Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
10.06.2013 - Nr. 1430

ACHTUNG

Die nächste Tagesausgabe erfolgt am Donnerstag, 13. Juni 2013


Guten Tag!

Nr. 1430 - 10. Juni 2013


Der israelische Schriftsteller Yoram Kaniuk ist nach längerem Krebsleiden in der Ichilow-Klinik in Tel Aviv gestorben. Sein Körper wird nicht bestattet, sondern auf Kaniuks Verfügung hin der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Zu Kaniuks bekanntesten Werken gehören die zum Teil in 20 Sprachen übersetzten Romane "Adam Hundesohn", in dem Kaniuk sich mit dem Holocaust auseinandersetzt, sowie zuletzt "1948", einem Roman, in dem er seine Erlebnisse in den Kämpfen um die Unabhängigkeit des Staates Israel verarbeitet hat. "Sein Leben lang hat der israelische SchriftstellerYoram Kaniuk ein Gespräch mit den Deutschen geführt. In seinen Büchern genauso wie im richtigen Leben. Seine Romane seien für Deutsche und für Juden geschrieben worden, hat er einmal gesagt", schreibt Clemens Wergin in seinem Nachruf in der WELT. Kaniuk war zuletzt auch in die Schlazgeilen geraten, nachdem es ihm vor zwei Jahren gelungen war, israelische Rechtsgeschichte zu schreiben, da er vor Gericht das Recht erstritt, offiziell als Staatsbürger "ohne Religion" registriert und anerkannt zu werden. Israels Präsident Schimon Peres nannte Kaniuks Tod »einen großen Verlust für die israelische Literatur, Kultur und Seele". Neben der WELT, würdigen heute auch FAZ, TAGESSPIEGEL, SPIEGEL und JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG den literarischen Meister des deutsch-jüdischen und deutsch-israelischen Beziehungsgeflechts: "Dem Erinnern eine Sprache geben".
Die Links zu den Nachrufen in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Die Zeit für die viel diskutierte Zweistaatenlösung laufe ab, warnt der amerikanische Außenminister Kerry und sieht mit Unbehagen, dass sich die israelische Regierung immer mehr von diesem Modell distanziert. Darüber hinaus, so berichtet Monika Bolliger für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, lasse Israels Regierung noch dazu eine vielversprechende arabische Friedensinitiative unbeachtet links liegen: "Schwanengesänge auf den Frieden".
Der Link zu ihrem Bericht in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Waren aus israelischen Siedlungen mit „Made in Israel“ zu deklarieren ist aus Sicht der Bundesregierung falsch. Die Regierung antwortete damit auf eine Anfrage der Partei Bündnis90/Die Grünen. Die EU soll nun bei der Entscheidung helfen, wie in Zukunft mit einer Kennzeichnung von Waren aus Siedlungsgebieten umgegangen wird. Hildegard Müller, Präsidentin der Deutsch-Israelischen Wirtschaftsvereinigung, sieht darin einen drohenden Boykottaufruf, wie ISRAELNETZ berichtet. Unterdessen ist in der ZEIT ein Plädoyer für die Kennzeichnung von Siedlungsprodukten durch die EU zu lesen, die immerhin aus der Feder Alon Liels kommt, seines Zeichens ehemaliger Generaldirektor des israelischen Außenministeriums und Ex-Botschafter in Südafrika. Liel hofft, eine solche Kennzeichnung schaffe den nötigen Druck zum Ende der Siedlungspolitik und fördere damit eine Verwirklichung der Zweistaatenlösung: "Israels wahre Freunde".
Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

Der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) hat offenbar bei seiner Israelreise im Sommer 1973 eine Friedensinitiative der damaligen israelischen Premierministerin Golda Meir ins Leere laufen lassen. Das hat die Auswertung neuer deutscher und israelischer Dokumente ergeben, die Hagai Tsoref, Leiter des Dokumentationsreferats des Staatsarchivs Israel, und der Historiker Michael Wolffsohn von der Bundeswehruniversität München ausgewertet haben. Den Dokumenten zufolge habe Golda Meir den damaligen Bundeskanzler um Vermittlungshilfe zwischen Ägypten und Israel gebeten. Doch Meir setzte auf den Falschen, so die beiden Forscher. Brandt habe damit eine Chance vertan, den verlustreichen Jom-Kippur-Krieg im Oktober 1973 zu verhindern. ISRAELNETZ fasst die Studie der beiden Forscher zusammen und in der WELT kommen Tsoref und Wolffsohn mit einem langen Essay selbst zu Wort, in dem sie ihre Einsichten darlegen: "Wie Willy Brandt den Nahost-Frieden verspielte".
Die Links dazu in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

In dem südwestfranzösischen Dorf Oradour im Departement Haute-Vienne töteten Soldaten der Waffen-SS im Juni 1944 fast sämtliche Einwohner und setzten ihre Häuser in Brand. 642 Menschen kamen ums Leben. Die Gründe für den Massenmord wurden nie ganz geklärt, vermutlich war es eine willkürliche Strafaktion, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Kurz zuvor waren die Alliierten in der Normandie gelandet, der Widerstand gegen die deutschen Besatzer wuchs. Sowohl die französische als auch die deutsche Justiz versagten nach dem Krieg bei der Aufarbeitung des Verbrechens, woran die TAZ in zwei Beiträgen erinnert: "Der Hass verlor sich später".
Die Links dazu in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Vor dem Hintergrund der jüngsten Attacken gegen einen Rabbiner in Offenbach (siehe Compass 06.06.2013) sprach die OFFENBACH-POST mit dem Bielefelder Universitätsprofessor Andreas Zick, der seit Jahren zu den renommiertesten Antisemitismusforschern in Deutschland gehört, über Entstehung und hartnäckige Weitergabe antisemitischer Einstellungen. Im Debattenmagazin THE EUROPEN wiederum ist es gearde diese Gruppe der Antisemitismusforscher, die in einer Kolumne von Jennifer Nathalie Pyka aufs Korn genommen wird. Sie hält eine Gegenrede zu dem rituellen Ruf nach mehr Bildung in Schulen, der stets laut werde, wenn es zu antisemitischen Vorfällen kommt: "Wenn der Antisemitismusforscher den Anfängen wehrt".
Die Links zu Interview und Gegenrede in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

In einem Essay in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG setzt sich Martin Mayer mit dem Zusammenhang von Fundamentalismus und Terror auseinander. Nachdem er einige historische Beispiele hennt (Französische Revolution, Nationalsozialismus) wendet er sich der fatalen Verquickung von Religion und Gewalt zu, wie sie u.a. im islamistischen Terror zu beochachten ist. Eines der Hauptprobleme dabei beschreibt er wie folgt:
"Religion – in ihrer militantesten Verschärfung – ist jedoch, wie immer man es drehen und wenden mag, die Zornfabrik für solche «Kriege». Sie saugt das Gewissen an und immunisiert es zugleich. Sie hat dabei den gefährlichen Vorteil, dass sie gegen die Widerstände des Realitätsprinzips unbelangbar und unbeirrbar bleibt. Totalitär-terroristische Bewegungen und Revolutionen säkularer Façon, die sich seit unserer dynamischen Moderne auf die Geschichte beriefen, kapitulierten schliesslich vor ebendieser Geschichte: Sie gingen unter oder liefen aus. Reiche des Himmels sind bekanntlich gegen solche Gegenkräfte resistent. Dies ist es, was den Islamismus für jene, die – aus welchen Gründen immer – am nackten Diesseits kranken, so attraktiv macht. Sie wandeln, zumal als Krieger letzter Gefechte, in anderen Sphären."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Anfang Mai 2013 legte der „Rat für Kirche und Gesellschaft“ der reformierten „Kirche von Schottland“ einen „Bericht“ über die Lage in Israel und den Palästinensischen Gebieten vor: „Das Erbe Abrahams? Ein Bericht über das ‚Verheißene Land‘“. Der Bericht analysiert die verschiedenen biblischen und theologischen Ansprüche der Juden auf das Land und weist diese Verse, in denen den Kindern Abrahams das Land versprochen wurde, schlicht zurück. Außerdem verwirft er den „Glauben unter einigen Juden, dass sie ein Recht auf das Land Israel hätten und zwar als eine Kompensation für das Leiden im Holocaust.“ Nach heftigen Protesten wurden zwar inzwischen einige terminologische Korrekturen vorgenommen, die aber kaum mehr als Kosmetik darstellen, wie die Kritiker meinen. Johannes Gerloff zeichnet für ISRAELNETZ den bisherigen Verlauf der Geschichte nach und analysiert das Papier: Ist das „Erbteil Abrahams“ „Verheißenes Land“?
Der Link dazu in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Das Jüdische Gymnasium in Berlin feierte dieser Tage sein 20-jähriges Bestehen nach der Wiedergründung. Ein weiteres Zeichen eneuerter deutsch-jüdischer Normalität? Als die Schule 1993 eröffnete, hatte sie 25 Schüler, mittlerweile sind es 420. Zum diesjährigen Geburtstag gratulieren TAGESSPIEGEL und JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG: "Im Geiste Mendelssohns".
Die Links dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

"Warum mein Vater unbedingt will, dass ich wieder Jude werde – und wie schwer es ist, diesen Wunsch tatsächlich zu erfüllen" - das beschreibt der aus der Ukraine nach Deutschland gekommene Dmitrij Romashkan in einem Beitrag für die TAZ, in dem er sich mit dem Problem versteckter (jüdischer) Identität ebenso auseinandersetzt wie mit den Absurditäten der deutschen Bürokratie:
"Die Mission lautet also: Deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, Namen ändern, den semitischen Seelenfrieden meines Vaters retten – und mein Erbe! Mein größter Gegner dabei heißt momentan „festes Einkommen“. Als Student verdiene ich nicht genug. Kein fester Arbeitsplatz, kein Pass. So sieht es das Ausländeramt. Siebzehn Jahre hier gelebt? Kein Argument. Auch egal, dass der Staat seit sechs Jahren Bafög in mich investiert. Irrelevant, dass ich das Deutschlandstipendium erhalte. Die haben so viel Geld in mich reingebuttert, die müssten mir den deutschen Pass eigentlich an die Stirn tackern! Und zwar gratis. Aber nein: Für das Bildungsministerium bin ich die Elite von morgen, für das Ausländeramt der Hartz-IV-Empfänger von draußen."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Noch nie seien so viele Rabbiner auf einmal im Jüdischen Museum gewesen, meinte Cilly Kugelmann anlässlich einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Ausstellung »Die ganze Wahrheit über Juden«. Mit dieser Veranstaltung wollte die stellvertretende Museumsleiterin am vergangenen Donnerstag unterschiedliche Richtungen des Judentums präsentieren – Orthodoxie, Reform und Masorti. Und Kugelmann wollte demonstrieren, dass es keinen »jüdischen Papst« gibt – und dass keine der verschiedenen Richtungen die Wahrheit über das Judentum gepachtet hat. Fabian Wolff hat das Ganze für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG beobachtet und schildert seine Eindrücke: "Vier Rabbiner, vier Meinungen".
Der Link zum Bericht in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

"Jesus ist mir ein Kompass" - sagt die SPD-Generalsekretärin und gläubige Katholikin Andrea Nahles, die ebenfalls zu den Besuchern des Eucharistischen Kongress gehörte. "Ohne die Verbindung zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe wäre ich bestimmt nicht Politikerin geworden", bekennt sie im Interview mit dem DOMRADIO.
Der Link zum Interview in der Rubrik CHRISTLICHE WELT - und wer noch mehr wissen möchte, sei auch auf Nahles Beitrag in Online-Extra Nr. 107 verwiesen.

Einen hochinteressanten Band, der sich mit der Frage des Verhältnisses der Muslime zum Holocaust beschäftigt, würdigt Ramona Ambs auf HAGALIL. Die Beiträge des Bandes gehen auf eine Konferenz zurück, die im Jahre 2010 in Paris unter dem Titel stattfand: “Europeans Muslims Perceptions of the Holocaust”. Ambs ist von dem Band, der den Untertitel „Ansichten zum Holocaust unter Muslimen im internationalen Vergleich“ trägt, sehr beeindruckt:
"Neben dem Blick auf die verschiedenen Länder Europas, findet man aber auch Darstellungen zur Türkei und dem arabischen Raum. ... Die Zusammenstellung des Buches ist überaus gelungen und gibt einen Einblick in die inner- und außereuropäische Rezeption von Muslimen auf den Holocaust. Dass dabei differenziert wird und auch Lösungsansätze diskutiert werden, machen diesen Band umso wertvoller für den politischen Diskurs."
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Abschließend die Empfehlung, einen Blick in die FERNSEH-TIPPS zu werfen: Dort wird u.a. eine Dokumentation angezeigt, die das Schicksal der drei Holocaust-Überlebenden Esther Bejarano, Éva Fahidi und Yehuda Bacon erzählt und deren beeindruckende Weise dokumentiert, damit umzugehen: "Mut zur Liebe".

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag und eine gute Woche wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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