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ISSN 1612-7331
15.12.2008 - Nr. 989
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Die jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum

[HAGALIL]
Wenn in Deutschland von einem beeindruckenden Denkmal für die Opfer der Schoah oder von einem Mahnmal für das deutsche Judentum die Rede ist, ist normalerweise höchste Vorsicht geboten. Beim hier vorliegenden Werk, sind Respekt und Anerkennung angebracht. Zum einen für Ausdauer und Beharrlichkeit, zum anderen für die hohe Qualität... 



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Original-Beitrag


Nachfolgend lesen Sie einen Original-Beitrag des Journalisten Ulrich Sahm.


COMPASS dankt dem Autor für die Genehmigung zur Wiedergabe
seines Textes an dieser Stelle.


Ultraorthodoxe Juden begehen Anti-Weihnachten

Juden feiern kein Weihnachten. Das ist eine fast banale Feststellung. Jesus wird von ihnen nicht als Messias anerkannt und das Christentum ist aus jüdischer Sicht eine Sekte oder fremde Religion, ähnlich wie das Christentum zum Islam oder Mormonen keine theologische Beziehung hat.

Wenn sich Juden in Europa oder Amerika dennoch einen Weihnachtsbaum neben den Hanukka-Leuchter ins Wohnzimmer stellen und von "Weihnukka" reden, so ist das eher ein Zeichen von Emanzipation und der Annahme fremder Sitten, nicht aber eine Glaubensaussage. Es ist allerdings kein Zufall, dass das christliche Lichterfest und das einzige nicht-biblische jüdische Fest, an dem acht Lichter angezündet werden, in die Winterzeit fallen, wenn alle Menschen auf die Sonnenwende warten.

Aahron Dontscho, Touristenführer und Erforscher von Sitten und Gebräuchen im Heiligen Land, erzählt von einem "Weihnachtsfest", wie es in den Hochburgen der jüdischen Orthodoxie begangen wird: "An Heilig Abend vertreiben sich die Talmudschüler die Zeit mit Schach- und Kartenspiel. Sie lesen weltliche Zeitungen, was ihnen sonst verboten ist." Bei den Kabbalisten gebe es sogar ein Verbot, in der Weihnachtsnacht Geschlechtsverkehr zu haben. Dem daraus geborenen Kind drohe, ein Mumar zu werden, ein Konvertit zum Christentum, weil in dieser Nacht die Klipot, parasitenhafte böse Kräfte, besonders intensiv umherschwirren.

In jüdischen Enzyklopädien und auf einschlägigen Internet-Seiten wie Hagalil kommt diese "Unsitte" nicht vor. Das Anti-Fest wurde in Osteuropa erfunden und heißt "Nital" oder "Nittel". Der Begriff könnte aus dem lateinischen "Natalis" (Geburt) stammen, woraus das französische "Noel" entstand, aus dem jiddischen "Nit" für "Nichts" oder vielleicht gar vom hebräischen Wort "Nitlah" (gehängt), zumal orthodoxe Juden von Jesus als dem "Nitlah", dem Aufgehängten, reden.

Elieser Segal, der das jüdische "Nittel" erforscht hat, bezeichnet den ultraorthodoxen Brauch, an Heilig Abend nicht die Tora zu lernen als "pathologisch, wenn einer auf die eigene spirituelle Erbauung verzichtet, nur um dem Anderen seinen religiösen Glauben zu versagen". Solche Engstirnigkeit sei vielleicht in mittelalterlichen Ghettos nachvollziehbar gewesen, schreibt Segal. Doch diese Sitte auch heute noch weiterzuführen sei weltfremd.

Die sogenannten Littauer, die eigentliche Orthodoxie, wandten sich gegen den Brauch. Umso mehr halten ihre Konkurrenten, die Chassiden, diese Nacht für eine finstere metaphysische Voraussicht, die mit größter Wachsamkeit begangen werden müsse.

Die ältesten Erwähnungen dieses jüdischen Anti-Weihnachten stammen von Konvertiten des 17. Jahrhunderts. Die jüdische Volksseele hielt Jesus für einen Anti-Heiligen, der an Heilig Abend aus Abwasserrohren gekrochen komme, um Ketzer zu bestrafen und Kinder zu ängstigen. Um das zu verhindern, müssten fromme Juden wachsam und nicht durch das Studium ihrer Heiligen Schriften abgelenkt sein.

Der Frankfurter Rabbi Nathan Adler (1742-1800) hielt das Lernverbot vielmehr für ein Zeichen der Trauer wegen des vom Christentum über die Juden gebrachten Unheils. Sein Schüler, Hatam Sofer von Pressburg, empfahl, dass die Juden nach Mitternacht wieder das Torastudium aufnehmen sollten, weil "der Himmel" sie sonst mit gläubigen Christen verwechseln könnte.

Die fromme israelische Zeitung Hamodia berichtete über eine weitere Unsitte an diesem "Unfest". Während die Christen feierten, zerriss der größte Admor (Rabbi) Klopapierrollen in einzelne Blätter. So schuf er Vorrat für das ganze Jahr, denn am Sabbat ist es einem frommen Juden, Papier zu zerreißen. Dahinter stecke die kabbalistische Vorstellung, dass das Christentum "vom Körper des Judentums ausgestoßen worden sei". Dank kommerziell für den orthodoxen Markt in Israel produzierten "Einzelblatt-Klopapier" sei diese Sitte heute nicht mehr üblich. Anders Aahron Dontscho. Der habe von dieser noch lebendigen Sitte im Jerusalemer Viertel Mea Schearim gehört: "Sie tun es, um jeden Sabbat daran erinnert zu werden, wann sie die Papiere zerrissen haben."

Das Nital-Fest ist in den Orthodoxenvierteln Jerusalems kein öffentliches Thema. Doch gibt es einen jungen Orthodoxen, der sich durch besondere Neugierde auszeichnet und offen genug ist, selbst über die eigentümlichsten Gebräuche in seinen sonst eher verschlossenen Kreisen zu plaudern. Er bestätigte, dass der Brauch auch heute noch in Mea Schearim lebendig sei. "Wir trinken da Vodka und spucken auf den Boden." Jankale (er bittet darum, seinen echten Namen nicht zu veröffentlichen) besucht auch Ausstellungen, die eigentlich Tabu sein. So erschien er kürzlich bei einer fotografischen Darbietung der Frauen-Mikwe, dem Tauchbad für Frauen, wo die sich nach der zweiwöchigen monatlichen "Pause" reinigen, um wieder für den Mann "bereit" zu sein. Dort ließ er sich in voller Montur, mit schwarzem Kaftan und Seitenlöckchen nur von hinten vor dem Foto einer nackten Braut ablichten.

Im vergangenen Jahr haben wir an anderer Stelle das etwas „andere“ Weihnachtsfest bei Familie Sahm beschrieben.
http://www.exilpen.de/Weihnukka2007/sahm_malanders_071221.html

Doch diesmal müssen wir ergänzen, was an Heilig Abend 2007 passierte. Der Weihnachtsbaum stand da in aller Pracht und blinkte kräftig mit den aus Bethlehem besorgten bunten Lichterketten „made in China“. Die unter den Baum gelegten Geschenke waren gerade von den anwesenden Kinder verteilt worden, als es etwas unerwartet an der Haustür klingelte. Eine Fata Morgana verlangte lächelnd Einlass: Unser Freund „Jankale“ im schwarzen Kaftan, mit Gamaschenhosen und Pejes (Schläfenlocken). Artig nahm er seinen großen schwarzen Hut ab und begrüßte alle. Aus verständlichen Gründen bat er darum, nicht fotografiert zu werden. Er setzte sich auf einen Hocker. Wir rannten in die Toilette und brachten ihm eine frische Rolle Klopapier. Jankale hat Humor. Er griff die Rolle und riss ein Blatt nach dem anderen ab, während er den reichlich erstaunten Gästen, Juden, Christen wie Moslems erzählte, dass ausgerechnet auch in Mea Schearim Weihnachten „gefeiert“ werde, aber etwas „anders“ als gewohnt. 

(Copyright: Ulrich W. Sahm)





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