Deutsche Bibliothek
ISSN 1612-7331
26.07.2018 - Nr. 1785
Anmeldung Abonnement Online-Extra Pressestimmen Leserstimmen Über COMPASS Archiv


Editorial
Israel und Nahost
... aktuell
... Hintergrund
... Israel intern
... und die Welt
Vergangenheit ...
Antisemitismus
Interreligiöse Welt
Jüdische Welt
Christliche Welt
Online-Rezensionen
Fernseh-Tipps



anzeige


Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit

Deutscher Koordinierungsrat

Über 80 Gesellschaften haben sich im DKR zusammengeschlossen.

Besuchen Sie unsere Homepage:

Koordinierungsrat





ACHTUNG

Am Dienstag, 31. Juli 2018, erscheint ONLINE-EXTRA Nr. 273 mit einem Beitrag des Historikers und Journalisten Martin Jander: "Offene Geheimnisse. Zeitgeschichtsschreibung in der Bundesrepublik Deutschland und der nichtstaatliche Terrorismus nach 1945".

Vorabhinweis: COMPASS macht Sommerpause! In der Zeit von 1. August bis einschließlich 14. September 2018 erscheint KEIN COMPASS!


Guten Tag!

Nr. 1785 - 26. Juli 2018



Israel hat seine Abwehrraketen gegen eine syrische Maschine eingesetzt, die in den israelischen Luftraum eingedrungen ist. Vor dem Zwischenfall habe man mehrere Warnungen über verschiedene Kanäle und in verschiedenen Sprachen abgegeben, hieß es aus Militärkreisen. Gerät Israel immer mehr in die Rolle einer weiteren Konfliktpartei im Syrienkrieg? Den Grund für die entschiedene Haltung Israels an seiner Grenze zum Golan und damit zu Syrien erklärt Richard Herzinger in seinem Kommentar für die WELT:
"Der Abschuss eines in israelisches Gebiet eingedrungenen syrischen Kampfjets illustriert Israels prekäre Lage angesichts des Kriegs im Nachbarland. In dem Maße, wie die Kräfte des Assad-Regimes die letzten Rebellengebiete zurückerobern und an die Grenze zu den israelisch besetzten Golanhöhen heranrücken, wächst die Bedrohung für den jüdischen Staat. Denn damit könnten sich iranische Truppen und proiranische Milizen, die für Assad kämpfen, in seiner direkten Nähe festsetzen."
Links zu Berichten und Kommentaren in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST AKTUELL.

Hebron und seine heiligen Stätten sind Auslöser für einen internationalen politischen Konflikt. Die seit 20 Jahren in einen israelischen und einen palästinensischen Bereich geteilte Altstadt ist 2017 zum Weltkulturerbe erklärt worden - gegen den Willen von Israel und den USA, die die UNESCO nun verlassen wollen. Die Entscheidung des Welterbe-Komitees vom Juli 2017 war für die Regierung in Jerusalem der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Israel, so Sebastian Engelbrecht in seiner Reportage für DEUTSCHLANDRADIO, störe sich "vor allem an der Darstellung der Geschichte Hebrons: In ihrer Bewerbung präsentieren die Palästinenser die Stadt im Süden des Westjordanlandes als islamisches Erbe und nennen nicht die israelitischen und jüdischen Epochen."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Das kürzlich verabschiedete "Nationalitätengesetz" sorgt weiter für kontroverse Diskussionen: "Wie 'üblich' hagelte es in der arabischen Welt heftigste Kritik am Grundgesetz mit dem Titel: 'Israel – Nationalstaat des jüdischen Volkes', als ob in den arabischen Staaten Gleichberechtigung, Demokratie und sonstige Menschenrechte eine Selbstverständlichkeit wären." Mit dieser Bemerkung leitet Ulrich W. Sahm eine Analyse und Verteidigung des neuen Gesetzes ein, die auf der schweizer Plattform AUDITATUR zu lesen ist. In einem Beitrag für die israelische Zeitung Haaretz hat sich nun der Dirigent Daniel Barenboim zu Wort gemeldet und wirft seinem Heimatland vor, sich zum "Apartheidstaat" zu entwickeln, für den er sich schäme. Für ihn stelle sich die Frage, ob der Zustand der Besatzung und der Herrschaft über ein anderes Volk noch zum in der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel beschworenen Gleichheit passe. Es gäbe jetzt „ein Gesetz, das die arabische Bevölkerung als Bürger zweiter Klasse bestätigt. Es ist daher eine sehr klare Form der Apartheid“, so Barenboim in dem als Meinungsbeitrag bezeichneten Beitrag vom 22. Juli. In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG greift der in Israel lebende Psychoanalytiker Carlo Strenger Barenboims Kritik auf und weist dabei auf einen speziellen Aspekt hin:
"Die Tatsache, dass Barenboims Artikel in der Diaspora viel mehr Resonanz erhielt als in Israel, ist unter diesem Gesichtspunkt nicht überraschend: Das Diaspora-Judentum blickt mit Entfremdung, aber auch mit Scham auf Israels konsequente Hinwendung zum weltweit immer populärer werdenden rechten Ethnonationalismus. Es begreift immer weniger, worum es dem Staat Israel mit seinen liberalen Grundwerten von Menschenrechten und Gleichheit vor dem Gesetz denn eigentlich zu tun ist."
Und in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG kommentiert der israelische Soziologe Natan Sznaider das Gesetz. Er schreibt:
"Israel war nie ein liberaler Staat, obwohl die Menschen selbst liberal sind. Israel wurde auf dem Grundsatz gegründet, dass es der Nationalstaat des jüdischen Volkes ist. Liberale Prinzipien sind Prinzipien der Gleichheit. Ethno-nationale Prinzipien sind Prinzipien der Ungleichheit. Liberale Prinzipien sind Prinzipien der Universalität, ethno-nationale Prinzipien sind solche der Partikularität. »Jüdisch« und »demokratisch« mögen auf der theoretischen Ebene widersprüchlich sein, werden aber in der Praxis ständig bis zum Zerreißen ausgehandelt. Die Menschen in Israel waren immer schon liberaler als ihr Staat."
Die Links zum Thema in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Sie sitzen nebeneinander, in Eintracht. Blicken gemeinsam auf ihre Notenständer. Und machen Musik. Junge Virtuosen aus Israel neben Musikern aus allen arabischen Ländern, vereint im Rausch der Klassik. Was 1999 mit einem Workshop in Weimar begann, geht jetzt ins 20. Jahr. Am 19. August gibt Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra sein neuntes Open-Air in der Berliner Waldbühne. Anlass für die BILD-ZEITUNG mit dem Dirigenten ein Gespräch zu führen. Auf die Frage, warum einträchtiges und friedliches Neben- und Miteinander in der Musik funktioniere, aber nicht in der Politik, antwortet Barenboim:
„Nein, es fehlt Gleichheit. Sie werden in unserem Orchester etwas erleben, was Sie sonst nirgendwo erleben: Wenn wir einen Soloklarinettisten haben, der ein Palästinenser ist, und der hat ein schweres Solo, dann wollen alle, dass er das gut macht. Auch die Israelis, denn sie sind alle gleich. Diese Gleichheit müssen wir erreichen.
Der Link zum Interview in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT

Einen Grund dafür, den Staat im Nahen Osten zum „kulturellen Schwerpunktland“ des diesjährigen Literatursommers Schleswig-Holstein zu machen, ist das 70-jähriges Gründungsjubiläum Israels: „Das war der Anlass für uns, den Blick auch mal in eine Region zu werfen, in der wir bisher noch nicht so viel unterwegs waren. Und die natürlich auch spannend ist, politisch gesehen, und höchst aktuell“, so Sara Dušanic, die den Literatursommer seit fünf Jahren inhaltlich und organisatorisch betreut. An Autoren mit dabei sind u.a. Zeruya Shalev, Meir Shalev, Assaf Gavron und Lizzie Doron, wie Alexander Diehl für die TAZ berichtet: "Lesen ohne Boykott".
Der Link dazu in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

**********************

Gestern haben die Bayreuther Festspiele mit Yuval Sharons Neuinszenierung des „Lohengrin“ eröffnet. Der Glanz und Glamour können freilich weder Wagners Antisemitismus überdecken noch über die unselige Rolle Wagners insbesondere in seiner Wirkung auf Hitler hinwegtäuschen. Schon Thomas Mann hatte einst angedeutet, dass der ganze Hitler im frühen Bewunderer Wagners steckt. Ein Germanist macht diese These nun plausibel. „Die Historiker sind nicht wagnerfest und die Wagnerforscher nicht hitlerfest“, so formuliert Hans Rudolf Vaget ein Dilemma, das Forschung und Öffentlichkeit seit Jahrzehnten umtreibt. Vor gut einem Jahr veröffentlichte er bei S. Fischer sein Buch „Wehvolles Erbe. Richard Wagner in Deutschland. Hitler, Knappertsbusch, Mann“. "Ein epochales Werk. Was er zum Wagner-Hitler-Komplex zu bieten hat, ist Sprengstoff – und dies ist, so scheint es, seit Erscheinen des Buches noch nicht so richtig erkannt worden." So Hermann Grampp in einem etwas längeren Essay für die FAZ, in dem er dieses Manko zu schließen sucht: "So hat Wagner Hitler beeinflusst".
Der Link dazu in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Vor 80 Jahren erließen die Nationalsozialisten ein Berufsverbot für jüdische Ärzte – ein vorläufiger Endpunkt vieler Benachteiligungen und Diskriminierungen. Hinter dem Berufsverbot habe der nationalsozialistische Wahn gestanden, dass die deutsche Ärzteschaft „verjudet“ sei, wie es im NS-Jargon hieß, sagt Rebecca Schwoch, Historikerin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. 1933 hätten von insgesamt circa 51.000 Ärzten im Deutschen Reich circa 9.000 als jüdisch gegolten. Elisa Makowski erzählt in MiGAZIN vor diesem Hintergrund die Geschichte von drei Ärzten und ihrem Schicksal: "Nationalsozialisten entziehen jüdischen Ärzten die Approbation".
Der Link dazu in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Die Weimarer Republik war der erste demokratische Staat auf deutschem Boden, aber – es fehlte ihr an begeisterten Demokraten: Die politische Linke sang das Loblied des Kommunismus, während die Rechte um die NSDAP die Soldaten des Ersten Weltkriegs als neue Elite beschwor. Eine besondere Rolle spielte dabei das Radio, das auch für die politische Propaganda missbraucht wurde. Auf einem von Hans Hans Sarcowicz besorgten Hörbuch sind nun die wichtigsten Politiker, Schriftsteller und andere Künstler im O-Ton zu hören. Die künstlerischen und politischen Debatten der Weimarer Republik werden vom Literaturwissenschaftler Helmuth Kiesel und dem Historiker Ulrich Herbert kommentiert. Wolfgang Schneider hat sich das fast dreistündige Hörbuch für die FAZ angehört: "Wir schlagen die alte Welt in Stücke!".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik VERGANGENHEIT...

**********************

Die Berliner Landesregierung will einen neuen Feiertag einführen. Angesichts des alltäglichen Antisemitismus in der Stadt macht Johannes C. Bockenheimer in einem Beitrag für den TAGESSPIEGEL nun einen recht pfiffigen Vorschlag:
"Mein Vorschlag: Berlin feiert künftig einen der höchsten jüdischen Feiertage, Jom Kippur! Beim mosaischen Versöhnungsfest bitten die Juden all jene um Verzeihung, mit denen sie sich im vergangenen Jahr gestritten und gezankt haben – das Fest besäße somit auch für Christen, Atheisten, Muslime und alle anderen Weltanschauungen einen echten Mehrwert. Und ganz nebenbei wären die Antisemiten gezwungen, ein jüdisches Fest zu begehen. Es würde ihnen sicher nicht schaden."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Deutschland diskutiert über Antisemitismus. Ist er schlimmer geworden? Oder bringen einzelne Ereignisse nur ans Licht, was immer da war? Die Frauenzeitschrift BRIGITTE hat die 32-jährige jüdische Journalistin Sarah Levy gebeten, dazu ihre Gedanken und Erlebnisse aufzuschreiben. U.a. erinnert sie sich dabei auch an ihre Kindheit und ihren Vater:
"Mein Vater arbeitete früher als Lehrer an einer Gesamtschule in Frankfurt. Es kam vor, dass ein Schüler auf sein Namensschild "Adolf Hitler" schrieb. Arabische Eltern weigerten sich, mit ihm Elterngespräche zu führen. Vor sieben Jahren, er hatte die Schule schon verlassen, prangten "Hr. Lewi du Jude" und ein Hakenkreuz an einem Zaun nahe der Schule."
Der Link zu ihrem Beitrag in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Der Politikwissenschaftler Maik Fielitz vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena hat im Rahmen einer Studie Ähnlichkeiten zwischen Islamisten und Rechtsextremisten festgestellt, indem er deren Einträge in Sozialen Netzen analysierte. Dabei ist er auf drei Muster gestoßen, die die beiden Milieus verbindet, wie er im Interview mit der TAGESPOST erläutert. U.a. sind die "Weltbilder beider Seiten von Verschwörungen gespickt, wonach die Politik gesteuert sei und die Menschen verblendet werden.“ Gekoppelt mit einem absoluten Wahrheitsanspruch entstünden auf diese Weise totalitäre Ideologien: "Wie ticken die Extremisten?".
Der Link zum Interview wie auch zum Volltext der Studie selbst in der Rubrik ANTISEMITISMUS/RECHTSRADIKALISMUS.

**********************

Durch Musik etwas in den Menschen bewegen und die Welt zu einem besseren Ort machen: Diese Hoffnung, die vielen künstlerischen Werken zugrunde liegt, ist jetzt auch Thema der französischen Komödie „Ein Lied in Gottes Ohr“, die zur Zeit in unseren Kinos anläuft. In dem Film schließen sich ein christlicher Priester, ein muslimischer Imam und ein jüdischer Rabbi zu einer Band zusammen, um mit beschwingten Songs für ein friedliches Miteinander der Religionen und Kulturen zu werben. Die Reaktionen auf den Film sind sehr geteilter Meinung. Während das christliche Medienmagazin PRO als unterhaltsamen Film mit einer guten Botschaft lobt, meint die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG: "Die französische Komödie langweilt mit Zoten, Klischees und billigen Witzen".
Die Links zu den Filmkritiken in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

In zwei sehr informativen und nachdenklich stimmenden Beiträgen wird die zunehmend schwierigere Situation der Christen in Israel und im Nahen Osten geschildert. In der TAGESPOST analysiert Marc Frings, der in Ramallah das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) für die Palästinensischen Gebiete leitet, die schwierige Lage der christlichen Minderheit und stützt sich dabei auf eine Studie, die die palästinensische Organisation DIYAR mit Unterstützung der KAS 2017 durchgeführt hat. Auch Daniela Segenreich wirft in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG einen Blick auf die Geschichte und Gegenwart der christlichen Gemeinden in Israel und Nahost. U.a. erzählt sie von Shadi Khalloul, der seit Jahren für das Recht israelischer Christen kämpft, den Pflichtdienst bei der israelischen Armee zu absolvieren:
"Khalloul und seine Mitstreiter betonen immer wieder, wie schwierig die Situation ihrer christlichen Brüder und Schwestern in anderen Ländern des Nahen Ostens sei. Während Christen im jüdischen Staat unter einem demokratischen Regime in Freiheit und Sicherheit leben dürften, würden ihre Glaubensbrüder im Rest des Nahen Ostens verfolgt, in Ägypten, in Gaza und unter der palästinensischen Autonomiebehörde ebenso wie in Iran und Libanon, ganz zu schweigen vom Völkermord an Christen und Jesiden im Irak und in Syrien. Deshalb hält Khalloul es für wichtig, dass die Christen in Israel bei der Verteidigung des Landes, das auch ihre Heimat ist, mithelfen: «Wenn das Land uns Schutz und Sicherheit gibt, müssen wir ein Teil davon sein. Wir brauchen die israelische Armee, damit der extreme Islam nicht auch hier die Christen vertreibt.»"
Die Links zu den beiden Beiträgen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Der 1964 geborene amerikanische Historiker David Nirenberg wurde durch das Buch „,Jüdisch’ als politisches Konzept: eine Kritik der politischen Theologie“ bekannt, das sich nicht mit der Geschichte des Anti-Semitismus befasst, sondern mit dem Antijudaismus als einer konstitutiven Idee von Religionen und Staaten. Im letzten Jahr erschien auf Deutsch von ihm das Buch: "Anti-Judaismus: Eine andere Geschichte des westlichen Denkens". Alan Posener hat mit dem Historiker für die WELT ein Gespräch geführt, in dem es um die Wiederbelebung judenfeindlicher Ansichten in der Migrationsdebatte und vor allem die dabei zu beobachtende Rolle der Religionen geht. Zur Sprache kommt dabei auch die These der Kulturwissenschaftler Jan und Aleida Assmann, die in der religiösen Unduldsamkeit der Religionen ein Spezifikum sehen. Nirenberg sagt dazu:
"Die Assmanns erzählen eine alte Geschichte aus der Aufklärung. Voltaire etwa sah die Ursprünge der Intoleranz im Monotheismus, und vor allem im ersten Monotheismus, also im Judentum. Die Position der Assmanns ist keineswegs neu. Aber sie ist falsch. Man kann diese Mechanismen der Exklusion in allen Gesellschaften der Antike finden. Wer nicht Griechisch sprach, war ja für die Griechen kein vollwertiger Mensch – ein „Barbar“. Ich denke, man könnte in jeder Kultur der Antike ähnliche Beispiele finden. Aber man könnte sicherlich auch in jeder dieser Gesellschaften Diskurse finden, die für den Pluralismus und das Konzept eines multiethnischen und multikulturellen Imperiums eintreten. Es kommt immer darauf an, welcher Diskurs wann und zu welchem Zweck aktiviert wird. Das hängt nicht mit dem angeblichen Wesen einer bestimmten Religion zusammen, sondern hat mit der Gesellschaft zu tun, die diese Tradition aktuell interpretiert. Die Behauptung, meine Religion ist eine Doktrin der Liebe, deine eine Doktrin des Hasses, ist immer falsch, egal, wer das sagt: Jude, Christ oder Muslim."
Der Link zum Interview in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

In der Debatte um die jüngsten Irritationen, die der Aufsatz von Benedikt XVI. im Blick auf das christlich-jüdische Verhältnis ausgelöst hat, gibt es zwei weitere bemerkenswerte Beiträge, die beide vom MÜNSTERANER FORUM FÜR KIRCHE UND THEOLOGIE publiziert wurden. Zum ersten weist der in Salzburg lehrende Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff, der auch als päpstlicher Berater für die Beziehungen zum Judentum wirkt, auf die Vorgeschichte Benedikts hin:
"Als Benedikt XVI. im Jahr 2009 die Exkommunikation von Bischof Williamson aus der erzkonservativen Pius-Brüderschaft aufhob, nahm er einen notorischen Holocaust-Leugner in die katholische Kirche auf. Die Empörung war groß und grundsätzlich. Ein Jahr zuvor hatte der Papst bereits die Karfreitagsfürbitte für den außerordentlichen alten Messritus eigenhändig neu formuliert. Seitdem kann man in der katholischen Kirche wieder für die Erleuchtung der Juden beten, „damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen“. Auf dieser theologischen Linie hat der emeritierte Papst nun einen Text veröffentlichen lassen, der wieder einmal für schwere Irritationen sorgt."
In seiner Analyse schreibt Hoff dann u.a.:
"In seinen Schlussfolgerungen fällt er in das Schema von Verheißung und Erfüllung zurück: Israel hier, Kirche dort. Wie sich damit die theologische Bedeutung des gegenwärtigen Judentums erfassen lässt, bleibt offen. Beschränkt sie sich auf ein Schreckgespenst, an dem sich der Zorn Gottes in allen Konsequenzen bis heute auszeitigt? Wie weit müsste der Text gehen, wenn er die „inneren Folgen“ des Bundesbruchs, die er konkret mit den Ereignissen des Jahres 70 zusammenschließt, durch die Geschichte bis heute verlängert? Kann man mit der Schoa im Rücken so ungeniert von der „ganzen Härte der Strafen“ Gottes sprechen? Weiß Benedikt nicht, welche Tradition er bedient, wenn er mit dem Propheten Hosea von Israels „Treulosigkeit“ spricht? Wer so von Israel theologisch denkt, bereitet – sicher ungewollt – nicht nur religiösem Antijudaismus Bahn. Es reicht nicht, gute Absichten zu beteuern und einige Proben israeltheologischer Anerkennungssemantik einzuspielen. Es geht immer ums Ganze der theologischen Disposition. Sie erweist sich im Text des emeritierten Papstes blind gegenüber der Ideologiegeschichte der eigenen Denkfiguren."
Der zweite Beitrag stammt von Münsteraner Dogmatiker Michael Böhnke. In scharfen Worten meint er, dass die Thesen von Benedikt dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils und des christlich-jüdischen Dialogs widersprechen. Der Dogmatiker schreibt:
„Mit einer christozentrisch ausgerichteten Bundestheologie, die den Bund Gottes mit Israel erst pluralisiert, dann dynamisiert und schließlich relativiert, um ihn sodann auf eine exklusivistisch zu verstehende Christologie hin neu und endgültig auszurichten, wird man den durch Nostra aetate überwunden geglaubten Antijudaismus – trotz aller Beteuerungen des Gegenteils – christologisch nur fortschreiben und zementieren. Die sich aus einer solchen Christologie ergebende heilsgeschichtliche Logik zwingt Joseph Ratzinger dazu, die Zerstörung des Jerusalemer Tempels und die damit einhergehende Beendigung des Tempelopfers, sowie die Zerstreuung des Gottesvolkes implizit als Signatur des Gotteszornes aufgrund und gegenüber dem untreu gewordenen Volk Israel zu deuten, die zionistische Landnahme und Staatsgründung Israels hingegen als heilsgeschichtlich unbedeutende, das heißt säkulare Phänomene anzusehen. Man hätte nicht erwartet, von einem deutschen Theologen nach Auschwitz noch einmal so etwas lesen zu müssen. Selbst ein im Ruhestand lebender Papst darf sich so etwas nicht erlauben.“
Die Links zum Thema in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

**********************

Abby Stein gehört zu New Yorks umtriebigsten Gender-Bloggerinnen und Aktivistinnen. Dafür musste sie allerdings eine ganze Welt aufgeben und verlassen, in der sie eigentlich hätte Rabbiner sein sollen, Familienoberhaupt – vor allem aber: ein Mann. Wie das? Die Geschichte der Abby Stein ist die Geschichte einer Trans-Frau, die in der ultraorthodoxen Parallelwelt der Chassiden in Williamsburg als Mann aufgezogen wurde, sich schließlich daraus befreite und heute als jene lebt, die sie innerlich schon immer gewesen war. David Baum erzählt ihre Geschichte in einer lesenswerten Reportage für den STERN: "Abby Stein musste eine Welt aufgeben, in der sie Rabbiner sein sollte – um eine Frau zu sein".
Der Link dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Vor Kurzem wurden in Ungarn die Ergebnisse einer soziologischen Studie über die jüdischen Gemeinden veröffentlicht. Die Untersuchung basiert auf nahezu 2000 Interviews, die in den Jahren 2016 und 2017 von einem Forschungsteam unter der Leitung des Soziologen András Kovács geführt wurden. In der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG stellt Silviu Mihai die Ergebnisse der Studie näher vor, die vor allem zeiten, wie sehr sich in Ungarn Juden von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden: "Wie ticken sie?".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Der kleine jüdische Verlag Giuntina in Florenz gilt als einer der bedeutendsten in Europa. Die Talmud-Übersetzung steht sogar unter der Schirmherrschaft des italienischen Staates. Für DEUTSCHLANDRADIO erzählt Thomas Migge die beeindruckende Geschichte dieses Verlages, die auch mit der Shoa zu tun hat:
"Die Entscheidung, einen Verlag zu gründen, hatte mit einem Buch zu tun, erklärt Shulim Vogelmann, der heute "Giuntina" zusammen mit seinem Vater Daniel leitet. Seinen Namen Shulim trägt er in Erinnerung an seinen Großvater, der Auschwitz überlebt hatte: 'Mein Vater hatte ein Buch entdeckt und gleich begriffen wie bedeutend es ist. Es war 'Die Nacht' von Elie Wiesel, dem späteren Friedensnobelpreisträger. Er übersetzte das Buch und entschied sich, es zu veröffentlichen'. Diese erste Veröffentlichung war ein großer Erfolg. Ein so großer Erfolg, dass Vater Vogelmann sich ermutigt fühlte, ein ganzes Verlagsprogramm zusammenzustellen."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

**********************

Als gebürtiger Westfale lebt und arbeitet Kardinal Reinhard Marx seit über zehn Jahren in der Erzdiözese München und Freising. Im Gespräch mit der MÜNCHNER KIRCHENZEITUNG erklärt er, was er unter Heimat versteht, welche Rolle sein Glaube dabei spielt und was er über das christlich-muslimische Verhältnis denkt. "Ich brauche keine neuen Parteien, ich brauche keine rechten oder linken Ideologien, um meine Heimat zu lieben und trotzdem weltoffen zu sein", so Marx. Für ihn sei Heimat ein "vollkommen normales Wort", das man auch gerne benutze. "Liebe zur Heimat hat nichts mit Abgrenzung und Nationalismus zu tun. Das ist ein Unterschied!" Des weiteren wart der Kardinal davor, Muslime von vornherein unter Generalverdacht zu stellen. "Ich kann doch nicht sagen: Weil du Muslim bist, bist Du für mich eine Bedrohung". Das sei wider den christlichen Glauben. Zudem seien nicht alle Angehörigen einer Religion gleich. Es gebe manche, die seien gar nicht religiös. Auch seien nicht alle Muslime Fanatiker.
Der Link zum Interview in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

**********************

Das vom "Zentrum für Antisemitismusforschung" an der Technischen Universität Berlin herausgegebene neue "Jahrbuch für Antisemitismusforschung" ist einmal mehr mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten erschienen, wozu diesmal - kaum überraschend - auch die Frage nach dem Antisemitismus unter Flüchtlingen gehört. Armin Pfahl-Traughber hat den Band für den HUMANISTISCHEN PRESSEDIENST gelesen: "Antisemitismus unter Flüchtlingen".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



Abo-Hinweis

 Die Information, in welchem externen Medium Sie den vollständigen Text kostenfrei lesen können sowie einen Link dorthin ist angemeldeten Abonnenten vorbehalten!
Sie möchten die Information über die Fundstelle inkl. Quellenangabe und Link zum Artikel sehen und nutzen, um den angegebenen Artikel zu lesen?
Dann abonnieren Sie unsere Seiten oder testen Sie uns vorab mit einem kostenfreien Schnupper-Abonnement!
Abo bestellen

Sie sind bereits Abonnent?
Dann melden Sie sich bitte erst mit Ihrem Benutzernamen und Passwort an, um die Fundstelle inkl. Quellenangabe und Link sehen und nutzen zu können!

Anmeldung


» Home | » Impressum | » Online-Extra | » Pressestimmen | » Leserstimmen | » COMPASS-Service | » Archiv
   
   

 

 


EDITORIAL HIGHLIGHTS

26. Juli 2018

 * Israel schiesst einen syrischen Kampfjet ab ... mehr
 
 * Kulturkampf um Hebron ... mehr
 
 * Israels Bürger sind liberaler als der Staat ... mehr
 
 * Daniel Barenboim im Interview ... mehr
 
 * Israel als Thema des Literatursommers Schleswig-Holstein  ... mehr
 
 * So hat Wagner Hitler beeinflusst ... mehr
 
 * Nationalsozialisten entziehen jüdischen Ärzten die Approbation ... mehr
 
 * "Wir schlagen die alte Welt in Stücke!" ... mehr
 
 * Warum Berlin einen jüdischen Feiertag braucht ... mehr
 
 * Judenfeindlichkeit in Deutschland: Eine Jüdin erzählt ... mehr
 
 * Wie ticken die Extremisten? ... mehr
 
 * Rabbi trifft Priester und Imam ... mehr
 
 * Was geschieht mit den Christen in Israel? ... mehr
 
 * „Antijudaismus beginnt wieder, Politik zu leiten“ ... mehr
 
 * Benedikt XVI.: Stolpersteine im jüdisch-christlichen Dialog ... mehr
 
 * Die Geschichte der Abby Stein ... mehr
 
 * Juden in Ungarn: Wie ticken sie? ... mehr
 
 * Der kleine jüdische Verlag Giuntina in Florenz ... mehr
 
 * Kardinal Reinhard Marx im Gespräch ... mehr
 
 * Buch-Tipp: Jahrbuch für Antisemitismusforschung ... mehr

weiter zum vollständigen

EDITORIAL
*********
ACHTUNG:
Am Dienstag, 31. Juli 2018, erscheint ONLINE-EXTRA Nr. 273 mit einem Beitrag des Historikers und Journalisten Martin Jander: "Offene Geheimnisse. Zeitgeschichtsschreibung in der Bundesrepublik Deutschland und der nichtstaatliche Terrorismus nach 1945".