wohl manchen dazu verleitet, Adolf Hitler und die NSDAP nicht wirklich als ernste Bedrohung zu sehen: „Leichte Zweifel an der geistigen Intaktheit“
Im August diesen Jahres wird es sechzig Jahre zurückliegen, dass im Frankfurter Auschwitz-Prozess die Urteile verkündet wurden. Aus diesem Anlass hat kürlich das Fritz Bauer Institut eine Veranstaltung organisiert, die sich mit den Urteilen des Verfahrens beschäftigte. Waren diese Schuldsprüche gerecht, waren sie angemessen? Und wie hat der Prozess, der die drastischen deutschen Taten publik machte, die Gesellschaft verändert? Um solche Fragen kreist die Veranstaltung mit dem Titel „Gelungene Aufarbeitung?“. Alexander Jürgs war für die FAZ mit dabei: "Wie konnten ganz normale Männer zu Mördern werden?".
"Es war nicht London, Paris, Rom, es war Zwickau, Chemnitz, Crimmitschau, Stuttgart, Nürnberg. Zwischen 1901 und 1938 wuchs die deutsche Kaufhauskette Schocken auf dreissig Filialen, und als die Nationalsozialisten ihr Werk der Enteignung abgeschlossen hatten, war das das Ende einer Utopie."
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG berichtet Paul Jandl von der aktuell im Berliner Jüdischen Museum zu sehenden Ausstellung "Inventuren. Salman Schockens Vermächtnis". Sie ist jenem berühmten Kaufhauskönig der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts gewidmet, der das Kaufhaus in Deutschland revolutionierte: "Der Kaufhauskönig Salman Schocken versuchte auch die jüdische Kultur vor den Nationalsozialisten zu retten".
In der FAZ beklagt der Rechtshistoriker Dominik Kawa die mangelnde Erinnerung an die NS-Verbrechen in Polen jenseits der Ermordung der Juden, als jene Vergehen, die von Heinrich Himmler und der NS-Führungsriege unter dem Motto der "polnischen Frage" zu verantworten waren wie etwa "die False-Flag-Operationen zu Kriegsbeginn, die unter dem Tarnnamen 'Unternehmen Himmler' liefen, bis zum Massenmord an der polnischen Zivilbevölkerung; von der systematischen Auslöschung der geistigen Elite über die Niederschlagung des Warschauer Aufstands bis zur vollständigen Vernichtung der polnischen Hauptstadt. Allein der hierzulande so gut wie unbekannten 'Intelligenzaktion', die im Frühling 1940 in die 'Außerordentliche Befriedungsaktion' überging, fielen sechzig- bis hunderttausend Angehörige der polnischen Führungsschicht zum Opfer (während parallel dazu im sowjetisch besetzten Landesteil weitere bis zu fünfundzwanzigtausend Offiziere, Staatsbeamte und Geistliche auf Stalins Befehl hingerichtet wurden)."
Susanne Beyer hat ihren Großvater nie kennengelernt. Er starb unter mysteriösen Umständen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Wer hat ihn erschossen? Und was war eigentlich seine Aufgabe im NS-Staat? In fast jeder Familie schlummern Geheimnisse: Haben die Eltern oder Großeltern während der NS-Zeit Schuld auf sich geladen? Was verschweigen die Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden? Susanne Beyer versucht, 80 Jahre nach dem Tod des Großvaters die Wahrheit herauszufinden. Dabei wird ihr immer klarer, welche Folgen die Vergangenheit für ihr eigenes Leben hat. Ihr Bericht, der auch viele hilfreiche Hinweisen für alle enthält, die mehr über die eigenen Vorfahren und sich selbst herausfinden möchten, liegt nun als Buch vor. Oliver Pfohlmann hat es für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG gelesen: "Was wusste meine Familie von Auschwitz?"
Die Links zu den Themen in der Rubrik VERGANGENHEIT...
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Glastonbury, England. Eines der bedeutendsten und beliebtesten Rockfestivals der Welt. Auftritt des Rap-Duos Bob Vylan, was Daniel Zylbersztajn-Lewandowski in der TAZ so schildert:
"Der Sänger von Bob Vylan, bürgerlich Pascal Robinson-Foster, hatte beim Konzert die Menge zunächst mit „Free Free …“ angeheizt, was sie mit „Palestine!“ beantwortete. „Kennt ihr den hier?“, fuhr er fort: Und skandierte „Death Death to the IDF“, enthusiastisch von der Menge wiederholt. Mit dem Slogan „From the River to the Sea, Palestine must be free“, der als Aufruf zur Vernichtung Israels verstanden wird, beendete Robinson-Foster schließlich die Szene. An anderer Stelle ließ er wissen, dass er einst „für einen verdammten Zionisten“ gearbeitet habe."
Bob Vylans Auftritt, live vom BBC übertragen, sorgte international für Aufsehen und Empörung. Die britische Polizei ermittelt wegen Volksverhetzung, die USA entzog ihm die Einreiseerlaubnis, ein geplantes Konzert in Köln wurde abgesagt. Vor diesem Hintergrund beschreibt die Mainzer Journalistin Jasmin Arémi in einem Beitrag für MENA-WATCH, wie selbstverständlich israelfeindliche und antisemitische Narrative auf Europas Festivalbühnen inzwischen Verbreitung gefunden haben. Deren gemeinsames Kennzeichen analysiert sie u.a. wie folgt:
"Die »Free Palestine«-Rufe auf europäischen Festivals, begleitet von Schweigen über oder gar Zustimmung zu den Gräueltaten der Hamas, sind kein Ausdruck politischen Bewusstseins, sondern eine Folge regressiven Denkens. Kritik wird durch eine moralische Pose ersetzt, Analyse durch vereinfachende Schwarz-Weiß-Narrative. Es geht nicht um Frieden oder Menschenrechte, sondern um das Bedürfnis, Teil eines identitätspolitischen Widerstandsnarrativs zu sein – einfach, um dazuzugehören und auf der richtigen Seite zu stehen."
In der WELT erinnert Alan Posener daran, dass die Islamisten bevorzugt Anschläge auf Teilnehmer von Musikveranstaltungen unternehmen, vom Anschlag im Pariser Bataclan-Club (90 Tote), über den „Reina“-Nachtclub in Istanbul (39 Tote), dem Ariane-Grande-Konzerts in Manchester (22 Tote) bis hin zum Nova-Festival in Israel am 7. Oktober 2023. Insofern sei es verstörend, dass ausgerechnet auf einem Musikfestival die jungen Besucher Parolen feiern, die einer Ideologie des "Todeskults" entstammen:
"Wie wir spätestens seit den Anschlägen des 11. September 2001 wissen, ist der Islamismus ein Todeskult, der nicht den Imperialismus bekämpft, sondern den Hedonismus. Wer das Leben feiert, den hassen die Dunkelmänner, die den Tod lieben. Und die seit Jahrzehnten nach dem Motto handeln: 'First we take Israel. Then we take the rest'".
In einem nachdenklichen und klugen Beitrag ebenfalls für die WELT markiert Dennis Sand das vielleicht eigentliche Problem des populär gewordenen Antisemitismus und Antizionismus in der gegenwärtigen Pop-Kultur:
"Der wahre Skandal sind nicht die irren Aussagen einzelner, der wahre Skandal ist ein junges Publikum, das die Parolen aufgreift, tausendfach mitskandiert und die Bands für ihre Aussagen in Kommentarspalten vehement verteidigt. Nur um das noch einmal deutlich zu machen: Äußerungen, bei denen es nicht bloß um legitime Solidarität mit Menschen im Gaza-Streifen oder Kritik an der Kriegsführung Israels geht, sondern um konkret formulierte Auslöschungsfantasien gegen jüdische Menschen. Hier geht es nicht um Kunstfreiheit, sondern um Strafrecht."
Vor diesem Hintergrund formuliert er die im Kern tatsächlich bedrückende Schlussfolgerung:
"Wir verlieren gerade eine junge Generation an eine fehlgeleitete Ideologie, deren Antisemitismus ihre Apologeten offenbar gar nicht erkennen, eine Ideologie, die sich als akademischer Postkolonialismus tarnt. Denn die jüngste Ausprägung des Postkolonialismus stilisiert den Nahost-Konflikt zu einem Konflikt zwischen Unterdrückenden und Unterdrückten, in dem man nach linkem Selbstverständnis, unhinterfragt für die Unterdrückten Partei ergreifen müsse."
Im Interview mit der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG beklagt die israelische Soziologin Eva Illouz eine weltweite Spaltung der politischen Linken, "die heute viel tiefer ist als die zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus". Heute gebe es "zwei Linke", die sie so beschreibt:
"Die eine hat den Antizionismus und den Krieg in Gaza zum Hauptgegenstand ihrer Identität und ihres Kampfes gemacht. Sie lebt in einer bizarren, permanenten Obsession gegenüber Israel. Es gibt eine andere Linke, zu der ich gehöre, für die Israel zwar ein fehlerhaftes Land ist, aber sicherlich nicht schlechter als viele andere. ... In meiner Linken kann man gleichzeitig die Besetzung palästinensischer Gebiete und den Antisemitismus bekämpfen. Die Linke, an die ich glaube, will das Existenzrecht Israels, das Recht auf Selbstverteidigung im Falle eines Angriffs, das Recht auf Bekämpfung des Antisemitismus sowie das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser bewahren. Die andere Linke ist meiner Meinung nach keine Linke mehr. Sie ist etwas anderes, eher eine religiöse und irrationale Sekte."
Ebenfalls in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG ein Interview mit dem algerisch-deutschen Islamwissenschafter Abdel-Hakim Ourghi, der gerade ein Buch unter dem Titel "Die Liebe zum Hass. Israel, 7. Oktober 2023" veröffentlicht hat. Im Gespräch erläutert er die durchdringende Sozialisierung in islamischen Ländern mit Judenhass und erinnert sich an seine eigene Kindheit:
"Wir wurden zu Antisemiten erzogen. In den Schulen wurde völlig selbstverständlich das Bild vermittelt, die Juden seien unsere Feinde. «Jude» war ein Schimpfwort. Der Lehrer in der Koranschule sagte: «Du Jude, benimm dich!», wenn er einen Schüler massregeln wollte. Wir wurden mit Judenhass sozialisiert, ohne dass wir uns dessen bewusst wurden. In so einem Diskurs ist man gefangen."
Vehement wehrt er sich gegen die Ansicht, Judenhass habe nichts mit dem Islam zu tun:
"Je mehr ich mich mit dem Islam beschäftigt habe, vor allem auch mit seinen historischen Wurzeln, desto deutlicher habe ich gesehen, wie zentral der Judenhass im Islam ist. ... Islamisten und muslimische Antisemiten stützen sich auf den Koran und das politische Handeln des Propheten, um den Hass zu legitimieren. Der Hass auf die Juden gehört zum Islam. Seit den Anfängen."
Andrei S. Markovits, 1948 als Sohn von Schoah-Überlebenden geboren, arbeitete unter anderem in Harvard, Santa Cruz und an der University of Michigan. In einem bewegenden Vortrag an der Universität in Dortmund schilderte er eindrücklich, wie sehr Amerika einst die große Hoffnung für ihn und die wenigen Holocaust-Überlebenden seiner Familie rumänischer Juden bedeutete. Amerika galt ihnen trotz seiner Schattenseiten wie etwa dem Rassismus als Inbegriff der Demokratie. Dies hat sich dramatisch verändert:
"Die Ereignisse des vergangenen Jahres jedoch haben diese fröhliche Gemütslage zutiefst erschüttert. Kurz gesagt, ich sehe, wie die letzten verbleibenden Jahre meines Lebens von der Skylla des Trumpismus zerstört werden. Trump ist im Begriff, so ziemlich alles zu zerstören, was ich an Amerika zu lieben gelernt habe. Und ich sehe die Charybdis des Antisemitismus, die an den heiligsten Orten meines Lebens am stärksten ist, nämlich in der Welt von Eliteuniversitäten wie Columbia, Harvard und der University of Michigan... die Universitäten sind seit dem 7. Oktober 2023 nicht mehr dieselben. Ich glaube sogar, dass es im heutigen Amerika nur wenige Institutionen gibt, in denen sich ein Mensch, der offen als Jude lebt, unbehaglicher fühlt als in der Welt der Eliteuniversitäten."
Und mit einem Zug tiefrauriger Verbitterung illustriert er am Ende seines Vortrags, den die TAZ veröffentlicht hat, was er damit meint:
"Erstens fiel mir auf, dass einige Studenten am Ende meiner Vorlesungen ihre Davidstern-Halsketten unter ihren Pullovern versteckten, bevor sie hinausgingen. Sie taten dies ganz selbstverständlich, als wenn sie mit einem Schal ihren Hals schützen. Zweitens: Als ich einmal über den Campus ging, wurde ich Zeuge, wie eine junge Frau eine andere junge Frau hasserfüllt anbrüllte: „Geh zurück nach Polen!“ Eine Jüdin aus Amerika solle „raus aus Palästina“, sie solle „zurück nach Polen“, von wo – wie ich vermute – ihre Familie einst vor Pogromen, vor dem Holocaust fliehen musste! Ich hätte nie gedacht, dass ich diese beiden Ereignisse an einer amerikanischen Universität erleben würde. Sie waren der Ort meiner Sicherheit, meines Erfolgs, meines Glücks! Das ist leider dahin. Meine Trauer, meine Enttäuschung, sie sitzen sehr tief! Ich fürchte, dass sie in den verbleibenden Jahren meines Lebens nicht verschwinden werden."
Von einem besonderen Projekt zur Antisemitismusprävention für eine ganz bestimmte Zielgruppe ist in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu lesen: Seit 2022 organisiert die liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom München in ihren Räumen regelmäßig Führungen für bayerische Polizeibedienstete aller Gattungen. Die Gemeinde klärt dabei Polizisten über jüdisches Leben und alltäglichen Antisemitismus auf. Was die frühere Vorsitzende Eva Ehrlich den Beamten berichtet und was ihr ein besonderes Anliegen ist, schildert Andrea Schlaier in ihrer Reportage: „Ich will nicht, dass sie mir eine aufs Maul hauen!“
Die Links zu den Themen in der Rubrik ANTISEMITISMUS.
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Für Aufsehen sorgt ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs demzufolge ein Kruzifix im Eingangsbereich einer staatlichen Schule in Bayern die Religionsfreiheit von Schülerinnen und Schülern verletze. Sie gaben damit einer Klage zweier Schülerinnen recht, die sich an einem großen Kruzifix im Eingangsbereich ihres staatlichen Gymnasiums störten. Laut Bayerischem Verwaltungsgerichtshof ist die Konfrontation mit dem Kruzifix ein "Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit". In der WELT legt Christoph Lemmer ausführlich das Problem und die Urteilsbegründung dar: "Die Botschaft des Kruzifix-Urteils".
Der Weltkirchenrat hat Ende Juni 2025 eine außergewöhnlich klare und kritische Stellungnahme verabschiedet, die die Lage im Heiligen Land als Apartheid und Besatzung verurteilt, Rechenschaftsforderungen und Sanktionen unterstützt und zugleich betont, dass die Kritik sich auf politische Strukturen und Menschenrechtsverletzungen bezieht – nicht auf das jüdische Volk als Ganzes. Die Erklärung hat insbesondere in Deutschland für erheblichen Wirbel, Unmut und Unruhe gesorgt. Befürworter sehen in der Erklärung eine notwendige, moralisch begründete und rechtlich fundierte Stellungnahme gegen massive Menschenrechtsverletzungen. Kritiker hingegen werfen dem ÖRK vor, sich einseitig auf das Leid der Palästinenser zu fokussieren, ohne Hamas oder komplexe Sicherheitsaspekte zu thematisieren, und sprechen von einer unzulässigen Nähe zu BDS und politischer Instrumentalisierung. Christian Staffa, EKD-Antisemitismusbeauftragter, hält beispielsweise die Verwendung des Begriffs „Apartheid“ für „sachlich falsch und institutionell nicht nachvollziehbar“. Im SONNTAGSBLATT kritisiert Markus Springer ähnlich und bezeichnete den Beschluss als „historisch falsch, sachlich unzutreffend und diffamierend“. Vor allem die Forderung nach gezielten Sanktionen und die Nähe zur BDS-Kampagne sei gefährlich. In einem langen Interview mit ZEITZEICHEN verteidigt wiederum Heinrich Bedford-Strohm (Vorsitzender des ÖRK) die Erklärung. Er betonte, dass der Begriff „Apartheid“ im Kontext der Bombardements und des massiven Leids in Gaza nicht antisemitisch sei, sondern Ausdruck der „unermesslichen Trauer“ über das Leiden der Zivilbevölkerung – und aus demselben moralischen Universalismus resultiere auch Solidarität mit Jüdinnen und Juden weltweit. Scharfe Kritik kommt unterdessen vom Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt. Er wirft der evangelischen Kirche moralisches Versagen vor, Israel werde einmal mehr „dämonisiert“. Goldschmidt fordert die Evangelische Kirche in Deutschland auf, aus dem ÖRK auszutreten. Die Gleichsetzung israelischer Politik mit Apartheid sei „nicht nur historisch falsch, sondern gefährlich“, schreibt Goldschmidt in einem Gastbeitrag für die WELT, denn:
„sie gießt Öl ins Feuer des global anwachsenden Antisemitismus. Wer Israel dämonisiert, trifft am Ende auch Juden weltweit, die - ob sie es nun wollen oder nicht - auch immer Zielscheibe für Kritik an Israels Politik sind.“
Und in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG erinnert der Pastor Josias Terschüren die Kirchenfunktionäre des ÖRKs in diesem Zusammenhang noch an ein anderes Versagen:
"In einer Zeit, in der Christen in Syrien und Nigeria reihenweise von muslimischen Fanatikern abgeschlachtet werden und die Kirche in Europa im Rekordtempo schrumpft, kritisiert man den einzigen jüdischen Staat, der ums Überleben kämpft und dabei die westliche Welt und ihre ursprünglich jüdisch-christlichen Werte gegen islamischen Terror verteidigt. Es ist ein Kampf, den die Kirche noch nicht einmal aufgenommen hat."
Im Iran hat der Ayatollah Naser Makarem Shirazi eine Fatwa ausgesprochen, die die Todesstrafe für Donald Trump und andere Personen fordert, die den obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei bedrohen. Shirazi betrachtet solche Drohungen als „Krieg gegen Gott“ und sieht darin eine schwere Straftat, die nach islamischem Recht die Todesstrafe nach sich zieht, wie der „Telegraph" berichtet. Vor diesem Hintergrund befasst sich der deutsch-ägyptische Politikwissenschafter und Buchautor Hamed Abdel-Samad, selbst Betroffener einer Fatwa, in einem Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG mit der Bedeutung der Fatwa gegen Trump und was sie über den Zustand des Regimes aussagt. Sein Fazit:
"Die eigentliche Gefahr liegt jedoch nicht in der Machbarkeit eines Anschlags auf Trump. Die Gefahr liegt in der Reaktivierung eines Denkens, das Mord als Gottesdienst und Rache als Theologie legitimiert. In einer Welt, in der digitale Mobilisierung und ideologische Radikalisierung in Echtzeit stattfinden, genügt oft ein einziger religiöser Impuls, um ganze Netzwerke zur Tat zu inspirieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass Salman Rushdie vor drei Jahren bei einem Attentatsversuch nur knapp dem Tod entkommen ist, 33 Jahre nach der gegen ihn verhängten Fatwa. Islamisten haben ein sehr gutes Langzeitgedächtnis. Sind sie mächtig, erobern sie Länder. Wenn sie geschlagen sind, wechseln sie zum Terror."
Die Links zu den Themen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.
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[HINWEIS: Aufgrund einer technischen Störung kann die Rubrik JÜDISCHE WELT heute leider nicht aktualisiert werden!]
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In Berlin ist der SPD-Politiker Christian Lange aus der EKD ausgetreten, weil Berliner Kirchen Geflüchteten Kirchenasyl gewährten. Er wirft der Kirche vor, den Rechtsstaat zu missachten – Pfarrerin Höhner verteidigt hingegen das Kirchenasyl als Akt humanitärer Verantwortung. Silke Scheder und Markus Springer schildern im SONNTAGSBLATT den Stand der Auseinandersetzung: "Kirchenasyl unter Druck: EKD reagiert auf Kritik am Umgang mit Flüchtlingen".
Die Links dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.
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Der renommierte niederländische Gehirnchirurg Jaap Hollander ist im Ruhestand, aber Ruhe findet er nicht. Seit seine Tochter zehn Jahre zuvor in Israel verschwunden ist, kehrt er jedes Jahr nach Tel Aviv und in die Wüste Negev zurück. Diesmal wird er dort unversehens gebeten, eine äußerst riskante Gehirnoperation durchzuführen. Er sagt zu, obwohl die Erfolgsaussichten verschwindend gering sind. Nicht nur das Leben seiner mächtigen Patientin hängt von der Operation ab, vielleicht eröffnet sie ihm sogar eine neue Spur zu seiner Tochter. Soweit das Setting des neuen Romans aus der Feder des niederländischen Schriftstellers Leon de Winter. Cornelia Geißler hat den Roman für die FRANKFURTER RUNDSCHAU gelesen: "Wie ein Hirnchirurg den Frieden retten soll".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.
Einen angenehmen Tag wünscht
Dr. Christoph Münz
redaktion@compass-infodienst.de
(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)

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