Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
17.07.2006 - Nr. 667

Guten Tag!

Nr. 667 - 17. Juli 2006


In allen Israel-Rubriken finden Sie heute viele Links zu Berichten, Kommentaren und vor allem teilweise bemerkenswerten Interviews zur eskalierenden Lage in Israel/Nahost. Auf einige Interviews und Beiträge sei an dieser Stelle besonders hingewiesen:

Der israelische Schriftsteller David Grossman erläutert in der FAZ, warum die Israelis ihr Vertrauen in die gemäßigten Kräfte der arabischen Welt verloren haben:
"Der jetzige Gewaltausbruch zeigt eine ausgesprochen problematische Ähnlichkeit in den Haltungen der libanesischen Regierung und der palästinensischen Autonomiebehörde gegenüber Israel. Beide haben gewissermaßen zwei Köpfe, die sich widersprüchlich verhalten: Der eine agiert 'staatlich', dass heißt auf politischen Wegen und vergleichsweise gemäßigt, der andere erklärt sich für frei, völlig nach Belieben zu handeln: Er setzt Terror gegen Zivilisten ein, bedient sich rassistischer Rhetorik und fordert offen die Vernichtung Israels. Dieses Doppelspiel ist einer der Gründe, die ein dauerhaftes Abkommen zwischen Israel und diesen Nachbarn so sehr erschweren."
Grossman erinnert zu Recht auch daran, dass Israel angegriffen wurde, bevor es den Libanon bombardierte:
"Es gibt keine Rechtfertigung für den Angriff, den die Hizbullah letzte Woche - von libanesischem Gebiet - auf Dutzende friedlicher israelischer Ortschaften unternahm. Kein Staat der Welt kann seine Bürger schweigend preisgeben, wenn das Nachbarland - ohne jede Provokation - einen solchen Überfall ausführt."
Grossman, geboren 1954 in Jerusalem, zählt zu den bekanntesten Autoren seines Landes. Zuletzt veröffentlichte er auf deutsch 2004 den Novellenband „Das Gedächtnis der Haut“.

So, so, die Reaktion der Israelis auf die Entführung seiner Soldaten, auf den Beschuss mit Hamas-Kassam-Raketen aus dem Gaza-Streifen und mit Hisbollah-Katjuschas aus dem Südlibanon, war also "unverhältnismäßig"? Mag sein, antwortet Henryk M. Broder im SPIEGEL, "dass eine solche Sicht der Dinge objektiv richtig ist, dann aber muss man die Frage stellen und beantworten: Was wäre die richtige, die angemessene Antwort gewesen, eine Antwort, welche die Situation entschärfen würde, statt sie weiter anzuheizen? Eine Beschwerde beim Sicherheitsrat der Uno? Eine Einladung an die Hamas und die Hisbollah zu einem Runden Tisch irgendwo auf halber Strecke zwischen Gaza und Metulla? Ein Appell an die kollektive Vernunft der freien Welt verbunden mit der Bitte, mäßigend auf die Hamas und die Hisbollah einzuwirken? Schon möglich, dass Israel alles falsch macht, aber so ist das eben im Leben, wenn man nur die Wahl zwischen falsch und verkehrt hat."

Die Opfer der kriegerischen Handlungen sind für die Hisbollah nichts weiter als politisches Kapital, sagt der libanesische Publizist Lokman Slim im Interview mit der NETZEITUNG. Er setzt auf die Diplomatie der USA - und Druck aus Syrien. Lokman Slim ist Verleger und Intellektueller, der 2005 mit dem Dokumentarfilm «Massaker» ein Tabu gebrochen hat. Zum ersten Mal ließ er sechs Täter sprechen, die 1982 an dem Massenmord in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila teilgenommen hatten. Slim wurde 1962 in Beirut geboren. Sein Vater ist Schiit und seine Mutter Christin. Während seines Philosophie-Studiums in Paris von 1982 bis 1988 war er in verschiedenen kulturellen Foren tätig, vor allem engagierte er sich für «Arabie sur Seine». 1990 gründete er in Beirut den arabischsprachigen Verlag «Dar al Jadid». Er veröffentlichte viele Beiträge für die libanesische Presse und andere arabischsprachige Publikationen.

Der israelische Soziologe Shmuel Eisenstadt erklärt im Interview mit der BERLINER ZEITUNG, in dem es vor allem um die aktuelle Situation im Nahen Osten geht, wie die Moderne mit religiösem Fundamentalismus zusammen geht:
"Fundamentalistische Bewegungen sind modern und sogar anti-traditionell. Aus der Tradition formen sie eine moderne jakobinische Ideologie. In gewissem Sinne sind die Fundamentalisten den Kommunisten sehr ähnlich: wie sie die Gesellschaft organisieren und mobilisieren. Im traditionellen Saudi-Arabien dürfen Frauen nicht Auto fahren. Im moderneren Iran dagegen sind sie aktiv, sie werden politisch mobilisiert. Iran ist eine potenziell sehr lebendige Gesellschaft. Ob es der iranischen Führung gelingt, sie zu unterdrücken, werden wir sehen. Inschallah!"

Während viele Beobachter schon von einem neuen Nahostkrieg sprechen, reibt man sich - meint die TAZ - in Europa verwundert die Augen und fragt: Was ist an der Situation neu? Junge Menschen zwischen 21 und 25 Jahren aus Israel, Syrien und Palästina beantworten der TAZ per E-Mail diese Frage und kommentieren die Situation aus ihrer Sicht. Ergänzend hierzu ebenfalls interessant, was Sandra Dassler im TAGESSPIEGEL über die Israelin Efrat Alony und den Libanesen Mario El-Feghali, die beide Berliner sind, schreibt: "Die Gewalt in ihren Heimatländern verändert ihr Leben".

Schließlich Links zu einigen Beiträgen über die Reaktionen auf die Israel-Äußerung der Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul. Scharfe Kritik kommt u.a. vom Zentralrat der Juden, deren Presseerklärung im Wortlaut wiedergegeben ist.

München ist wie keine andere Stadt mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus verbunden. Das Kulturreferat stellt nun einen „Themen-Geschichts-Pfad“ vor, der an bedeutsame Orte der NS-Diktatur erinnert. Alfred Dürr hat ihn sich für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG genauer angeschaut: "Auf den Spuren der braunen Vergangenheit".
Der Link zu seinem Bericht in der Rubrik VERGANGENHEIT...

„Visuelle Geschichtsschreibung“ nennt der Kölner Kulturdezernent Georg Quander es. Die größte „Stolperstein“-Datenbank Deutschlands ist seit gestern offiziell online gegangen. Damit ist das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln der großen Nachfrage vor allem von Schulklassen nachgekommen: Die fragen nämlich oft nach näheren Informationen zu den Steinen und vor allem den Biografien der Opfer des Nationalsozialismus - an die der Künstler Gunther Demnig mit den „Stolpersteinen“ erinnert. Anja Katzmarzik stellt im KÖLNER STADTANZEIGER die Datenbank vor und nennt natürlich auch den Link zum Online-Zugang.
Der Link zum Beitrag in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Religionsbücher, in denen zum Mord an Juden aufgerufen wird: An der König-Fahd-Akademie in Bad Godesberg stehen solche Schriften mit antisemitischer Propaganda immer noch auf dem Lehrplan. Schulexperten haben aber auch einen erstaunlichen Wandel festgestellt, Rainer Kellers in einem Beitrag für den WDR zu berichten weiß.
Von einem anderen Fall wiederum berichtet Kristina Johrde im HAMBURGER ABENDBLATT:
"Es ist auf den ersten Blick eine DVD für Kinder mit Zeichentrickfilmen wie "Biene Maja" oder "Heidi". Doch die DVD mit dem Titel "Die Kinder der Al-Aksa-Moschee", die laut Erkenntnissen des Hamburger Verfassungsschutzes in der Centrum-Moschee an der Böckmannstraße in St. Georg verkauft worden sein soll, zeigt alles andere als eine normale Kinderwelt: Es geht um Kinder, die sich aktiv am militanten Widerstand gegen Israel in Palästina beteiligen. Sie kämpfen mit Zwillen und Wurfsicheln gegen die Israelis, ein kleiner Junge hilft dabei, einen israelischen Soldaten zu ertränken."
Die Links zu beiden Beiträgen in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Kaum eine Religion wird von vielen Menschen in Deutschland als so fremd empfunden wie der Islam. Die Politiker versuchen gerade mit einem Integrationsgipfel Antworten auf Probleme von und mit Einwanderern zu finden. Dabei hilft es, mehr über die verschiedenen Strömungen und Grundlagen des Islam zu erfahren. Antonia Beckermann stellt in der WELT AM SONNTAG den Islam und seine Strömungen genauer vor.
Ergänzend dazu passt ein Beitrag von Wolfgang Günter Lerch in der FAZ. Lerch fragt:
Sind Islam und Demokratie, pluralistische Bürgergesellschaft und Gewaltenteilung miteinander zu vereinbaren? Der jüngste Integrationsgipfel hat auch solche Fragen wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Auf die Frage, was der Islam sei, antwortete Mohammed, sein Prophet, mit einem berühmten Diktum: "Der Islam beruht auf dem Glauben an einen einzigen Gott und seinen Gesandten, dem Gemeinschaftsgebet, dem Almosengeben, dem Fasten im Ramadan und der Pilgerfahrt." Diese sogenannten fünf Pfeiler des Islams machen seinen Kern aus, und zwar auf die Glaubenswahrheiten bezogen wie auf die Orthopraxie, das rituelle Leben der Gemeinde. Der Islam der "fünf Pfeiler" ist mit jedem politischen System und jeder gesellschaftlichen Ordnung zu vereinbaren - von der Monarchie bis zur Republik.
Die Links dazu in der Rubrik INTERRELIGIÖSER DIALOG.

Im Alter von 89 Jahren ist vergangene Woche der Schriftsteller Fred Wander gestorben. Mit seiner Erzählung "Der siebente Brunnen" löste Wander 1971 eine Auseinandersetzung der deutschen Nachkriegsliteratur mit dem KZ-System aus. Er hatte das Grauen in Auschwitz und Buchenwald selbst durchlebt, das er in seinen Werken verarbeitete. Dieses Erlebnis hatte ihn nie losgelassen, so der Schriftsteller Erich Loest, der sich im Interview mit dem DEUTSCHLANDRADIO an seinen Freund erinnert.
Der Link zum Interview in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Fast jeder kennt sie - und wer in einer größeren Stadt lebt, kann sie auch heute kaum übersehen: Die Litfaß-Säule. Weniger bekannt ist, dass ihr Erfinder, Ernst Theodor Amandus Litfaß, 1816 als Sohn einer arrivierten jüdischen Unternehmerfamilie geboren wurde. Wie er zum "König aus dem Mittelstand" wurde und als Unternehmer die Reklame revolutionierte, schildert Steffen Dahm in seinem Porträt für den MATERIALDIENST.
Der Link zum Porträt in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag und eine gute Woche wünscht




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