ACHTUNG:
Die erste tagesaktuelle Ausgabe nach der Sommerpause erscheint am Montag, 10. September 2012.

Guten Tag!
Spätestens seit die Muslimbruderschaft in Ägypten den Präsidenten stellt, fragen sich viele, was es mit dieser Bewegung der Muslimbrüder auf sich hat. Insbesondere in Israel betrachtet man die Entwicklung im Nachbarland mit Sorge. Immerhin: Die Muslimbruderschaft hat es in Ägypten von einer antikolonialistischen Reformbewegung bis an die Spitze des Landes geschafft. Über ihre Gründungsgeschichte ist allerdings nur wenig bekannt. Ivesa Lübben, wissenschaftliche Mitarbeiterinam Zentrum für Nah- und Mittelost-Studien an der Philipps-Universität Marburg, versucht Licht in die Geschichte zu bringen: "Zwischen Ideologie und Realpolitik".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.
Ab 17 Uhr herrscht Geschlechtertrennung: Männer und Frauen sollen eine Ausstellung im israelischen Nationalmuseum zu bestimmten Zeiten nur noch separat besuchen können. Die Museumsleitung will auf diese Weise streng religiöse Besucher anlocken, wie der SPIEGEL berichtet. Ein weiteres Indiz für den zunehmenden Einfluß der Orthodoxie in Israel? Passend zu dieser Frage ist auf HAGALIL ein Auszug aus dem jüngsten Buch ("Die Angst vor dem Frieden") des israelischen Historikers Moshe Zimmermann zu lesen, in dem er sich mit der "verwandelten Orthodoxie" in Israel auseinandersetzt.
Die Links dazu in der Rubrik ISRAEL INTERN.
Rabbiner Arik Ascherman wurde 1959 im US-Bundesstaat Pennsylvania geboren und studierte an der Harvard Universität. Nach einem längeren Aufenthalt in Israel, bei dem er sich bereits für die Verständigung mit den Palästinensern einsetzte, kehrte er in die USA zurück und besuchte dort ein Rabbinerseminar. 1994 wanderte er endgültig nach Israel aus, heute lebt er in Jerusalem. Seit 1995 gehört er der 1988 von Rabbiner David Forman gegründeten Organisation «Rabbis for Human Rights» an, an deren Gründung Ascherman bereits beteiligt gewesen war. Zu den Mitgliedern von «Rabbis for Human Rights» zählen über 100 Rabbiner, darunter Reformjuden, orthodoxe Juden, konservative Juden sowie Studenten. Die JÜDISCHE ZEITUNG führte kürzlich ein Gespräch mit ihm: «Wir müssen daran glauben, dass es eine andere Zukunft geben kann».
Der Link zum Interview in der Rubrik ISRAEL INTERN.
Vor siebzig Jahren begann die Auslöschung des Warschauer Ghettos, des ummauerten Viertels nördlich der Innenstadt, in dem die deutschen Besatzer seit November 1940 auf knapp vier Quadratkilometern mehr als 400.000 Menschen zusammengepfercht hatten. Andreas Mix erinnert an einen der Tiefpunkte der Geschichte: „Die Menschen werden wie Tiere gejagt“
Der Link dazu in der Rubrik VERGANGENHEIT...
Unter Lebensgefahr rettete Hedwig Porschütz jüdische Verfolgte. Als sie jedoch nach dem Krieg einen Antrag auf finanzielle Unterstützung stellte, wurde er abgelehnt. Warum? Hatte sie nicht auch geholfen und jüdische Menschen gerettet? War sie nicht verhaftet worden? Und dem Tod gerade noch entkommen? Es nutzte nichts, niemand erkannte ihren Widerstand an – weil sie eine Prostituierte war. Johannes Tuchel erzählt ihre Geschichte: "Eine Frau in Berlin".
Der Link dazu in der Rubrik VERGANGENHEIT...
Lässt sich Wagners Musik freisprechen von ihrer verheerend antisemitischen Wirkung und Wirkungsgeschichte? Können wir seine Schriften und sein musikalisches Werk getrennt davon betrachten? Dürfen wir diese Musik lieben, ihr verfallen, ohne ein schlechtes Gewissen dabei zu haben? Diesen Fragen geht Eleonore Büning in einem längeren, lesenswerten Beitrag nach, in dem sie u.a. auch dieses Zitat des Kulturwissenschaftlers Jens Malte Fischer, der Wagners „Judentum in der Musik“ neu herausgab, aufführt:
„Wagner hat mit dem Gewicht seiner weltweiten Berühmtheit einer schändlichen Gesinnung Umriss und Stimme gegeben, er hat eine Bierkellerideologie zur Salon- und Kulturfähigkeit geadelt. Von dieser Verantwortung können ihn auch jene nicht entlasten, die die unbezweifelbare Größe und Macht seiner Musik verspüren. Die Verbissenheit der Wagner-Verteidiger bis heute rührt aus der menschlich verständlichen Unfähigkeit, beides zugleich auszuhalten. Die Gewalt der Musik und die Gewalttätigkeit der Ideologie. Das eine ist aber ohne das andere nicht zu haben.“
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ANTISEMITISMUS.
Viele Österreicher betrachten ihr Land nach wie vor ausschließlich als Opfer der Hitler-Regimes. Mittäterschaften wurden erst spät und nur selten thematisiert. Hier setzt Maximilian Gottschlich an und liefert "kritische Befunde zur sozialen Krankheit" - dem Tabuthema Antisemitismus. Maximilian Gottschlich, geboren 1948 in Wien, ist seit 1983 Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien. Mit dem Thema Antisemitismus beschäftigt er sich seit über 30 Jahren wegen seiner jüdischen Großmutter. Er kennt Israel gut und hat auch dort (christlich) geheiratet. Gottschlich betrachtet sich als Grenzgänger zwischen jüdischer und christlicher Identität. Aktuell ist im Wiener Czernin Verlag sein Buch "Die große Abneigung. Wie antisemitisch ist Österreich? Kritische Befunde zu einer sozialen Krankheit" erschienen, das heute in einem Beitrag näher vorgestellt wird, während in einem anderen Beitrag ein Interview mit ihm über den Opfermythos in Österreichs Erinnerungskultur und den österreichischen Antisemitismus zu lesen ist: "Das bleibt unter der Decke".
Links zu Buchvorstellung und Interview in der Rubrik ANTISEMITISMUS.
Das Spannungsfeld von Politik und Religion, das uns nicht erst und keineswegs nur in der Beschneidungsdebatte beschäftigt, war Gegenstand einer Diskussion zwischen Jürgen Habermas, Friedrich Wilhelm Graf und Heinrich Meier in der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung in München. Uwe Justus Wenzel und Christian Geyer haben der Diskussion zugehört und berichten ihre Eindrücke: "Sollen die Gläubigen an die Demokratie glauben?"
Die Links zu den Berichten in der Rubrik INTERELIGIÖSE WELT.
Die religiöse Beschneidung - in Deutschland neuerdings juristischer Problemfall - ist für viele ein fremdes, geheimnisvolles Ritual. Die Wurzeln dieser nicht nur jüdischen Sitte sind - wo auch sonst - in der Bibel zu finden. Uwe Birnstein hat einmal die zentralen Bibelstellen zusammengestellt, in denen von der Beschneidung die Rede ist.
Unterdessen haben mehr als 600 Mediziner und Juristen in einem offenen Brief an die Bundesregierung appelliert, in Sachen Beschneidung die Kinder stärker zu schützen. Der Wortlaut des Briefes ist nun in der FAZ auch online nachzulesen.
Mit der Frage der vorgeblichen Rechtswidrigkeit der Beschneidung befassten sich auch Vertreter aus Wissenschaft und Politik bei einer Diskussion in der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, von der Ramona Ambs berichtet.
Das vielfach in der Diskussion gegen die Beschneidung auftauchende Argument, das Kindeswohl sei vor dem Elternwille zu schützen, wendet auf interessante Weise Patrick Bahners gewissermaßen um 360 Grad um, wenn er in seinem Beitrag schreibt:
"Einen falschen Gegensatz konstruiert das Gericht, indem es das elterliche Erziehungsrecht gegen das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung ausspielt. Die Eltern erscheinen hier als Angreifer, deren Willkür eine Grenze gezogen werden muss. Aber das Erziehungsrecht der Eltern ist kein Privileg auf Kosten des Kindes, keine Verfügungsmacht, wie sie Mieter gegenüber Vermietern besitzen. Es ist gar kein Grundrecht nach Art der Meinungs- oder Berufsfreiheit, kein Recht auf Selbstverwirklichung. Die grundrechtlich geschützte Position ist in Wahrheit das Recht des Kindes, von den eigenen Eltern erzogen zu werden. Eltern, die ihren Sohn zur Beschneidung bringen, handeln im Interesse des Kindes."
Einen zunehmend "verächtlichen Grundton gegenüber Religionen" in der Debatte beobachtet der Politikwissenschaftler Heiner Bielefeldt, seines Zeichens UN-Sonderberichterstatter über Religionsfreiheit, und warnt im Interview vor Respektlosigkeit gegenüber Gläübigen und Religionen.
Saïda Keller-Messahli ist und Gründerin und Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam in der Schweiz. Im Interview mit der AARGAUER ZEITUNG (Schweiz) erklärt sie, weshalb sie die aktuelle Debatte über Beschneidung von Knaben im religiösen Kontext für unsinnig hält:
"Bei dieser Diskussion geht oft vergessen, dass Übergangsrituale wie Taufe, Kommunion, männliche Beschneidung, Hochzeit und Tod, die grundlegende Struktur unseres Lebens darstellen. Dieses symbolische Setting definiert in allen Religionen die Struktur unseres Daseins. Es ist ein Missverständnis, zu meinen, man könne sich über diese Strukturen hinwegsetzen. Selbst Atheisten wurden einmal getauft, haben einen Namen erhalten und werden einmal sterben. Die Übergangsrituale dienen seiner Gruppe, ihn aufzunehmen oder seinen neuen Zivilstand anzuerkennen oder sich von ihm zu verabschieden im Fall seines Todes. Diese Strukturen verhindern, dass das Individuum sich im Uferlosen der Beliebigkeit verliert. Sie sind dazu da, ihm Orientierung, Zugehörigkeit und Identität zu vermitteln."
Reichlich anders sieht das Heide Oestrich in der TAZ, wenn sie polemisch fragt: "Ohrfeigen sind verboten, aber Organe zerschneiden ist erlaubt?". Und weiter:
"Was aber tun mit dem religiös so eindeutigen Diktat des partiellen Menschenopfers, das Gott Abraham abverlangte und das auch Muslime als Zeichen des männlichen Bundes mit Allah praktizieren? Von der mindestens genauso apodiktischen Drohung mit Parallele zum Holocaust, dass jüdisches Leben dann in Deutschland nicht mehr möglich sei, sollten wir noch einmal in Ruhe zurücktreten... Alternativen suchen. Weniger wegschneiden, später schneiden mit Einwilligung des Patienten, Ersatzrituale finden... Die Regierung täte also gut daran, die Debatte nicht abzuwürgen mit einem Schnellschussgesetz."
Oestreich ergänzt ihren Standpunkt durch ein Interview mit dem Psychotherapeuten Matthias Franz, der erläutert, wie traumatisierend die Beschneidung für Jungen aus seiner Sicht sei:
"Wenn Jungen mit fünf oder sechs Jahren beschnitten werden, befinden sie sich in der Konsolidierungsphase ihrer sexuellen Identität. Das Genital ist narzisstisch und libidinös hoch besetzt. Genau in diese Phase fällt die rituelle Kastrationsandrohung der Beschneidung. Kulturgeschichtlich unterstellt dieses Ritual Sexualität dem Primat des Patriarchats. Die Drohung heißt im Erleben vieler Jungen: Wenn du nicht tust, was Gott und deinem Vater gefällt, könntest du wieder beschnitten werden. Der Junge kann seine Eltern dafür nicht offen kritisieren."
Die jüdische Publizistin, promovierte Psychologin, Kulturwissenschaftlerin und ehemalige Leiterin des Jüdischen Kulturmuseums Augsburg Hanna Rheinz weist wiederum auf diesen Zusammenhang hin:
"Psychoanalytisch betrachtet, erscheint die Beziehungsdyade »jiddische Mamme - Sohn« als kulturell idealisierte Verarbeitung eines frühkindlichen Traumas: der Sohn bleibt ängstlich an die Mutter gebunden, die ihrerseits ihr unbewusstes Schuldgefühl durch Festklammern des Sohnes bis ins Erwachsenenalter hinein kompensiert."
Und an späterer Stelle schreibt sie:
"Es scheint, als sei der Schmerz das Tor, das jeder Jude zu durchschreiten habe. Man mag dies »archaisch« oder »irrational« nennen, aber ebenso irrational ist die Erwartung, ein Gottessohn würde die Menschen retten oder die Wissenschaft könne verlässliche Wahrheiten produzieren."
Längst geht es bei alledem nicht mehr nur um die Vorhaut des Mannes, sondern um Weltumspannendes: Christen gegen Islam und Judentum, westliche Moderne versus Tradition. Um Identität, um Integration, betont Martin Reichert in der TAZ und stellt sich die Frage. Wie halten es eigentlich die Christen mit der Beschneidung? Keine so abwegige Frage, denn die männliche Beschneidung ist nicht nur ein Teil der jüdischen und islamischen Identität, sondern auch Christen propagierten sie einst: um die Onanie zu bekämpfen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Beschneidugnsdebatte mittlerweile auch in unseren Nachbarländern Österreich und der Schweiz voll ausgebrochen ist. Auch dazu gibt es heute einige Beiträge zu lesen.
Alle Links zum Thema in der Rubri INTERELIGIÖSE WELT.
Spielerisch Hebräisch lernen, Geschichten aus der Bibel erfahren und weitere jüdische Wurzeln erkunden. Dazu lädt das Bambinim-Sommercamp Kinder in Berlin ein. Im Gegensatz zu anderen Organisationen müssen hier die Mütter der Teilnehmer nicht zwangsläufig selbst jüdisch sein. Matthias Bertsch stellt die Initiative näher vor: "Berliner Sommercamp - Ferienangebot für Kinder mit jüdischen Wurzeln".
Der Link dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
Jüdisch ist trendy - zumindest wenn es nicht gerade um Beschneidungen geht. Jedenfalls kann man mittlerweile - nicht nur zur Ferienzeit - auch "jüdisch reisen". Darunter gibt es auch Touren, die auf Begegnungen und Abenteuer setzen. Als Pionier auf diesem Gebiet gilt die Schweizer Reiseagentur "Jewish Culture Tours", die Jens Rosbach näher vorstellt: "Reisen auf jüdischen Spuren".
Der Link dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
Gerade erst ist die Fußball-EM vorbei, da freuen sich Sportfans aus aller Welt auf das nächste Highlight des Jahres. Am 27. Juli beginnen in London die Olympischen Sommerspiele. Auch in den Herzen der englischen Juden brennt seit Monaten schon das olympische Feuer. »Wir wollen allen Teilnehmern und Besuchern einen herzlichen Empfang bereiten«, sagt etwa Rabbinerin Debbie Young-Somers von der West London Synagogue. Daniela Breitbart hat sich umgesehen und umgehört und erzählt, wie sich Londons Juden auf die Olympiage vorbereiten: "Fünf Ringe unterm Davidstern".
Der Link zu ihrer Reportage in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
An ihm scheiden sich bis heute die Geister: Ernesto Cardenal - Priester, Mystiker, Widerstandskämpfer, Revolutionär, Marxist und Ex-Kulturminister Nicaraguas. Im Oktober geht Cardenal noch einmal mit der lateinamerikanischen Musikband Grupo Sal auf Konzertlesereise durch Deutschland, Österreich und Luxemburg. Zwar vermeidet das Management den Begriff, doch in Tübingen gehen alle davon aus, dass die Tour vom 5. bis 21. Oktober die letzte ist, die der dann schon knapp 88-Jährige in Europa unternehmen wird. Anlass für Michael Jacquemain dem Priesterpoeten ein Porträt zu widmen: "Mystiker, Marxist, Christ".
Der Link zum Porträt in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.
Wie wäre es, einem Blick für drei Sekunden lang zu folgen? Diese Frage beantwortet der Comic von Marc-Antoine Mathieu in denkbar präziser Weise, meint begeistert Rezensent Christian Schlüter, der die philosophischen Betrachtungen in Comic-Form näher vorstellt und den Autor lobt: "Dabei beantwortet er nebenher auch noch die Fragen, wie der klassische Bildungsroman funktioniert, wie wir uns einen allmächtigen Gott denken müssten, was an seine Stelle treten müsste, falls es ihn gar nicht gibt, und was die Welt, so wie wir sie zu kennen glauben, eigentlich zusammenhält und zu einem menschenmöglichen Ort macht."
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.
Einen angenehmen Tag wünscht
Dr. Christoph Münz
redaktion@compass-infodienst.de
(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)

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