Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
23.10.2015 - Nr. 1605

ACHTUNG

Aufgrund einer Konferenzteilnahme erscheint nächste Woche keine Tagesausgabe! Am Donnerstag, 29. Oktober 2015, wird anlässlich des 50. Jubiläums der Konzilserklärung "Nostra aetate" ONLINE-EXTRA Nr. 229 mit einer Buchvorstellung zum Thema erscheinen.


Guten Tag!

Nr. 1605 - 23. Oktober 2015



In einem Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG versucht Nahost-Korrespondent Ulrich Schmid den Motiven der Messerstecher und insbesondere den palästinensischen und israelischen Deutungsmustern über die Ursachen der Anschläge auf den Grund zu gehen. Nachdem er den innerisraelischen Diskurs anaylsiert und kritisiert, kommt er auf die innerpalästinensische Situation wie folgt zu sprechen:
"Das Versagen vieler jüdischer Analytiker verblasst indes vor der Infamie, mit der die palästinensischen Elite die jungen Menschen aufhetzt und ihre terroristischen Mordtaten glorifiziert. Palästinenser mögen ein Recht auf Zorn und Verzweiflung haben, ein Recht, Zivilisten abzuschlachten, haben sie nicht. Die jungen Palästinenser aber werden nicht nur aufgehetzt, sie baden förmlich in den Wogen umfassender gesellschaftlicher Belobigung. Die Hamas überschüttet sie mit Lob, Preis und Dank."
Sein Fazit schließlich lautet:
"Beide Narrative, das palästinensische wie das israelische, sind beschönigend, kurzsichtig und selbstgerecht. Beide verfolgen dasselbe Ziel: die schnelle Schuldzuweisung, das Abwürgen jeder vertieften Analyse, die dazu führen könnte, dass man eigenes Versagen zuzugeben hätte. Ohne Konzessionen aber wird es keine Besserung geben. Beide Seiten müssen schnellstens von ihrem Hochsitz der Arroganz herab klettern."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Der amerikanische Aussenminister Kerry hat in Berlin nach Gesprächen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu leise Zuversicht versprüht. Auch sein bevorstehendes Treffen mit Sergej Lawrow zu Syrien und der Nahost-Krise in Wien wurde bereits vorbereitet, wie u.a. WELT, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG und FAZ berichten: "Weltumspannender Gesprächsbedarf".
Die Links dazu in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG, WIENER ZEITUNG und KATHPRESS klären über die schwierige Lage des Tempelbergs und dessen reiligiös-historischen Hintergründe auf. Und in DEUTSCHLANDRADIO stellt Werner Bloch den Konflikt um den Tempelberg schließlich in ein übergeordnetes Szenario, in dem er die Rolle von Städtebau, Architektur und Archäologie für die "Schlacht um Jerusalem" darlegt.
Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Ebenfalls im Blick auf die jüngsten Attentatsanschläge und der Absicht der israelischen Regierung, Ostjerusalem abzuschotten, widmet sich Ulrich W. Sahm für ISRAELNETZ der Situation der ungefähr 380.000 Araber, die in Jerusalem leben. Ihr Status, so Sahm, sei kompliziert, widersprüchlich und „explosiv“ - und eine Ursache für den derzeitigen Gewaltausbruch: "Der Status der Jerusalemer Araber"
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Na, da hat er sich vielleicht ein - sagen wir: halbgares Ei ins Nest gelegt: Benjamin Netanyahus "neue" Deutung, was die Verantwortlichkeit für den Holocaust betrifft, schlägt allerorten hohe Wellen. "Hitler wollte damals die Juden nicht ausrotten, er wollte den Juden vertreiben", so Netanjahu vor dem Zionistischen Weltkongress in Jerusalem. Im November 1941 aber sei der Mufti in Berlin vorstellig geworden. "Wenn Sie die Juden vertreiben", habe er Hitler gesagt, "dann werden sie alle nach Palästina kommen." Was er denn mit ihnen anfangen solle, habe der ratlose Führer gefragt, worauf der Mufti entgegnete: "Verbrennt sie!" Dina Porat, Chefhistorikerin der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem, meint, Netanyahu täusche sich "in jedem Punkt". Mit seiner Deutung schließe sich Netanjahu der langen Liste derjenigen an, die man als Holocaustleugner bezeichne, lässt sich der Spezialist für deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität, Moshe Zimmermann, zitieren. Israels prominentester Holocaustforscher, Yehuda Bauer, bezeichnete am Rundfunk das Narrativ, wonach Hitler vom Mufti inspiriert worden sein soll, gar als „vollkommen idiotisch“. Auch in Deutschland trifft Netanjahus Deutung auf Widerstand. "Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass der Mufti eine Vernichtung der Juden wünschte und die Nazis dabei unterstützte. Doch Netanjahus Behauptung, dass Hitler erst durch Husseini „inspiriert“ worden sei, ist unwahrscheinlich, zumal schon vor dem Treffen Einsatztruppen der SS massenhaft Juden ermordet hatten." So etwa Ulrich W. Sahm in einem Beitrag für ISRAELNETZ. In der WELT zeigt sich Alan Posener wenig erfreut und schreibt u.a.:
"Netanjahus Interpretation der Geschichte ist von jenem Opportunismus geprägt, der sein ganzes Handeln auszeichnet. Indem er die Deutschen exkulpiert und dafür einen Moslem belastet, hofft er, Freunde unter Europas Islamophoben zu gewinnen. Die Motivation ist nachvollziehbar, aber falsch. Alle Rassisten sind am Ende auch Antisemiten. Israel zu mögen, weil es von Muslimen angegriffen wird, ist denn auch der denkbar dümmste Grund dafür. Dass er uns für so dumm hält, ist eine weitere narzisstische Kränkung."
Und wer sich hinsichtlich des Standes der Forschung in Sachen Begegnung des Führers mit dem Großmufti Klarheit verschaffen will, dem sei etwa der Beitrag des des Historikers Hans Goldblum in der ZEIT empfohlen, zu dessen Forschungsschwerpunkten die NS-Propaganda und Einflussnahme im Nahen Osten gehört. Auch er weist u.a. darauf hin, dass zu dem Zeitpunkt als der Großmufti Husseini 1941 nach Berlin kommt, die "genozidale Entwicklung schon in vollem Gang" war: "Nicht er empfahl Hitler hier die Vernichtung, letzterer kündigte ihm vielmehr die Ausweitung der Vernichtungspolitik auf den Nahen Osten im Falle eines deutschen Sieges an."
Alle Links zum Thema in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Filipp Piatov, Sohn russisch-jüdischer Einwanderer aus St. Petersburg und 1992 nach Deutschland gekommen, befasst sich in einem Beitrag für die WELT mit der fragwürdigen Berichterstattung der deutschen Medien über die jüngste Anschlagswelle in Israel, die in seinen Augen letztlich Antisemitismus und Israelfeindschaft befördere. Hauptvorwurf: die Medien stellen Palästinenser permanent ausschließlich als Opfer, die Israelis ausnahmslos als Täter dar, ganz so, wie es der palästinensischen Sichtweise entspräche:
"Denn selbst, wenn man sich nicht von palästinensischen Propagandamedien beeinflussen lässt, wird man von deutschen Medien mit getöteten Palästinensern versorgt – die Tatsache, dass ebendiese Palästinenser aus Notwehr während eines von ihnen begangenen Terroranschlags getötet wurden, scheint nebensächlich zu sein. Der Palästinenser ist für einige Journalisten wohl das ewige Opfer – nicht einmal in der Lage, zu töten. Nur getötet zu werden. [...] Doch wie sollte man antisemitische Tendenzen im eigenen Land erkennen, wenn man sich weigert, den täglich über sämtliche Propagandakanäle verbreiteten und gewaltbereiten Antisemitismus der Palästinenser zu erkennen?"
Der Link zu seinem Beitrag in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Die zweischneidige Rolle der sozialen Medien sowohl im Hinblick auf die Motivation der Messerstecher in Israel als auch radikaler Fremdenfeinde und Antisemiten in Europa ist Gegenstand eines Beitrags von Ahmad Mansour in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG: "Stoppt den Facebook-Terror!", so seine Botschaft. An gleicher Stelle befassen sich auch  David Harnasch und Julia Schramm mit dem Problem und der Frage: "Ist Kontrolle besser?"
Die Links dazu in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Ist Religion ein Hindernis bei der so dringend notwendigen politischen Verständigung? Oder kann sie auch eine konstruktive Rolle spielen? Und: Sind religiöse Wahrheitsansprüche und Pluralität miteinander vereinbar? Darüber diskutierten muslimische, christliche und jüdische Theologen auf einer Konferenz in Istanbul, zu der die deutsche Botschaft und die Eugen-Biser-Stiftung eingeladen hatten. Für DEUTSCHLANDRADIO war der ehemalige Israelkorrespondent und studierte Theologe Sebastian Engelbrecht mit dabei und berichtet: "Dialog durch pragmatische Theologie"
Der Link zum Konferenzbericht in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

In der kommenden Woche wird im Vatikan anlässlich des 50. Jahrestages der Konzilserklärung "Nostra aetate" eine internationale Konferenz stattfinden, zu der rund 400 Vertreter verschiedener Religionen erwartet werden. Im Blick auf das anstehende Jubiläum kann man heute im DEUTSCHLANDRADIO Auszüge eines GEsprächs zwischen dem katholischen Kirchenhistoriker Hubert Wolff und dem deutsch-jüdischen Historiker Michael Wolffsohn lesen, die sich über den Ertrag von "Nostra aetate" unterhalten haben. Zum gleichen Thema äußert sich auch der Präsident des "Internationalen Rates der Christen und Juden", der katholische Theologe Phil Cunningham. Er zeigt sich laut KATHPRESS überzeugt, dass die der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum durch "Nostra aetate" auch an der Basis angekommen sei: "Wenn sie heute einen einigermaßen kundigen Katholiken nach der Einstellung gegenüber Juden fragen, dann werden sie vermutlich eine positive Antwort erhalten", so Cunningham wörtlich. "Nostra aetate" markiere einen Wendepunkt im Verhalten der Kirche den Juden gegenüber, "der in der Geschichte beispiellos ist". Und schließlich veröffentlich ebenfalls KATHPRESS ein längeres Interview zum gleichen Thema mit dem Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück: "Vermächtnis in einer von Religionskonflikten durchzogenen Welt".
Alle Links zu den Beiträgen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Nicht nur für viele mystisch orientierte Muslime stößt Vers 35 aus Sure 24 mitten ins Herz des Islams vor. Er trägt einen eigenen Namen: Lichtvers. Dieser sprachgewaltige Vers ist nicht nur einer der berühmtesten, er ist auch einer der rätselhaftesten, voller Gleichnisse und Symbolik. Generationen von Korangelehrten zerbrachen sich den Kopf über seine Bedeutung. In einem Beitrag für DEUTSCHLANDRADIO stellt der Islamwissenschaftler Stefan Wild den Vers und seine Deutung näher vor: "Der Lichtvers - atemlose Gleichnisse".
Der Link dazu in der Rubri INTERRELIGIÖSE WELT.

In Österreich ist er vor allem für seinen Humor und seinen Gesang bekannt: Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg. Freilich möchte er nicht auf diese beiden Facetten seines Wirkens reduziert werden, wie er Mittwoch Abend im Rahmen eines Kamingesprächs mit dem Ehrenpräsident der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant im Gemeindezentrum der Kultusgemeinde mehrmals erklärte. Alexia Weiss hat das Gespräch für die WIENER ZEITUNG verfolgt: "Being Oberrabbiner".
Der Link zu ihrem Bericht in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Franz Kafka (1883 – 1924), der aus einer jüdischen Familie aus Prag stammte, hat das Wort Judentum zwar in seinem literarischen Werk nicht erwähnt. Dennoch hegte er eine große Sympathie besonders für die ostjüdische Kultur. Als Erwachsener lernte er Hebräisch und beabsichtigte sogar nach Palästina auszuwandern, was sein Gesundheitszustand freilich nicht zuließ. In einem Beitrag für DEUTSCHLANDRADIO geht Manuel Gogos der schon viel diskutierten Frage nach dem Verhältnis Kafkas zum Judentum nach: "Ein verlorenes Paradies. Franz Kafka und das Judentum".
Dazu passend und ergänzend ein Bericht von Annette Kraus für RADIO PRAG. Sie berichtet über eine neue Werkausgabe der Werke von Max Brod, jedem Prager Literaten, Komponisten und Kritiker, dem wir es überhaupt zu verdanken haben, dass die Werke Kafkas der Zerstörung entgingen: "Hinter Kafka hervorgeholt: Der Impresario und Vielschreiber Max Brod".
Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Der deutsch-ägyptische Politologe Hamed Abdel-Samad und der palästinensisch-israelische Psychologe Ahmad Mansour haben am gestrigen Donnerstag die Josef-Neuberger-Medaille der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf erhalten. Damit wurden erstmals zwei Muslime mit dieser Auszeichnung geehrt. Laudatoren bei der Preisverleihung in der Düsseldorfer Synagoge waren der Publizist Henryk M. Broder und der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD). Andreas Rehnolt hat die Preisverleihung und Reden beobachtet: "Jüdische Gemeinde Düsseldorf ehrt erstmals zwei Muslime mit Neuberger-Medaille"
Sein Bericht in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Italiens Medien wittern eine Verschwörung, manche sprechen von einem neuen Vatileaks: Nach der Nachricht von einem angeblichen Tumor bei Franziskus, geht es längst nicht mehr um seine Gesundheit, sondern offenbar sind hier Kräfte am Werk, die gegen den Reformeifer des Papstes kämpfen. Um den Ausgang der Familiensynode zu sabotieren, verbreiten sie Lügen über Franziskus, so berichten übereinstimmend die FAZ und die WELT: "Der Papst, der Tumor, der Teufel und die Medien".
Die Links zu den Berichten in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

Die eher unterbliebene, nur selten gelungene juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen ist mittlerweile gut erforscht und dokumentiert. Welchen Beitrag aber können da eventuell noch die „Reflexionen einer Staatsanwältin“ leisten, die von 1983 bis 2003 in der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen tätig war? Das kann man nun anhand eines Buches von Ursula Solf überprüfen, das Hans-Jürgen Döscher für die FAZ gelesen hat: "Was die Staatsanwältin sah".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag, ein schönes Wochenende und Gut Schabbes wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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