Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
26.06.2018 - Nr. 1777

Alexa, Siri und die Halacha



Bilder aus und über Israel: 24. Jüdisches Filmfestival Berlin & Brandenburg

[DEUTSCHE WELLE]
Von Jochen Kürten | Unter dem Motto "No Fake Jews" startet das Jüdische Filmfestival Berlin & Brandenburg. Ziel der Veranstaltung ist es, jüdisches Leben abzubilden, Antisemitismus aufzudecken und an die Vergangenheit zu erinnern...

Jüdisches Filmfestival: Heiliges Wasser zu verkaufen



Von Peter Zander | „No Fake Jews“: Das 24. Jüdische Filmfestival zeigt zehn Tage lang wieder Filme über die ganze Vielfält jüdischen Lebens...

Höhenluft des Geistes



Von Kerstin Decker | Experimenteller Atheismus: Das Motto des Jüdischen Filmfestivals Berlin und Brandenburg lautet dieses Jahr „No fake Jews“...

„Das Judentum lebt“



Bald beginnt das 24. Jüdische Filmfestival. Gründerin Nicola Galliner über Vorhaben und Vorurteile. Interview...




Jung und jüdisch: Chana Marks (17) aus Mainz



Von Chana Marks | MAINZ - Woran sich zeigt, dass ich Jüdin bin? (lacht) Vielleicht daran, dass ich im Sommer, wenn meine Freundinnen Hotpants tragen, lange Röcke anziehe. Frauen sollten keine Männerkleidung tragen und Männer keine Frauenkleidung, das gebietet mir meine Religion...

Jung und jüdisch: Aaron Serota (26) aus Frankfurt



Von Aaron Serota | Ich bin in Frankfurt geboren und komme aus einer traditionsbewussten Familie: Ich habe den jüdischen Kindergarten besucht, die jüdische Grundschule, das jüdische Jugendzentrum und mit 13 Jahren Bar-Mizwa gefeiert...

Jung und jüdisch: Carolin Heymann (25) aus Wiesbaden



Von Carolin Heymann | Ich bin in Wiesbaden aufgewachsen. Die jüdische Gemeinde dort ist vergleichsweise klein, so dass ich als Kind und Jugendliche einen großen nichtjüdischen Freundeskreis hatte...

Jung und jüdisch: Alexander Stoler (27) aus Darmstadt



Von Alexander Stoler | Meine Familie stammt aus der südwestlichen Bukowina, heute gehört die Region zur Ukraine. Als Kind ging ich in den jüdischen Kindergarten in Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina. Vor 21 Jahren sind wir nach Deutschland gekommen...

„Es fällt vielen Leuten schwer, das Wort Jude auszusprechen“

[CICERO]
Noch immer werden Juden in Deutschland mit Vorurteilen konfrontiert und teilweise sogar angegriffen. Wie es sich anfühlt als Jüdin in Deutschland aufzuwachsen, erzählt Dalia Grinfeld, die Vorsitzende der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands. Interview...

Der Verein, bei dem einst Friedrich Torberg Wasserball spielte



Von Jürgen Heimlich | Die 1909 gegründete "Hakoah" ist ein jüdischer Sportverein, der aus mehreren Sektionen besteht...

Die jüdische Gemeinde Ägyptens erlischt – und verabschiedet sich mit einem grossartigen Statement gegen den interreligiösen Hass



Von Susanna Petrin | Vor mehr als 2300 Jahren begann die wechselvolle Geschichte des Judentums in Ägypten, nun geht sie zu Ende. Magda Haroun will die Zukunft des jüdischen Kulturerbes in dem Land sichern...

Wer nichts glaubt, schreibt



Von Maxim Biller | Über das Glück, ein Schriftsteller in Deutschland zu sein. Und über die bislang verpasste Chance unserer Autoren, Romane zu schreiben, die nicht morgen schon wieder vergessen sind...

Das Jiddisch von heute



Von Tal Leder | Rund ein Viertel der Juden weltweit stammt aus den Ländern der ehemaligen Sowjetrepubliken. Ihre Sprache gibt ihnen eine gemeinsame jüdische Identität. Ist das Russische auf dem Weg, die neue Lingua franca der jüdischen Diaspora zu werden? ...

Alexa, Siri und die Halacha



Von Rabbiner Jehoshua Ahrens | Sprachgesteuerte Assistenten im Haus wie Alexa werden immer populärer – hinsichtlich halachischer Fragestellungen gibt es unterschiedliche Ansichten und offene Punkte...



Zu Gast bei ...



Original-Beitrag



Nachfolgend lesen Sie einen Original-Beitrag von Martin Kloke. Er ist verantwortlicher Redakteur für die Fächer Ethik, Philosophie und Religion im Cornelsen Verlag am Standort Berlin. Im verlagseigenen „Netzwerk für Diversität in Bildungsmedien“ ist der Autor zuständig für die Themen Israel/Palästina, Nahost, deutsch-israelische Beziehungen und interreligiöse Fragen.

COMPASS dankt dem Autor für die Genehmigung zur Wiedergabe
seiner Rezension an dieser Stelle.


Schriften zum Zionismus und Agudismus


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Die bislang teils versprengten, teils vergriffenen oder gar nicht erschienenen Schriften des im westungarischen Pápa geborenen orthodox-jüdischen Religionsphilosophen Isaac Breuer werden demnächst in einer dreibändigen Werkausgabe (IBWA) versammelt sein.

Die Edition seiner Frühschriften ist als Werkausgabe Band 1 bereits im März 2017 erschienen. Die Ende 2017 ausgelieferte und hier vorgestellte Werkausgabe Band 2 enthält Breuers Schriften zum Zionismus und Agudismus, kommentiert und kontextualisiert durch die beiden Herausgeber Matthias Morgenstern (Eberhard Karls Universität Tübingen) und Meir Hildesheimer (Bar-Ilan Universität Ramat Gan). Ein dritter Band mit prosaischen und poetischen Versuchen Breuers soll im Laufe des Jahres 2018 erscheinen.

Wer ist der Autor dieser bemerkenswerten Werkausgabe? Isaac Breuer (1883–1946) war ein Enkel des Rabbiners Samson Raphael Hirsch, der im 19. Jahrhundert zu den führenden Vertretern der Orthodoxie in Mitteleuropa zählte. Gegen die Liberalisierungs- und Säkularisierungstendenzen des deutsch-jüdischen Mainstreams in der sog. Einheitsgemeinde hatte dieser eine neo-orthodoxe Bewegung initiiert, um mit der Gründung unabhängiger „Austrittsgemeinden“ nach einem dritten Weg zwischen Assimilation und fundamentalistischer Versektung zu suchen: Bei aller Offenheit für Wissenschaft, Literatur und Musik hielt Hirsch am in der Thora verankerten Gottesgesetz als Grundlage der jüdischen Religion und Nation fest.

Enkelsohn Isaac Breuer hatte es als studierter Anwalt, Philosoph und Kant-Kenner zeitlebens als seine Aufgabe angesehen, das geistige Erbe seines Großvaters weiterzuführen und die Orthodoxie mit den Anforderungen der Moderne zu versöhnen. Breuer leistete im Ersten Weltkrieg seinen Militärdienst in der kaiserlich-deutschen Armee ab, musste aber 1936 angesichts der zunehmenden NS-Judenverfolgung seine Anwaltstätigkeit in Frankfurt/Main aufgeben; er flüchtete nach Palästina. Dort engagierte sich der Neueinwanderer in der kleinen zionismuskritischen Arbeiterpartei „Poalei Agudat Israel“, die aus der in Kattowitz gegründeten ultra-orthodoxen „Agudat Israel“ hervorgegangen und in den ersten Jahrzehnten Israels an mehreren Regierungskoalitionen beteiligt gewesen war.

Neben seiner Anwaltstätigkeit setzte sich Isaac Breuer publizistisch mit allerlei jüdischen, religionsphilosophischen und politischen Fragestellungen auseinander, machte aber auch prosaische und poetische Gehversuche. Im vorliegenden Band, einer Sammlung von Briefen, Reden, Aufsätzen und Memoranden Breuers, kritisiert der Autor den Zionismus als säkularjüdische Nationalbewegung und propagiert den „Agudismus“ als jüdisch-religiöses Alternativkonzept. Doch unter dem Eindruck der Balfour-Erklärung und des Aufstiegs des Zionismus verschließt sich Breuer bald nicht mehr der Einsicht, dass auch die Juden, als religiös-ethnische Gemeinschaft, im Zeitalter der nationalen Emanzipationsbewegungen angekommen sind.

Hat Breuer 1918 den Zionismus noch als den „furchtbarste(n) Feind, der je der jüdischen Nation erwachsen“ ist (574), gebrandmarkt, so lehnt er wenig später, anders als viele andere Ultra-Orthodoxe, die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina im vormessianischen Zeitalter nicht mehr ab; er setzt sich allerdings dafür ein, die zionistisch grundierte Säkularisierung des Jischuws zugunsten einer religiösen Erneuerung „im Geiste der Thora“ zu überwinden. Ein jüdischer Staat in Distanz zu Thora und Halacha werde letztendlich zur Auflösung des Judentums führen. Trotz seiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber den säkularistischen Zionisten gesteht Breuer ihnen nun eine gewisse Legitimität zu und schreibt 1921: „Gott hat den Zionismus über sein Volk verhängt, um den Agudismus in ihm zu entfachen.“ (126) Unter dem Eindruck des Peel-Kommissionsberichts zur Teilung Palästinas räumt Breuer 1937, wenn auch widerwillig, ein, auch die Agudat Israel könne sich der Tatsache nicht verschließen, dass der kommende zionistische Staat „de facto“ […] „letztendlich ein jüdischer Staat“ sein werde. (391)

Die Tatsache, dass in dem von David Ben Gurion 1947 unterzeichneten Status-Quo-Brief die religionspolitischen Verhältnisse der osmanischen Epoche und der britischen Mandatszeit im Eherecht, bei der öffentlichen Sabbat-Observanz und der Beachtung der Speisegebote festgeschrieben und gerade nicht der zionistischen Revolution unterworfen werden, trägt zum inneren Frieden im jungen Staat Israel bei. Das linkszionistische Establishment ist klug genug, mit dem bis heute gültigen Status-Quo-Brief die Agudat Israel zu adressieren – und nicht die religiös-zionistische Misrachi-Partei. Dieser Schritt erleichtert es Agudisten wie Breuer, das Konstrukt einer „hebräischen Gemeinschaft“ zu entwerfen und zu akzeptieren, in der einige Gruppen, obschon „jüdisch“, zeitweise in Distanz zur Torah leben. Da Israel wesentliche messianische Attribute fehlen, gilt das Exil als letztlich nicht beendet, was zugleich Spielräume für Kompromisse und politische Teilhabe eröffnet – bis hin zu der für orthodoxe Gruppen ungeheuerlichen Andeutung der Möglichkeit einer Trennung von Staat und Religion. (402f.) Breuer geht in den 1940 Jahren so weit, die zionistische Staatlichkeit unter einen „palästinensischen“ Vorbehalt zu stellen und Perspektiven einer gleichberechtigten arabischen Staatsnation vorwegzunehmen. Die Kritik religiöser Friedensgruppen wie „Oz we-Schalom“ und „Netivot Schalom“ sowie des streitbaren Religionsphilosophen Jeshajau Leibovitz an nationalistischen Tendenzen nach dem Sechstagekrieg von 1967 lassen sich auf Breuers Impulse zurückführen. (418)

Während sich die nationalsozialistische Judenverfolgung in Europa in den 1940er Jahren immer mehr radikalisiert, treibt der seit 1942 als „palästinensischer Anwalt“ zugelassene Breuer seine staatsphilosophischen und religionspolitischen Vorstellungen darüber voran, wie das Zusammenleben religiöser und nichtreligiöser Juden in einem künftigen jüdischen Staat praxisnah geregelt werden könnte. Nun verabschiedet sich Breuer aus dem Deutschen und lässt seine Manuskripte mit Unterstützung seiner Familie ins Englische bzw. Hebräische übersetzen (allen voran „Judaism and National Home“, 1943/46: Erstveröffentlichung in diesem Band). Zwischen den Zeilen wird deutlich, dass sich Breuer trotz aller Kritik am säkularistischen Zionismus nicht auf einen unbeugsamen antizionistischen Religionspolitiker reduzieren lässt. Sprachgewandt sucht der im säkularen ebenso wie im religiösen Recht bewanderte Breuer nach Brücken, die einer unabhängigen Orthodoxie die begrenzte Kooperation mit dem Zionismus erlaubt. Herausgeber Morgenstern bilanziert: „Es ist dieses manchmal nahezu unmerkliche und fast widerstrebend vor sich gehende Fortschreiten seines Gedankenganges, das Breuer – gerade auch auf dem Gebiet seiner Auseinandersetzung mit dem Zionismus – zu einem so ernstzunehmenden Denker macht.“ (575)

Insofern wäre es wohlfeil, sich über den religiösen Rigorismus und die mangelnde historische Wirkmächtigkeit Breuers zu mokieren, zumal das Scheitern des Agudismus zuallererst dem beispiellosen Massenmord in der Schoah geschuldet ist. Die in seinen letzten Lebensjahren zum Ausdruck kommende Rat- und Hilflosigkeit angesichts der drohenden Katastrophe ist erschütternd. Jenseits aller zeitbedingten Einschränkungen verdienen Breuers Schriften, sowohl in ihrer religionsphilosophischen Originalität als auch in ihrer Lernfähigkeit ernstgenommen und gewürdigt zu werden.

Vor diesem Hintergrund ist den Universitätsprofessoren Morgenstern und Hildesheimer hoch anzurechnen, dass sie die publizistischen Erträge Breuers zusammengetragen haben und nun der Öffentlichkeit zugänglich machen, um das geistige Erbe der deutsch-jüdischen Orthodoxie vor dem Vergessen zu bewahren. Die Herausgeber halten es nicht für ausgeschlossen, dass die von Breuer aufgeworfenen Problembeschreibungen und Konzepte, ungeachtet ihrer bisherigen realpolitischen Irrelevanz, eines Tages doch noch auf die politische Agenda kommen könnten – dann nämlich, wenn Israels demokratischer Staat und seine pluralistische Gesellschaft in einem neuerlichen Friedensprozess (unwahrscheinlich genug) auch das spannungsgeladene Verhältnis zwischen seinem „jüdischen“ und „demokratischen“ Charakter verbindlich klären müssten. (VIII)

Das Kooperationsprojekt der beiden Religionswissenschaftler ist ein deutsch-israelisches Gemeinschaftswerk, gefördert aus Mitteln der German-Israeli Foundation for Scientific Research and Development. Aus der Zusammenarbeit sind inzwischen fünf Bände mit Texten und Studien zur deutsch-jüdischen Orthodoxie hervorgegangen. Dass trotz der furchtbaren geschichtlichen Abgründe ein solches religionswissenschaftliches Gemeinschaftsprojekt heute möglich ist – gut 70 Jahre nach der Schoah – gehört zu den Lichtblicken der christlich-jüdischen und deutsch-israelischen Beziehungsgeschichte.


ISAAC BREUER:
Schriften zum Zionismus und Agudismus.
Werkausgabe Band 2 (Reihe: Texte und Studien zur deutsch-jüdischen Orthodoxie, hrsg. v. Matthias Morgenstern und Meir Hildesheimer).
Berlin: LIT VERLAG Dr. W. Hopf 2017, 584 S., ISBN 978-3-643-13392-2.
Euro 99,00
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Copyright 2018:
Dr. Martin Kloke




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