Shlomo Shafir (1924-2013) zum Gedenken

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Shlomo Shafir (1924-2013)
Julia Brauch
Die Bedeutung von „Nitzotz“ und seine eigene Rolle für diese Zeitschrift war ihm durchaus klar, doch als promovierter Historiker hatte er sich bewusst zurückgehalten, als Zeitzeuge das Thema selber wissenschaftlich anzugehen. Es war deshalb ein großes Glück, dass seine Enkelin, Laura M. Weinrib, sich erst vor einiger Zeit der Geschichte dieser Untergrundzeitung und damit der Geschichte ihres Großvaters annahm, und ihm mit ihrem Buch über „Nitzotz“ (Syracuse University Press, 2009) ein wissenschaftliches Denkmal setzte.
Die meisten von uns, die Shlomo Shafir im Kontext der deutsch-israelischen Beziehungen kennen lernten, wussten um diese Vergangenheit. Doch begegnete er uns nie allein als Holocaustüberlebender und zionistischer Widerstandsaktivist, sondern stets als ein der Gegenwart zugewandter Kenner der Zeitgeschichte, vor allem der Beziehungen zwischen Deutschland, Israel und den USA: Seine Expertise der sensiblen Beziehungen zwischen deutscher Sozialdemokratie und Israel, amerikanischen Juden und Deutschland war wegweisend. Bis in sein letztes Lebensjahr überraschte er mit seinen scharfen politischen Analysen, seiner Detailkenntnis deutscher Innenpolitik und seiner nie ruhenden Neugier, wie wir in Deutschland auf die Dinge blicken. Zeit seines Lebens Mitglied der Avoda, begegnete er der deutschen Sozialdemokratie mit Sympathie und gehörte gleichzeitig zu ihren besten Kritikern, wenn es um ihr Verhältnis zu Israel ging. Wissenschaftliche Aufsätze zu Willy Brandt und Helmut Schmidt, in welchen er deren Verhältnis zu Israel und den Juden untersuchte, legen davon lebendiges Zeugnis ab. Einen Eindruck von Shlomos Perspektive auf das deutsch-israelische Verhältnis konnten sich Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der DIG Berlin und Potsdam bei seinem Vortrag im Oktober 2007 verschaffen (http://www.digberlin.de/SEITE/bericht_shlomo.php).
Als Journalist und Korrespondent der einst bedeutenden israelischen Tageszeitung „Dawar“ und dem nationalen Radiosender „Kol Israel“, später zudem auch als Chefredakteur der vom World Jewish Congress herausgegebenen Zeitschrift „Gesher“ und schließlich als Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tel Aviv, dachte und schrieb er stets im Geiste eines aufgeklärten Zionismus, dessen Voraussetzung das Lebensrecht Israels als jüdischer Staat ist. Umso trauriger war es zu beobachten, wie er in seinen letzten Lebensjahren zunehmend die Hoffnung verlor, dass er selbst noch eine tragfähige politische Lösung im israelisch-palästinensischen Konflikt erleben könnte.
Die Verständigung zwischen Israelis und Deutschen war ihm eine Herzensangelegenheit, die sich nicht nur in seinen zahlreichen englischen, deutschen und hebräischen Veröffentlichungen spiegelt. Sichtbar wurde sie auch in der Art und Weise, wie er persönliche Beziehungen zu Deutschen pflegte, und nicht zuletzt auch darin, wie er für sich die deutsche Sprache und Bildung lebendig hielt.
Wir trauern um einen langjährigen Freund, der uns mit seinem Mut, Scharfsinn und Humor, mit seinem Glauben an das demokratische Deutschland nach dem Holocaust und einem immer klaren politischen Urteil beeindruckt hat. Wir werden ihn und seine Geschichte nicht vergessen.
(Mit freundlicher Genehmigung der Verfasserin)
[siehe auch:
ONLINE-EXTRA Nr. 91]
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