Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
20.03.2012 - Nr. 1324

ACHTUNG:

Die nächste tagesaktuelle Ausgabe erscheint am Donnerstag, 22. März 2012


Guten Tag!

Nr. 1324 - 20. März 2012


Sari Nusseibeh ist Philosoph, Politiker und seit 1995 Präsident der Al-Quds-Universität in Jerusalem. Gerade erschien von ihm „Ein Staat für Palästina? Plädoyer für eine Zivilgesellschaft in Nahost“. In zwei Interviews - in der TAZ und im DEUTSCHLANDRADIO - erläutert er nun einen ebenso unkonventionellen wie provokanten Vorschlag, einen "dritten Weg", um eine Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts zu erreichen: Er plädiert dafür, dass die Palästinenser in einem Einheitsstaat mit den Israelis zusammenleben sollten – in dem aber nur die Juden das Wahlrecht hätten! D.h., Israel übernimmt den Gazastreifen und das Westjordanland und gewährt den Palästinensern Bürgerrechte wie Bildung und Versammlungsfreiheit, diese verzichten im Gegenzug auf politische Rechte: "Frieden ohne Wahlrecht".
Die Links zu den Interviews in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Die 20.000 Drusen auf den israelisch besetzten Golanhöhen fühlen sich nach wie vor als Syrer - über die bestürzdenden Vorgänge im Nachbarland haben sie sich freilich ihre eigene Wahrheit zurechtgelegt. Gleichwohl wird auch für sie der dortige Aufstand zur Zerreißprobe, wie Peter Münch für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG berichtet: "Wie Assads Freunde den Konflikt nach Israel tragen".
Der Link zur Reportage in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Am 13 März, aber erst seit gestern online, veröffentlichte die FAZ einen ebenso bewegenden wie nachdenklichen Aufruf des israelischen Schriftstellers David Grossman zur drohenden militärischen Auseinandersetzung zuwischen Israel und dem Iran: "Bevor unsere Ohren taub werden". Grossman plädiert für Zurückhaltung, denn greift Israel Iran an, um eine mögliche Katastrophe zu verhindern, beschwört es selbst eine sichere Katastrophe herauf, mein Grossman. Unter anderem gibt er auch zu bedenken:
"Und was, wenn Saudi-Arabien eines Tages ebenfalls Atomwaffen haben will und sie auch bekommt? Wird Israel auch die Saudis angreifen? Und wenn Ägypten unter dem neuen Regime ebenfalls diesen Weg geht? Wird Israel dann Ägypten bombardieren? Und wird es für alle Zeiten das einzige Land im Nahen Osten sein, das Atomwaffen haben darf?"
Der Link zu Grossmans Appell in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Ende Februar saßen die Außenpolitiker der FDP-Bundestagsfraktion in ihrer Arbeitsgruppe zusammen. Zunächst ging es "nur" um Personalien, aber dann warf ein Abgeordneter die Frage auf, wie die Fraktion reagieren solle, wenn es in nächster Zeit tatsächlich zu einem israelischen Militärschlag gegen Iran kommen sollte. Darauf hin entwickelte sich eine kontroverse Diskussion, in deren Verlauf auch ein Name fiel, dessen Erwähnung eine eisige Atmosphäre verbreitete: Jürgen W. Möllemann. Warum das so ist und wie die Diskussion weiter verlief beschreibt Majid Sattar in der FAZ: "Möllemanns Erben".
Der Link zum Bericht in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

In Deutschland leben nach Berechnungen des Historikers Thomas Weber noch Zehntausende, die bei der Aufklärung von NS-Gräueltaten helfen können. Weber schlägt im Intervie mit dem DEUTSCHLANDRADIO daher die Einreichtung von "Wahrheitskommissionen" zur Aufarbeitung vor. Gerichtliche Prozesse, wie beispielsweise gegen Demjanjuk, taugten seines Erachtens nicht, die Vergangenheit wirklich aufzuarbeiten. Vielmehr müsse es darum gehen, "noch an das WIssen dieser alten Menschen heranzukommen".
Der Link zum Interview in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Normalerweise wird eine Bundespräsidentenwahl in Israel und den USA nicht besonders zur Kenntnis genommen. Doch ausgerechnet um die Personalie Gauck hat sich dort eine in Deutschland kaum zur Kenntnis genommene Kritik entzündet, berichtet TELEPOLIS. Nun hat der israelische Historiker Efraim Zuroff, einstmals erster Leiter des Simon-Wiesenthal-Centers, in einem von der TAZ nachgedruckten Artikel heftige Kritik an dem neuen Bundespräsidenten geübt und dort die Befürchtung vor einem Rollback in der deutschen Erinnerungspolitik geäußert. Maßgeblich hänge dies damit zusammen, dass Gauck die sogenannte Prager Erklärung vom 3. Juni 2008 mit unterschrieben habe. Was es mit dieser Erklärung auf sich hat und wie dies mit Gaucks Geschichtsverständnis zusammenhänge, erläutert Zuroff in seinem Beitrag: "Der Rückfall".
Die Links zum Thema in der Rubrik VERGANGENHEIT...

In seinem spektakulären ZDF-Interview, das gestern abend auszugsweise gesendet wurde, spulte der iranische Staatspräsident Ahmadineschad nur die üblichen Verschwörungstheorien ab. Wegen des eigenen, unklaren Atomprogramms auf die Drohungen seitens Israels und die Kriegsgefahr angesprochen, entgegnete er, dass niemand über die 250 Sprengköpfe „der Zionisten“ rede; dabei sei Iran kein „künstlicher Staat“. Israel gründe - so Ahmadineschad auf Nachfrage von ZDF-Reporter Claus Kleber – auf der „Lüge des Holocaust“. Damit erfüllte Ahmadineschad nach deutschem Recht den Tatbestand der Volksverhetzung. Die WELT und die FAZ berichten über das Interview: "Zwischen Größenwahn und Opferrolle".
Die Links dazu in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Eine Serie rätselhafter Mordanschläge erschüttert die französische Öffentlichkeit. Bereits acht Menschen fielen ihr zum Opfer. Gestern hat ein Mann kaltblütig vor einer jüdischen Privatschule im Norden von Toulouse vier Menschen erschossen - einen Religionslehrer, dessen 3 und 6 Jahre alte Kinder sowie eine 8-jährige Schülerin. Ein 17-jähriger Schüler wurde schwer verletzt und schwebt nach einer Notoperation in Lebensgefahr. Frankreich ist entsetzt, aus Brüssel und Jerusalem kommen bestürzte Reaktionen und selbst der Papst äußert sich "zutiefst betroffen". Kim Rahir weist allerdings im SPIEGEL darauf hin, dass es schon länger "im Heimatland der Menschenrechte um das Zusammenleben der Kulturen und Konfessionen nicht immer zum Besten bestellt" ist. "Der Antisemitismus ist zurück", hatte der Vorsitzende des Rates der jüdischen Institutionen (Crif), Richard Prasquier, schon Anfang 2009 gewarnt. Die Zahl der antisemitischen Übergriffe hatte innerhalb kürzester Zeit dramatisch zugenommen."
Im Interview mit dem DOMRADIO äußert der deutsche Auslandsseelsorger in Südfrankreich, Bruder Peter Arnold, die Erwartung, dass nun eine eine längst fällige Debatte über Rechtsextremismus in Frankreich einsetze. Und die schweizer-jüdische Wochenzeitung TACHLES berichtet von einer Reihe jüdischer Organisationen, die ebenfalls vor zunehmendem Antisemitismus warnen.
Die Links zum Thema in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Vor diesem Hintergrund mag eine Reportage von Bernhard Schmid in der JUNGLE WORLD ebenfalls ein Schlaglicht auf die Verfassung der französischen Gesellschaft werfen. Schmid berichet, wie im französischen Wahlkampf Konservative und Rechte versuchen, eine Debatte um muslimische und jüdische Speisevorschriften zu nutzen, um gegen unerwünschte Einwanderung zu polemisieren: "Nicht ganz koscher".
Der Link zur Reportage in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Die Amerikanerin Lael Harrelson ist Inhaberin eines ganz besonderen Onlinesophs: Sie verkauft Sexspielzeug für strenggläubige Christen. Auch für Experimentierfreudige anderer Glaubensrichtungen gibt es freilich im Netz ein reichhaltiges Angebot erotischer Hilfsmittel, wie Bernadette Calonego für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schildert: "Geschenk des Himmels".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Drei jüdische Künstler und Intellektuelle haben neue Texte für Bachs "Johannespassion" geschrieben, weil sie die Arien antisemitisch fanden. Dürfen sie das? Mitglieder der Berliner Domgemeinde zeigen sich empört und drohen gar mit Austritt. Sie fürchten um die Reinheit von Bachs "Johannespassion", dem Herzstück protestantischer Verehrung. Am kommenden Freitag soll die neue Fassung im Dom uraufgeführt werden. Claudia Keller berichtet im TAGESSPIEGEL nähere Einzelheiten: "Du bist voll Erbarmen".
Der Link dazu in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Der Vatikan-Beauftragte für interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran, hat sich sich erstmals in einem "Al Jazeera"-Interview direkt an die arabische Welt gewandt. Im Gespräch des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog mit dem Journalisten Sami Zeidan stand die schwierige Situation der Christen in arabischen Ländern im Mittelpunkt. Wenn die Christen den Nahen Osten verließen, wäre das "eine Tragödie", sagte der französische Kurienkardinal. Sie hätten dort immer gelebt und wenn sie gingen, würden "Heilige Stätten zu Museen, das wäre eine Katastrophe". KATHWEB und RADIO VATIKAN berichten über das Interview.
Die Links dazu in der RUbrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Im Gespräch mit dem TAGESSPIEGEL spricht der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, über Joachim Gauck, Antisemitismus, die jüdischen Gemeinden in Deutschland, die Gefahr durch den Iran und über die deutsche Erinnerungskultur. Im Blick auf die antisemitischen Pöbeleien gegen den FC-Kaiserslautern-Stürmer Itay Shechter schlug Graumann vor, die deutsche Fußballnationalmannschaft solle während der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine einen Gedenkort besuchen. Der Vorschlag stößt freilich auf unterschiedliches Echo: Während der DFB offiziell noch nicht entschieden hat, kommentiert Henryk M. Broder unumwunden: "Die Fußballer haben in Auschwitz nichts verloren". Stattdessen schlägt er vor:
"Falls der DFB Graumanns Anregung aufgreifen und „ein Zeichen setzen“ möchte, könnte er sich etwas Originelleres einfallen lassen als einen Pflichtbesuch an einer Kranzabwurfstelle, an der retroaktive Betroffenheit zum Nulltarif demonstriert wird. Etwa ein Freundschaftsspiel gegen Israel in Sderot, jenem Ort an der Grenze zu Gaza, der immer wieder von der Hamas mit Raketen beschossen wird."
Die Links zum Thema in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Die Ausstellung "Berlin Transit" im Jüdischen Museum zu Berlin zeigt, wie jüdische Migranten aus Osteuropa in den zwanziger Jahren in die deutsche Hauptstadt kamen und sie ein Jahrzehnt lang zum Zentrum ihrer Kultur machten. Ingeborg Wiensowski hat sich für den SPIEGEL die Ausstellung angesehen: "Flucht nach Charlottengrad".
Der Link zu ihrem Bericht in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Und noch einmal Henryk M. Broder, der in der WELT von seiner Reise nach Krakau berichtet. Dort hat er den Rabbiner Boaz Pash kennengelernt, der sich um Polen kümmert, die herausgefunden haben, dass sie jüdische Vorfahren haben - und die von dieser Erkenntnis in eine Identitätskrise gestürzt werden: "Sie wissen nicht, ob sie Polen oder Juden sind".
Der Link zum Reisebericht in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Neue Erzählungen des israelischen Schriftstellers Jehoschua Kenaz stellt Stefana Sabin in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG vor. Wie der hierzulande berühmtere Amos Oz gehört auch Jehoschua Kenaz zu jener Generation israelischer Schriftsteller, die die Gründung des Staates und seine Entwicklung miterlebt haben – entsprechend werden sie als «dor ha'medina», Generation des Staates, bezeichnet. Zwar tauschten sie ihre europäischen Namen gegen israelisch klingende ein («Oz» statt Klausner, «Kenaz» statt Glass), aber ihr Patriotismus war nicht mehr bedingungslos, was auch in dem Werk von Kenaz deutlich werde. In der Wochenzeitung FREITAG wiederum zeigt sich Magnus Klaue begeistert von dem jüngsten Kinderbuch aus der Feder von David Grossman, "Die Umarmung". In nur 26 Bildern auf 36 Seiten hätten der israelische Schriftsteller David Grossman und sein Zeichnerkollege Michal Rovner eine kleine, alltägliche Geschichte erzählt, die "in ihrer Beiläufigkeit, Zurückgenommenheit und Intimität" ihresgleichen suche.
Die Links zu den Buchvorstellungen in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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