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ISSN 1612-7331
11.02.2014 - Nr. 1477
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Peter Kratz rezensiert Kurt Flasch: "Warum ich kein Christ bin"



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Original-Beitrag


Nachfolgend lesen Sie einen Original-Beitrag von Pfarrer i.R. Peter Kratz.

COMPASS dankt dem Autor für die Genehmigung zur Wiedergabe
ihrer Rezension an dieser Stelle.


Warum ich kein Christ bin


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Dieses 2014 bereits in 5.Auflage erschienene Buch des emeritierten Professors für Philosophiegeschichte an der Ruhr-Universität Bochum gehört auf den Schreibtisch von Theologen und Theologinnen! Es bietet in einer guten Mischung aus persönlich-biografisch verfasstem Bericht und stringent-argumentativer Auseinandersetzung eine profunde und kompromisslose Zeit- und Ortsangabe der christlichen Glaubensinhalte.


Verdauen sollten diese nicht immer einfach zu genießende doch stets lustvoll dargebotene Kost auf jeden Fall auch diejenigen, die professionell als Religionsagenten des Christentums unterwegs sind. Pfarrerinnen und Pfarrer singen gerne Lieder von der Marginalisierung der biblischen Botschaft in der Moderne: der 83-jährige gebürtige Mainzer, in liberal-katholischer Tradition ohne Scheuklappen aufgewachsen, gibt tiefgründig Auskunft über die Gründe. Indem er den Inhalt der christlichen Lehre in seinen konfessionellen Varianten schonungslos unter die Lupe nimmt, ihre Verankerung in den Perspektiven der Kirchenväter mit großer Sachkenntnis herausarbeitet und ihre Unfähigkeit aufweist, unter den Bedingungen der modernen Welt noch argumentativ Menschen zu erreichen, bescheinigt er den christlichen Kirchen eine gehörige Mitschuld an der Krise. Hoffnung auf Einsicht hegt er im Blick auf ihre Vertreter keine und ihre Änderungsbereitschaft sieht er gegen Null tendierend. Ohne Umschweife erklärt K. Flasch deshalb seinen Auszug aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Und das tut er auch ohne Unterfütterung mit dem gängigen Lamento am beklagenswerten Zustand „seiner“ Kirche: „Ich habe Gott gesucht und habe ihn nicht gefunden.“ (S.255) In erfrischender Direktheit begegnet er dem von Kirchenleuten prophezeiten Sinnverlust nach seinem Abschied: „Ich habe dabei meine rheinische Fröhlichkeit nicht eingebüßt; ich lebe und arbeite in Heiterkeit. ….Mein Leben ist nicht sinnlos. Ich habe nichts weggeworfen außer Formeln; mir fehlt nichts, was ich einmal hatte. Ich habe nur etwas genauer hingesehen, und dabei bröckelte die barocke Stuckherrlichkeit alter Beweispaläste ab. Ich habe an Inhalt nichts verloren: Ich kenne die Entwicklungsschritte Jahwes; ich lehne seine Opfersucht und Blutrünstigkeit ab; ich beteilige mich nicht an der Lobhudelei, die er sich wünscht. Der himmlische Hofstaat ist schöne orientalische Poesie.“ (ebda.)

Spätestens am Ende kapiert nun auch der geneigte Leser, was er dem Autor nach einer gewissenhaften Lektüre schuldet und verdankt: Respekt und Anerkennung für einen wachen Philosophen und seine überwiegend gut lesbare Abhandlung, weiterhin ein großes Kompliment an einen überragenden Kenner der antiken und mittelalterlichen Philosophie- und Kirchengeschichte. In der Summe heißt das: Wenn nach diesem philosophischen Weckruf die Ohren von Kirchenfrauen und –männern aufgetan werden und sie sich dranmachen, auch dem kritischen Verstand bei den Glaubensinhalten sein Recht(wieder) einzuräumen, dann gilt: Kurt Flasch hat sich um Christentum und Kirche verdient gemacht!

Zugleich erfahren wir im abschließenden Fazit des Autors aber auch, was sich dem kritischen Leser bereits an früheren Stellen angekündigt hat: die Israelvergessenheit des Autors stellt unmißverständlich das größte Manko des Buches dar. So sehr sich der Philosoph Flasch um Aufklärung bemüht und so großartig ihm das im Blick auf die Sujets der systematischen Theologie und der Kirchengeschichte gelingt, seine Leserichtung vor allem bei alt- aber auch neutestamentlichen Texten ist schwer getrübt. Vergeblich sucht man nach Gewährsleuten, die im christlich-jüdischen Dialog beheimatet sind, jüdische Gelehrte des 20. Jahrhunderts fehlen vollends. Nichts, aber auch gar nichts scheint dem alten Mann mit dem wachen Geist hier Kopf- oder Bauchschmerzen zu bereiten! Da ist er über seinen Besuch bei Herbert Braun (ehemaliger Neutestamentler an der Uni Mainz) in den späten 50er Jahren des letzten Jahrhunderts und über dessen damalige theologische Einsichten nicht hinausgekommen. (S.30-37) Wer beim Judentum als einer Religion der Antike theologisch stehenbleibt, braucht sich nicht wundern, wenn ihm die altkirchenväterliche Überwindung bzw. Ablösung der jüdischen durch die christliche Religion gar nicht auffällt, wenn die Perspektive der Kirchenväter in diesem Punkt sogar noch seine gegenwärtige Position bestimmt. Da nutzen dem verdienten Philosophen weder sein scharfsichtiger Geist noch seine zuhauf angeführten Textzusammenhänge bzw. Zitate aus alttestamentlichen Büchern: Der Gott Israels ist ihm ein grausamer Rachegott, über dessen anthropomorphe Züge der „kritische Denker“ manches Mal nur zynisch lachen kann.

In dieser völligen Fehleinschätzung des antiken wie des heutigen Judentums liegt letztlich die Ursache dafür begründet, dass K.Flasch die gegenwärtige Relevanzkrise des Christentums nur in einem wichtigen Teilbereich erkennt. Das krampfhafte Festhalten an den altkirchlichen Dogmen ist die eine Seite und zweifellos eine schwere Bürde für den intellektuellen Diskurs und Grund für viele, im Aussteigen aus dem altertümlichen christlichen Gedankengebäude einen Fortschritt zu sehen. Wer stattdessen die schrecklichste Zäsur in der Geschichte des Christentums, nämlich den holocaust, ernst nimmt und theologisch verortet, wird nicht nur die altkirchliche Dogmenbildung sondern auch die tiefsitzenden Motive zu ihrer Ausgestaltung in den Blick nehmen: Die Verdrängung des Judentums durch das Christentum und dessen bodenlose Überheblichkeit. Ohne diese Triebfedern hat sich nüchtern besehen nichts wahrhaft christliches entwickelt. Deshalb kann auch nur in der bewussten Umkehr zu den jüdischen Wurzeln und in der dialogischen Übersetzung dieser Arbeit mit jüdischen Menschen die Überwindung der mancherlei Defizite in Kirche und Theologie gelingen.

K. Flasch kommt mit seinem Buch zumindest das Verdienst zu, einen wesentlichen Schritt in die richtige Richtung getan zu haben. Daß dem weitere in der o.g. Sicht folgen müssen sollten sich die (zu wünschenden) zahlreichen Leser und Leserinnen aus dem kirchlichen Umfeld zu Herzen nehmen, die auch in Zukunft von ihrer Kirche noch etwas erwarten.


Kurt Flasch:
Warum ich kein Christ bin 
C.H. Beck Verlag
München 2013
280 S.
19,95
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© Peter Kratz




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