Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
08.06.2021 - Nr. 1953

ACHTUNG:

Die nächste Tagesausgabe erfolgt am Dienstag, 15. Juni 2021.


Guten Tag!

Nr. 1953 - 08. Juni 2021



Ein Bündnis aus acht Parteien wird voraussichtlich ab kommendem Sonntag die Geschicke Israels leiten. Das könnte den Beginn eines Heilungsprozesses in einer polarisierten Gesellschaft signalisieren, kommentiert Gisela Dachs im DEUTSCHLANDRADIO und zeigt sich leicht hoffnungsfroh:
"Ansonsten darf man gespannt sein, wie sich die geplante Kooperation gestalten wird zwischen einem religiösen jüdischen Ministerpräsidenten, einer überzeugten Feministin an der Spitze der Arbeitspartei, einem homosexuellen Anführer der Meretzpartei und einem konservativen Muslim an der Spitze der Raam-Partei. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Dass ein solches Bündnis überhaupt zustande gekommen ist, könnte aber auch zu neuen Dynamiken führen. Wer weiß. Was sich bisher bereits gezeigt hat ist, dass mit gutem Willen fast Unmögliches zu schaffen ist."
Ähnlich auch Christine Kensche, die in der WELT mit der neuen Regierung eine "historische Chance für die Koexistens in Israel" sieht:
"Vier Wochen sind die massiven Ausschreitungen in Israel her, jetzt steht das Land vor der Vereidigung einer jüdisch-arabischen Regierung. Es wäre die erste in der Geschichte des Staates. Sie steht vor einer schwierigen Aufgabe, hat aber auch eine historische Chance. Ihre „Koalition des Wandels“ steht also nicht nur vor einer schwierigen Aufgabe, sondern vor einer historischen Chance: auf höchster Ebene zu demonstrieren, dass eine versöhnliche Zusammenarbeit zwischen Juden und Arabern möglich ist."
Etwas skeptischer äußert sich Inga Rogg in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"Sollte die Regierung die Vertrauensabstimmung gewinnen, wird Bennett der schwächste Ministerpräsident Israels seit langem. Will er sein Amt nicht riskieren, wird er auf die Unterstützung der anderen Parteien angewiesen sein. Im schlimmsten Fall steht den Israeli eine Regierung bevor, die mehr mit sich selbst als ihrem Wohlergehen beschäftigt ist — und nach wenigen Monaten zerbricht. Im besten Fall reissen sich alle Beteiligten zusammen und handeln schwierige Kompromisse aus."
Noch skeptischer unter Verweis auf die gesamtgesellschaftliche Lage in Israel kommentiert der Generalsekretär der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen Fritz Edlinger in der WIENER ZEITUNG:
"Wie immer die Entscheidungen der nächsten Tage auch ausfallen werden, die kommenden Jahre werden für Israel keine leichten. Ob diese Regierung überhaupt vier Jahre überstehen wird, ist mehr als fraglich. Und ob es ihr gelingen wird, die extremen Polarisierungen, die zuletzt auch bei den Unruhen in Jerusalem und anderen Städten zum Ausdruck gekommen sind, zu überwinden, ist kaum zu erwarten. ... Es mag vielleicht übertrieben und für manche Beobachter schockierend klingen, aber das heutige Israel ist nahe daran, ein gescheiterter (Hightech-)Staat zu werden. Und daran sind nicht nur die bisher um ihre Rechte betrogenen Palästinenser schuld."
Und auch der deutsche Politologe Wolfgang Merkel hält den Schulterschluss israelischer Parteien gegen die Ära Netanjahu aus ähnlichen Gründen für wenig nachhaltig und sieht in der israelischen Situation ein Menetekel auch für Europa, wie er im Interview mit dem STANDARD bekennt:
"Dass wir es mit einer tiefen Krise des politischen Systems zu tun haben – eigentlich mit einer Krise der politischen Eliten. Ihnen fehlt, was für eine Demokratie sehr wichtig ist: die Fähigkeit, Kompromisse einzugehen. Israel ist, was das betrifft, ein Warnsignal für Westeuropa. Seine extrem heterogene Gesellschaft wird genauso heterogen im Parteiensystem abgebildet, was zu dieser Art von Schwierigkeit führt, stabile Kabinette zu bilden. In Europa sehen wir diese Tendenzen auch, aber noch nicht so extrem wie in Israel."
Und was macht Netanyahu derweil? Er ruft zum Widerstand gegen die neue Regierung auf und sorgt für eine Stimmung, in der Hetze und Morddrohungen gegen Israels künftige Regierungsmitglieder derart überhand nehmen, dass sich sogar der Inlandsgeheimdienst genötigt sieht, in einer seltenen öffentlichen Mitteilung eine drastische Warnung vor einem möglichen Blutvergiessen auszusprechen, wie die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG und die FAZ berichten. Und im SPIEGEL ist zu lesen:
"Die israelische Nachrichtenseite ynet schrieb, die gegenwärtige Hetze erinnere stark an jene vor dem Mord an dem Regierungschef Izchak Rabin durch einen rechtsextremen jüdischen Fanatiker im November 1995. Der bekannte Kommentator Barak Ravid von der Nachrichtenseite Walla verglich die Lage mit der Erstürmung des US-Kapitols durch Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump im Januar. »Es besteht eine echte Bedrohung der geordneten Machtübergabe in Israel«, sagte er am Sonntag."
Alle Links zum Thema in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Am 7. Juni 1981, gestern auf den Tag genau vor 40 Jahren, zerstörte die israelische Luftwaffe in einer beispiellosen Geheimdienstoperation den irakischen Kernreaktor Osirak in der Nähe von Bagdad. Ein Regime, das Israel offen mit der Vernichtung drohte, sollte nicht in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Carmen Shamsianpur erinnert für ISRAELNETZ an diesen Einsatz und seine Hintergründe, deren Aktualität bis in die Gegenwart hineinreichen: "Eine historische und zukunftsweisende Mossad-Operation".
Links zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Am 15. Mai wurde die israelische TV-Europa-Korrespondentin Antonia Yamin bei einer propalästinensischen Demonstration in Berlin-Neukölln mit einem Böller beschossen, während Sie für Ihren israelischen Fernsehsender berichtete. Ihre Muter ist Deutsche, im Dezember 2020 hat sie ihre Tochter in Berlin zur Welt gebracht, wo auch die Großeltern leben. Im Interview mit der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG gibt sie Auskunft über ihr Verhältnis zu Deutschland und ihren Übertritt zum Judentum. In einem anderen Interview sagte sie einmal im Blick auf Deutschland: "Ich glaube an dieses Land". Jetzt bestätigte sie im aktuellen Interview, dass das immer noch so sei, sie "liebe dieses Land ... Ich fühle mich hier auch zu Hause", woraufhin sie gefragt wird: "Mehr als in Israel?". Darauf antwortet sie:
"Diese Frage versuche ich schon 32 Jahre zu beantworten. In Israel war ich die Deutsche, in Deutschland bin ich die Israelin. Ich fühle mich in beiden Ländern zu Hause. Manchmal rege ich mich total über die Deutschen und ihre Bürokratie auf, und wenn ich im Urlaub in Israel bin, denke ich: Warum sind hier alle solche Barbaren? Aber ja, ich glaube immer noch an Deutschland."
Der Link zum vollständigen Interview in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

Am 5. Januar in diesem Jahr wurde der schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt 100 Jahre alt. Zeitlebens machte er sich immer für Israel stark – gegen den Mainstream. Darüber lese man wenig in seinem Jubiläumsjahr, beklagt Jürg Müller-Muralt in einem lesenswerten Beitrag für die Online-Zeitung INFOSPERBER und macht sich selbst daran, über das Verhältnis Friedrich Dürrenmatts zu Israel und zum Palästinakonflikt darzulegen. Dabei kann man lernen, dass Dürrenmatt in dieser Frage eine klare Haltung hatte: Er stellte sich unmissverständlich hinter Israel, und zwar mehrmals und in unterschiedlichen Kontexten. Besonders beeindruckend eine öffentliche Erklärung, die Dürrenmatt zum Jom-Kippur-Krieg ablegte und aus der folgendes Zitat stammt:
«Ich stelle mich hinter Israel: Es ist still um die Schriftsteller geworden. Die grossen Unterzeichner unterzeichnen nicht mehr. Es liess sich leicht gegen den Vietnam-Krieg, gegen die Besetzung der Tschechoslowakei und gegen den Sturz Allendes unterschreiben, es war selbstverständlich, sich für Solschenizyn und Sacharow einzusetzen; als Linksengagierter wünschte man sich doch wenigstens eine halbwegs anständige Linke; doch gegen den neuen arabisch-israelischen Krieg protestiert man lieber nicht. (…) Zwar ist es seit Jahren salonfähig geworden, die Israeli als Faschisten abzutun und die palästinensischen Terroristen als Helden zu betrachten. (…) Die Politik Israels vor diesem Krieg war in vielem falsch, dieser Meinung bin ich noch heute und auch jener, dass in diesem tragischen Konflikt Recht gegen Recht gestanden hat, steht und stehen wird. (…) Unter dem verlegenen Schweigen der westlichen und dem Beifallsgeheul der östlichen Welt versuchen die arabischen Unschuldslämmer, den jüdischen Wolf zu verschlingen. Ich schweige nicht. (…) Ich spreche nur in meinem Namen. Doch ist es als Schriftsteller gerade dann meine Pflicht, ein Wort zu sagen, wenn die Paradoxie der Lage Reden schwermacht, wenn einen niemand absichert, ohne Rückendeckung. Ich stelle mich mit diesen Worten hinter Israel, seinet- und unser aller wegen. Seinetwegen aus Anstand, unser aller wegen, damit wir nicht bald alle schweigen.»
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

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Es waren die letzten Hinrichtungen in Westdeutschland überhaupt als am 7. Juni 1951 in Landsberg am Lech sieben NS-Kriegsverbrecher hingerichtet wurden - und in der Öffentlichkeit tobten heftige Debatten darüber: Große Teile der Bevölkerung lehnen die Vollstreckung der Todesurteile ab, auch deutsche Politiker und Kirchenvertreter, woran Dirk Baas und Antonia Kleikamp in ihrem informativen Beitrag für die WELT erinnern: "Tausende demonstrierten für die SS-Massenmörder".
Der Link dazu in der Rubrik VERGANGENHEIT...

In der BERLINER ZEITUNG geht der Historiker Götz Aly auf die Knochenfunde ein, die man vor einigen Jahren auf dem Gelände des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts in Berlin entdeckt hat. Einiges spreche dafür, so Aly, dass es sich um Überreste von Auschwitzgefangenen handelte, die von Josef Mengele gequält worden waren - denn Mengele schickte seine "Präparate" an dieses Institut. Dem damaligen FU-Präsidenten Peter-André Alt wirft Aly vor, die Funde heruntergespielt zu haben. Die Konchen wurden eingeäschert. Jetzt gibt es weitere Funde, die von den FU-Archäologen Reinhard Bernbeck und Susan Pollock analysiert wurden, was offenbar nicht von jedem gerne gesehen wird:
"Allerdings setzt der heutige Präsident der FU, der Mathematiker Günter M. Ziegler, viel daran, über die ihm sichtlich unangenehme Angelegenheit schnell Gras wachsen zu lassen. Er unterbindet bis heute die von den Archäologen seiner Universität vorgeschlagenen weiteren Grabungen. Statt Aufklärung versprach er im Februar ein kleines Gedenkritual und einige erklärende Tafeln bislang unbekannten Inhalts."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Im TAGESSPIEGEL plädieren Johanna Korneli, Max Czollek und Jo Frank für eine "plurale Erinnerungskultur" statt einer nationalen. Es brauche in Anbetracht der multikulturell gewordenen Gesellschaft die "Beteiligung von Ministerien Religionsgemeinschaften und Kulturinstitutionen, Polizei und Gerichten, damit eine Vorstellung entwickelt werden kann, die Erinnerungskultur im Sinne einer wehrhaften Demokratie neu fasst". Und um diese Entwicklung zu stärken, sei die „Coalition for Pluralistic Public Discourse“ (CPPD) initiiert worden, ein Netzwerk von Künstlern, Intellektuellen, Wissenschaftlern verschiedenster Hintergründe und Disziplinen:
"Bei dieser Arbeit geht es nicht darum, die in den vergangenen Jahrzehnten entwickelte deutsche Erinnerungskultur in Gänze zu dekonstruieren. Ziel ist eine Weitung des Blicks. So könnte der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus auch weitere Gruppen von im Nationalsozialismus Ermordeter in unser Gedenken miteinschließen – Sinti*zze und Roma*nja, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Über Adolf Hitler und den Nationalsozialismus werden immer wieder Filme gedreht. Seit einigen Jahren sind das vermehrt Komödien wie „Er ist wieder da“ oder „Mein Führer“. Der US-Historiker Gavriel D. Rosenfeld, der an der Fairfield University (Connecticut) Geschichte lehrt, befürchtet, dass dies Rechtsextremisten in die Karten spielt, wie er in seinem bislang nur in Englisch vorligendem Buch "Hi Hitler!: How the Nazi Past Is Being Normalized in Contemporary Culture" ausführlich darlegt, wie Tilmann P. Gangloff in einem Beitrag für das REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND erläutert. Nach Ansicht Rosenfelds „bricht in weiten Teilen der westlichen Welt eine mächtige Welle der Normalisierung mit der traditionellen Vorstellung, dass die Erinnerung an das Dritte Reich aus einer moralischen Perspektive wachgehalten werden sollte“.
Der Link zum Beitrag in der Rubrik VERGANGENHEIT...

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Auf Demonstrationen zum Nahostkonflikt kommt es immer wieder zu antisemitischen Ausschreitungen. Rufe wie „Tod den Juden“ und das Verbrennen israelischer Fahnen sind dabei deutlich und unmittelbar als Antisemitismus erkennbar. Aber immer wieder werden auch Parolen gerufen und Transparente und Flaggen gezeigt mit Aussagen, die nicht auf den ersten Blick als antisemitisch zu identifizieren sind, was aber dennoch der Fall ist. Kira Ayyadi und Marc Widemann geben in einem Beitrag für BELL-TOWER Eine kleine Übersicht über antisemitische und zumindest problematische Symbole, Codes und Parolen, die auf anti-israelischen Demonstrationen zu sehen sind.
Der Link dazu in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Im Kampf gegen den beunruhigenden Anstieg des Antisemitismus auf der ganzen Welt haben der Frankfurter Bürgermeister Uwe Becker, der Kommunale Spitzenverband Israels (die Federation of Local Authorities in Israel) und die Combat Antisemitism Bewegung (CAM) eine Kampagne ins Leben gerufen, die kommunale Spitzenpolitiker auf der ganzen Welt dazu aufruft, gemeinsam gegen Judenfeindlichkeit in ihren Städten vorzugehen. In einer gemeinsamen Erklärung, der noch mehr Kommunalpolitikerinnen und -politiker beitreten sollen, bekennen sich die Initiatoren zu den Jüdischen Gemeinden in ihren Städten und dem Engagement für Jüdisches Leben vor Ort. Gleichzeitig verpflichten sich die Unterzeichner zu einem umfassenden Eintreten gegen jegliche Formen des Antisemitismus und wollen als Multiplikatoren in ihre Kommunen hinein wirken. Bislang hat dieser Aufruf 24 Bürgermeister aus Städten von 11 Ländern dazu gebracht, die Erklärung zu unterzeichnen und sich gemeinsam für den Schutz jüdischer Gemeinden einzusetzen, wie Ilse Romahn für FRANKFURT LIVE berichtet: "Bürgermeister aus 11 Ländern unterzeichnen gemeinsame Erklärung gegen Antisemitismus".
Der Link zum Bericht in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Der jüdische Rapper Ben Salomo ist von der deutschen Politik enttäuscht - und macht im Interview mit der WELT daraus keinen Hehl. Die Politik mache viel zu wenig, wenn es um Antisemitismus geht, und „rolle Antisemiten und Holocaust-Leugnern den roten Teppich aus.“ Bitter konstatiert er:
"Es ist halt einfach ein sehr erschlagendes und frustrierendes Gefühl: Ich bin froh, dass meine Großeltern nicht mehr miterleben, was wir hier gerade auf Deutschlands Straßen sehen. Ich glaube, sie würden es sehr bereuen, dass sie diesem Land nach dem Holocaust eine zweite Chance gegeben haben. Den gigantischen Vertrauensvorschuss, den sie Deutschland gegeben haben, der ist definitiv dahin. Nicht nur bei mir, auch bei sehr, sehr vielen jüdischen Menschen in Deutschland."
Der Link zum Interviewn in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

"Alle Jahre wieder: Deutschland diskutiert über Antisemitismus. Jeder redet mit, fleissig wird gestritten: Ist der Judenhass frisch importiert, oder war er nie weg? Kommt er von rechts, von links, aus der Mitte? Von oben, von unten, vom Mars? Er kommt vom Sitznachbarn im Zug, sagt Levi Israel Ufferfilge. Aus der Schlange im Supermarkt; von Menschen aus dem Quartier."
Andreas Scheiner macht in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG mit Levi Israel Ufferfilge bekannt, der 1988 im nordwestfälischen Minden geboren wurde, Jüdische Studien und Jiddistik studiert hat und nach seiner Promotion Schulleiter der Jewish International School – Masorti Grundschule in Berlin wurde. Aktuell macht er eine Ausbildung zum Rabbiner. Wie lebt sich’s als «sichtbarer» Jude in Deutschland? Was bringt der Tag, wenn man morgens mit einer Kippa auf dem Kopf aus dem Haus geht? In seinem kürzlich erschienenen Buch «Nicht ohne meine Kippa!» erzählt er vom alltäglichen Antisemitismus in Deutschland: "Wenn es schiefläuft mit dem Kippa-Tragen".
Mehr dazu in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

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Woher kommen wir? Wie sollen wir leben? Wohin gehen wir nach dem Tod? Der Mensch ist das Wesen, das Fragen hat. Und aus den Antworten entstanden einst die Religionen. In der Moderne hat sich dies gewandelt, schreibt der Philosoph Wilhelm Schmid in einem Essay für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG:
"Bezeichnend für die Moderne ist die Fragwürdigkeit von allem und jedem, die sich seit der Aufklärung durchgesetzt hat. Galt bis dahin, dass alle, die noch Fragen hatten, sich verdächtig machten, so gilt in der Moderne: Wer jetzt noch Antworten hat, macht sich verdächtig. Kein Ratgeber kann sich lange halten. Jede Antwort wird sofort wieder nach Fragwürdigkeiten durchforstet."
Was bedeutet das für uns und vor allem unser Zusammenleben heute in einer pluralen und diversen Welt? Unnd was hat es mit religion noch zu tun? Das versucht Schmid in seinem Text näher darzulegen: "Religionen geben Antworten. Aber was war noch mal die Frage?"
Der Link dazu in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Die Siedlung Neve Shalom/Wahat al Salam im ehemaligen Niemandsland zwischen Israel und Jordanien will seit ihrer Gründung der Versöhnung und Verständigung dienen. Gründer und Ideengeber der Siedlung war einst ein Mann mit großen Visionen und einem sehr ungewöhnlichem Lebenslauf. Der französische Jude Bruno Hussar (1911 – 1996) wurde in Ägypten geboren, 1935 konvertierte er während eines Ingenieur-Studiums in Frankreich vom Judentum zum katholischen Glauben und trat in den Predigerorden der Dominikaner ein. 1953 war er zum ersten Mal nach Haifa (Israel) gekommen wo er den Karmeliter P. Daniel Rufeisen (1922 – 1998) kennengelernt hatte, der den Holocaust in einem Kloster in Polen überlebt hatte und nach seiner Konversion zum Christentum nach Israel ausgewandert war. Während des II. Vatikanischen Konzils arbeitete Bruno Hussar auf Einladung von Kardinal Augustin Bea als Experte des Sekretariats für die Einheit der Christen an der Formulierung der Konzilserklärung „Nostra Aetate“ mit - und gründete Neve Shalom/Wahat al Salam, wo Israelis und Araber, Juden, Christen und Muslime friedlich miteinander leben sollten. Wie sehr man heute unter den aktuellen Unruhen in besonderer Weise leidet, schildert Bodo Bost in seiner Reportage für die TAGESPOST: "Eine Oase des Friedens".
Der Link dazu in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Sowohl Christen als auch Muslime haben ein Buch im Zentrum ihres Glaubens. Ein Blick auf Bibel und Koran offenbart dabei überraschende Parallelen. Deshalb kann es für Christen und Muslime sogar bereichernd sein, die heilige Schrift der jeweils anderen Religion kennenzulernen, meint Christoph Brüwer in einem Beitrag für KATHOLISCH.de: "Das Wort Gottes: Bibel und Koran im Vergleich". Dazu passt ein Bericht in QANTARA, in dem wir von einem Juden und einem Muslim erfahren, die gemeinsam ein jüdisch-muslimisches Bildungswerk gegründet haben. Das würde sicher auch der jungen Lehrerin Sapir von Abel gefallen, mit der DEUTSCHLANDRADIO ein Gespräch geführt hat.  Sapir von Abel ist jüdisch, eine junge Lehrerin, lebt in München, hat einen muslimisch-jüdischen Freundeskreis. Auf die Frage, was sie am Islam als Religion interessiert, antwortet sie:
"Ich bin zu den religionsspezifischen Inhalten vor allem über die Geschichten der Bibel gekommen. Das sind Geschichten, die wir alle kennen: die Schöpfungsgeschichte, Adam und Eva oder Abraham, Jizchak, Ischmael. Ich finde es immer wieder spannend zu schauen: Was haben wir und was hat der Islam an Werten und Normen daraus gezogen? Wo geht es vielleicht auseinander?"
Dass Juden und Muslime der Gesellschaft viel zu geben haben, vor allem, wenn sie sich auf ihre Gemeinsamkeiten konzentrieren, davon sind auch Rabbiner Walter Homolka und der islamische Religionspädagoge Mouhanad Khorchide überzeugt. Ihre Sicht haben sie in einem gemeinsamen Buch niedergeschrieben, das Ita Neuhaus für den NDR vorstellt. Und zu guter Letzt macht DEUTSCHLANDRADIO mit der ungewöhnlichen Geschichte von Klemens Peterhoff bekannt, der nicht nur vom Christentum zum Isam übergetreten ist, sondern auch gleich muslimischer Sufi wurde. Warum und wieso erläutert er im Interview, in dem er u.a. sagt:
"Ich sehe wirklich viele Parallelen, ich sehe einfach ein Kontinuum, das mit dem Tanach, dem Alten Testament und den Vätergeschichten beginnt und dann weitergeht zu Jesus – und von Jesus weiter bis zu uns. Dasselbe Thema, dieselbe Suche nach Gott, dieselben Versuche, mit Gott in Verbindung zu treten oder in Verbindung zu bleiben."
Alle Links zu den Themen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

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Mehr und mehr etabliert sich jüdisches Leben in Bad Homburg. Das gilt für Alltag und Freizeit ebenso wie für die Ausübung der Religion. Eine Synagoge gibt es in der Kurstadt schon seit mehr als zwei Jahren, neben der zurzeit eine Mikwe, ein Ritualbad, gebaut wird. Dieser Tage wurde in Bad Homburg der jüdische Sportverein „Makkabi Taunus“ gegründet - und er wirbt ausdrücklich auch um nicht-jüdische Mitglieder, wie Jan Schiefenhövel für die FAZ berichtet: "Meilenstein für jüdisches Leben".
Der Link zur Reportage in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Ende der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren 33 Prozent der Bewohner Bagdads jüdisch. Dies war ein größerer Anteil als zur selben Zeit in Warschau oder New York – Städte, die als Zentren des Judentums galten. Erst der «Farhud», ein Pogrom im Jahr 1941, leitete den Auftakt zum Exodus der über zweieinhalbtausend Jahre alten jüdischen Gemeinde des Irak ein. Und so verließen etwa zwischen 1948 und 1952 über 120.000 Juden das Land. Alexandra Bandl erinnert in einem Beitrag für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG an die lange und reiche Geschichte der Juden im Irak - und an ihr trauriges Ende: "Abschied für immer".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

„Was so lange Zeit meines Lebens mir die größte Schmach, das herbste Leid und Unglück war, eine Jüdin geboren zu sein, um keinen Preis möcht’ ich das jetzt missen.“
So die letzten Worte von Rahel Levin Varnhagen auf dem Sterbebett im Jahr 1833.  Vor 250 Jahren am 19. Mai 1771 wurde sie geboren und zeitlebens hat sie ihre Rollenzuschreibungen reflektiert und Menschen wie Hannah Arendt inspiriert, wie Stefanie Oswalt in ihrem Porträt für DEUTSCHLANDRADIO schildert: "Die deutsch-jüdische Netzwerkerin".
Der Link dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

In der Forschung spricht man heute vom sogenannten Bäder- oder Sommerfrischen-Antisemitismus. Mattsee steht hierbei stellvertretend für etwa siebzig Orte in Österreich, die zu Beginn der 1920er Jahre mit dem Etikett einer «judenreinen» oder «judenfreien» Sommerfrische warben. Dort war es, wo Anfang Juni 1921  Arnold Schönberg von Antisemiten vergrault wurde. Das «Mattsee-Ereignis» führte bei dem grossen Komponisten zu einer folgenreichen Rückbesinnung auf seine Wurzeln. Anhand von Dokumenten wie Briefen, Zeitungsmeldungen, Fotos und Kompositionen (mit Hörbeispielen) werden dieser Ausschnitt aus Schönbergs Leben und die Bedrohung durch den heraufziehenden Antisemitismus in einer Online-Gedenkausstellung plastisch veranschaulicht, die sich Robert Jungwirth für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG näher angesehen hat: «Ich war vielleicht einer der ersten Juden in Mitteleuropa, der eine Austreibung mitzumachen hatte»
Der Link dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

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Gerade hatten die Menschen in manchen Teilen Deutschlands einen Tag frei, andere mussten einfach weiter in die Schule und zur Arbeit, als wäre nichts. Das hat mit Unterschieden zu tun, die am Fronleichnamsfest gut zu sehen sind, meint Fridtjof Küchemann und erläutert für die FAZ nach dem Motto "Wie erklär ich's meinem Kind", warum nicht alle Christen dieselben Feiertage haben.
Der Link zum Beitrag in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

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Der holländische Starautor Arnon Grünberg wagt sich gern in vermintes Gelände – jetzt in seinem brisanten neuen Roman «Besetzte Gebiete». Dieser handelt von einem liberalen Amsterdamer Psychiater namens Kadoke, der nach einem Metoo-Skandal zu seiner Angebeteten Anat in eine religiöse Siedlung im Westjordanland flüchtet. Die tragischkomische Liebesgeschichte des Antihelden Kadoke verwebt dabei schonungslose Gesellschaftskritik, historische Analyse und die Untersuchung tiefmenschlicher, existenzieller Fragen. "Seine stärkste Waffe ist dabei sein Humor", sagt Julian Schütt, der das Buch für den SCHWEIZER RUNDFUNK gelesen hat, über den Autor: "Innenansichten einer ultrareligiösen Siedlung in der Westbank".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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