Deutsche Bibliothek
ISSN 1612-7331
07.04.2020 - Nr. 1892
Anmeldung Abonnement Online-Extra Pressestimmen Leserstimmen Über COMPASS Archiv


Editorial
Israel und Nahost
... aktuell
... Hintergrund
... Israel intern
... und die Welt
Vergangenheit ...
Antisemitismus
Interreligiöse Welt
Jüdische Welt
Christliche Welt
Online-Rezensionen
Fernseh-Tipps



anzeige


Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit

Deutscher Koordinierungsrat

Über 80 Gesellschaften haben sich im DKR zusammengeschlossen.

Besuchen Sie unsere Homepage:

Koordinierungsrat





ACHTUNG

Die nächste Tagesausgabe erfolgt in der Woche nach den Oster-Feiertagen.


Guten Tag!

Nr. 1892 - 07. April 2020



In Israel wachsen die Sorgen über die Fähigkeit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), die Corona-Krise im Westjordanland und im Gazastreifen zu bewältigen, berichtet Yossi Aloni für ISRAEL HEUTE. Aktuell gäbe es einen schwerwiegender Mangel an medizinischer Versorgung und Beatmungsgeräten, während die Zahl der Infizierten vermutlich höher ist als tatsächlich angegeben. Vor diesem Hintergrund hat Israel die internationale Gemeinschaft aufgefordert, das 90-Tage-Programm der Vereinten Nationen zu verabschieden (Teil des globalen humanitären 2 Milliarden Dollar COVID-19  Reaktionsplans der UNO), um die Palästinenser bei ihrem Kampf gegen das Virus zu unterstützen: "Israel und die Palästinenser im Kampf gegen das Coronavirus".
Der Link zum Bericht in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Als größte Schwachstelle im Kamfp gegen das Coronavirus haben sich in jüngster Zeit die orthodoxen Gemeinden in Israel entpuppt, wo die Zahl der Infizierten deutlich schneller ausbreitet als im Rest des Landes. Die Behörden dringen mit den Warnungen vor den Auswirkungen kaum durch, wie Tim Aßmann für TAGESSCHAU.de berichtet:
"Viele jüdische Religionsschulen, die Yeshiven, blieben noch tagelang geöffnet, nachdem der Staat bereits die Schließung aller Schulen angeordnet hatte. Die Gefahr durch das Corona-Virus war vielen streng religiösen lange nicht bewusst. Das liegt auch daran, dass sie wenig über die Pandemie wussten und erfuhren. Aus religiösen Gründen haben viele von ihnen keine Smartphones, boykottieren das Internet und die großen Radio- und Fernsehsender des Landes. Auf Flugblättern wird nun in einigen streng religiösen Wohngegenden vor dem Virus gewarnt."
Neben der technischen Mangelausstattung in orthodoxen Kreisen nennt Mareike Enghusen im TAGESSPIEGEL noch einen weiteren Grund für die rasante Ausbreitung des Virus bei den Ultarorthodoxen:
"Ultraorthodoxe Rabbiner, deren Wort in ihrer jeweiligen Gemeinde mehr wiegt als das jeder weltlichen Autorität, tragen einen großen Teil der Verantwortung. Manche hatten sich wochenlang der staatlichen Anweisung widersetzt, Synagogen und religiöse Schulen zu schließen; einer von ihnen ließ gar verlauten, eine Unterbrechung des Torah-Studiums sei gefährlicher als das Virus."
Darin erkennt Judith Poppe in der TAZ einen Grundkonflikt:
"Eine Achillesferse Israels ist das Verhältnis zwischen Staat und Orthodoxen. Israel hat sehr schnell drastische Maßnahmen ergriffen, um die Coronapandemie einzudämmen. Doch in der orthodoxen Community sind die Maßnahmen erst mit zweiwöchiger Verspätung umgesetzt worden. Das Ergebnis: Orthodoxe Viertel sind Hochburgen des Coronavirus. In Bnei Brak, einer orthodox geprägten Stadt an der Grenze zu Tel Aviv, war ein Drittel der Getesteten positiv. Die Hälfte aller Corona-Patient*innen in den Krankenhäusern sind Orthodoxe. ...
Der doppelte Standard, nach dem Israel in Bezug auf seine Orthodoxen agiert, rächt sich, nun da die Zahl der Corona-Infizierten steigt. Die Krise macht erneut deutlich: Der israelische Staat muss sich endlich klar darüber werden, welche Rolle die Religion im Staat spielen soll."

Und im SPIEGEL verweist Alexandra Rojkov in diesem Zusammenhang auch auf den israelischen Gesundheitsminister Yaakov Litzmann, der selbst einer strenggläubigen Partei angehört und mittlerweile selbst zu den Erkrankten gehört:
"Ende März gab Litzman eine Pressekonferenz und wurde von einem Reporter gefragt, ob die aktuelle Ausgangssperre vor dem 8. April aufgehoben werde: Dann beginnt in Israel das Pessach-Fest, ein wichtiger jüdischer Feiertag. Litzmans Antwort: Man hoffe, dass der Messias vorher erscheine, um Israel zu erlösen. Seitdem fragt sich das ganze Land, ob es klug ist, das Gesundheitsministerium einem Mann zu überlassen, der sich bei der Bekämpfung von Covid-19 eher auf Gott verlässt als auf die Wissenschaft."
Links zum Thema in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Schließlich seien noch zwei Essays genannt, die sich dem Thema zum einen sehr persönlich zum anderen sehr politisch zuwenden. In der FAZ schildert die in Tel Aviv lebende deutsch-israelische Schriftstellerin Sarah Stricker ihren Corona-Alltag und schreibt an einer Stelle:
"Die Welt ist im Ausnahmezustand. Corona sei die größte Krise unserer Zeit, heißt es. Ist man darauf besser vorbereitet in einer Gegend, die ohnehin fast immer im Krisenmodus läuft? In der der Ausnahme- der Normalzustand ist? Deutsche Facebook-Freunde haben in den letzten Tagen einen Post geteilt: 'Eure Großeltern mussten in den Krieg ziehen. Von euch wird nur verlangt, dass ihr auf dem Sofa bleibt. Ihr schafft das.'“
Und sie reflektiert die besonderen Herausforderungen, die sich gerade den Israelis unter Ausgangssperre stellten:
"Vor allem raubt das Virus den Leuten, worauf sie sich sonst noch in jeder Konfliktlage verlassen konnten: die Gemeinschaft. In den zehn Jahren, die ich hier lebe, habe ich mehr als ein Dutzend Mal die Sirenen heulen gehört. Nie war ich allein. Oft saß ich mit völlig Fremden im Bunker, hörte, wie sie zusammen gegen den Schreck anredeten, sah, wie sie Älteren die Treppe hinunterhalfen, schreiende Kinder auf den Arm nahmen, spürte, wie sie einander, ganz wörtlich, beistanden. Corona nimmt uns die Nähe."
Für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG hat der israelische Soziologe Natan Sznaider die immer massiveren Restriktionen beobachtet, mit denen die Regierung seines Landes der Corona-Krise entgegentritt. "Hier in Israel", schreibt er, "mussten wir uns nicht an das Prinzip Ausnahmezustand gewöhnen. Aber derjenige, den wir nun erleben, ist nicht einfach abrufbar aus der historischen Erfahrung der so vielen Ausnahmezustände, die hier eigentlich normal sind. Wenn, wie in Israel, der Ausnahmezustand die eigentliche Normalität ist, dann werden die Grenzen zwischen Ausnahme und Normalität sowieso verwischt."
Er sieht in der aktuellen Situation so etwas wie einen «Restart» der Moderne unter anderen Vorzeichen. Mit dem englischen Theoretiker Thomas Hobbes argumentiert er, die Todesangst sei schon ursprünglich die Triebfeder für die Schaffung moderner Institutionen gewesen und die Entwicklung liberaler Demokratien immer auch Reaktionen auf traumatische Erfahrungen ihres Gegenteils. Daraus habe sich der uns vertraute Gesellschaftsvertrag zwischen staatlichen Instutionen und dem Volk entwickelt. Dieser Gesellschaftsvertrag zwischen Souverän und Individuum scheint nun zur Debatte zu stehen. Er schließt mit einem Zitat Hannah Arendts aus dem Jahre 1942, bei dem sie von der Betrachtung des Schicksals des jüdischen Volkes auf die condition humaine schließt, ein Zitat, dessen bittere Nüchternheit hier um der Länge willen nicht wiedergegeben sei, das müssen Sie dann online selbst lesen.
Die Links zu den Essays in der Rubrik ISRAEL INTERN.

**********************

Heinrich Himmer war wohl der Radikalste unter Hitlers Radikalen, ein unermüdlicher Antreiber des Todes, dessen Name auf ewig mit dem Holocaust verbunden bleibt. In einem russischen Archiv ist nun sein Dienstkalender aus den Jahren 1943 bis 1945 aufgetaucht. Aufgefunden hat den Kalender der Historiker Matthias Uhl vom Deutschen Historischen Institut Moskau. Im Interview mit dem SPIEGEL erläutert er die Hintergründe und die Bedeutung dieses Fundes: "Einer der schlimmsten Massenmörder der Geschichte"
Der Link zum Interview in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Ende März hätte die erste große John-Heartfield-Ausstellung seit Jahrzehnten unter dem Titel "Fotografie plus Dynamit" in der Berliner Akademie der Künste am Pariser Platz eröffnet werden sollen. Mit seinen Collagen wurde er zum Chronist der Weimarer Republik und des Aufstiegs der Nationalsozialisten sowie vor allem deren Verflechtung mit dem damaligen Großkapital und der Industrie. Was aus der Ausstellung nach der Absage wurde, "ist ein Lehrstück gelungener Kompensation, ein Multimedia-Mix aus geschrumpftem digitalen Ausstellungsparcours (https://www.johnheartfield.de/), opulentem freigestellten Online-Archiv (https://heartfield.adk.de), gedrucktem Katalog und einer Special-Interest-Publikation, die Heartfields spätes Adressbuch vorstellt", schreibt begeistert Lothar Müller in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Sprengsätze im öffentlichen Raum".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Die wichtigsten Dinge, die wir über Adolf Hitler zu wissen glauben, sind falsch. Das behauptet zumindest der britische Historiker Brendan Simms in seiner umfassend recherchierten und thesenstark argumentierten Biographie zu Adolf Hitler, die nun in deutscher Übersetzung vorliegt. So kreiste Hitlers Denken nicht etwa, wie allgemein angenommen, um den »Bolschewismus«, sein wichtigster Bezugspunkt war vielmehr »Anglo-Amerika«, so Simms. Die Vereinigten Staaten und das Britische Empire galten Hitler als Vorbilder für ein deutsches Weltreich, das sich ebenfalls auf Landgewinn, Rassismus und Gewalt gründen sollte. Im Interview mit der TAZ erläutert er seine Thesen: „Es war eine Art Hassliebe“.
Der Link zum Interview in der Rubrik VERGANGENHEIT...

**********************

Kurz vor Ostern werden auch heute noch in Teilen Bayerns sogenannte „Judasfeuer“ entzündet, die in einer antisemitischen Tradition stehen. Der Brauch, bei dem teilweise Puppen in Menschengestalt verbrannt werden, dient der symbolisch-rituellen „Bestrafung“ der biblischen Figur Judas Iskariot für seinen Verrat an Jesus Christus. Judas Iskariot wird in antijudaistischer Tradition christlicher Prägung mit „den Juden“ identifiziert. Dies geht aus einer aktuellen Veröffentlichung der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) hervor, über die die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG berichtet. RIAS Bayern hat zudem über diese Problematik eine anschauliche und instruktive Infobroschüre erstellt ("Das Judasfeuer. Ein antisemitischer Osterbrauch in Bayern"), die zum Download bereitsteht: "Brauchtum mit antisemitischen Wurzeln".
Links zum Thema und zum Download in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Ein als vertraulich eingestuftes Strategiepapier aus dem Haus des Bundesinnenministerium (BMI), das sich ausführlich mit diversen Szenarien des Verlaufs der Corona-Pandemie in Deutschland befasst, läßt unangenehme und bedrängende Fragen und Gedanken aufkommen im Blick auf die weitere Entwicklung des Antisemitismus vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, meint Naftali Neugebauer in einem Beitrag für den GLOCALIST: "Corona: Der Abgrund, der Judenhass und Israel". Das BMI-Strategiepapier entwirft - man kann es nicht anders sagen - in ungeschminkter Offenheit im Kern vier verschiedene Szenarien, wie der weitere Verlauf der Pandemie in Deutschland zu denken ist, welche Auswirkungen dabei auf Gesellschaft und Ökonomie zu erwarten sind und welche politischen Maßnahmen die jeweiligen Szenarien von "best case" zu "worst case" beeinflussen. Neugebauer fasst die wesentlichen Eckdaten des Papiers zusammen und bezieht sie dann ebenso ungeschminkt auf eine mögliche Entwicklung des Antisemitismus in Deutschland. Die geneigten Leser/innen seien vorgewarnt: die Thesen von Neugebauer haben es bereits in sich und man mag sie im Blick auf den Antisemitismus als all zu heftige Schwarzseherei kritisieren - die Lektüre freilich des bislang als "vertraulich" eingestuften und unter der Decke gehaltenen BMI-Strategiepapiers selbst (das Sie im Wortlaut hier finden: https://fragdenstaat.de/dokumente/4123-wie-wir-covid-19-unter-kontrolle-bekommen/) bedarf nun wirklich starker Nerven und einer gehörigen Portion mentaler Widerstandskraft. Die Szenarien stellen in schnörkelloser Offenheit die ganze Wucht der Gefahren dar, die sich mit der Corona-Pandemie für unser Leben und unsere Gesellschaft verbinden und derer sich vermutlich nur die Wenigsten bislang bewußt sind. Eine harte Kost.
Den Link zum Beitrag im GLOCALIST in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

1937 kam mit der Broschüre „Islam und Judentum“ eine neue Form von Judenhass in die Welt: der islamische Antisemitismus. Die Nationalsozialisten taten alles, um diese neue Hassbotschaft mithilfe ihrer arabischsprachigen Radiopropaganda zu verankern. Das neue Buch des Politikwissenschaftlers Matthias Küntzel beleuchtet dieses bislang unbekannte Kapitel deutscher Vergangenheit. Es präsentiert neue Archivfunde, die belegen, wie sich das Judenbild im Islam zwischen 1937 und 1948 unter dem Einfluss dieser Propaganda und sonstiger Nazi-Aktivitäten veränderte. Dieser neue Blick auf die Nahostgeschichte ermöglicht eine präzisere Beurteilung der Gegenwart: Was genau ist „islamischer Antisemitismus“? Wie tritt er gegenwärtig in Deutschland und Frankreich in Erscheinung? Was macht ihn besonders gefährlich? Das schweizer Portal AUDIATUR und das PORTAL FÜR POLITIKWISSENSCHAFT stellen das Buch von Küntzel über die Entstehung des islamischen Antisemitismus ausführlich vor: "Wie ist der islamische Antisemitismus entstanden und welche Rolle spielte der deutsche Nationalsozialismus dabei?"
Die Links dazu in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Rechte Parolen, die viele noch vor zwanzig Jahren erschreckt hätten, gehören inzwischen in Deutschland zur Normalität. Das zeigt sich auch in den Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager, die zunehmend mit geschichtsrevisionistischen Provokationen zu kämpfen haben. Im Interview des HUMANISTISCHEN PRESSEDIENSTES mit Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der "Stiftung niedersächsische Gedenkstätten" und Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, werden die unheilvollen Entwicklungen beleuchtet. Auf die Frage, woran es seiner Meinung nach liege, dass geschichtsrevisionistische Positionen einen fruchtbaren Boden finden, nennt Wagner - neben dem Verschwinden der Überlebenden und damaligen Zeitzeugen und der "Blasenbildung" in den sozialen Medien - als dritten Grund:
"Wir erleben es seit einigen Jahren, dass aus den Reihen einer Partei, die mittlerweile in so gut wie jedem Parlament in Deutschland vertreten ist, nämlich der AfD, ein Geschichtsrevisionismus-Vorstoß, eine Geschichtsrevisionismus-Provokation nach der anderen in die Öffentlichkeit getragen wird. [...] Und wenn man das betrachtet, dann kann man deutlich feststellen, dass sich allgemein mit jedem dieser Vorstöße die Grenzen des Machbaren in Deutschland immer weiter ein kleines Stückchen nach rechts verschoben haben. Denn viele denken sich, wenn jemand im Bundestag so etwas sagt, wenn jemand von einer Partei das sagt, die in manchen Bundesländern 25 Prozent der Stimmen bekommt und fast stärkste Partei ist, wenn die das sagen, dann darf ich das ja wohl auch sagen. Und dass das dann auch an Besucherinnen und Besuchern der Gedenkstätten nicht spurlos vorübergeht, ist alles andere als überraschend."
Der Link zum Interview in der Rubrik RECHTSRADIKALISMUS.

**********************

Am Mittwoch beginnt für Juden das Pessachfest, für Christen steht Ostern vor der Tür. Muslime warten auf den Ramadan. Wo ansonstenn bei diesen Terminen gerade in Jerusalem viele Menschen zusammenkommen, sorgt Corona in diesem Jahr für gespenstische Leere. Wie die Gläubigen aller drei Weltreligionen die bevorstehenden Feiertage vor Ort zu feiern versuchen, schildern Berichte in der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG, der österreichischen KLEINEN ZEITUNG und KATHPRESS: "Corona trifft Pessach, Ostern und Ramadan".
Die Links zu den Berichten in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Und natürlich stehen auch hierzulande die Feierlichkeiten der kommenden Tage für Christen, Muslime und Juden unter einem historisch wohl einzigartigen Stern, sind doch alle Gebetshäuser geschlossen und Gottesdienste sowie Gebetsversammlungen aufgrund der Corona-Pandemie untersagt. In der WELT kritisiert genau dies Alan Posener, der von solcherlei pauschalen Verboten wenig hält und sieht an dieser Stelle einen anderen, grundsätzlichen Konflikt am Wirken:
"Nein, das, wovon in Sachen Corona die Rede ist, ist zugleich weniger und mehr als ein Konflikt zwischen Ratio und Fides. Es geht um das grundsätzlich in jeder Religion – in jeder modernen Religion jedenfalls – angelegte Gebot, den Willen Gottes über menschliche Ordnungen zu stellen."
Ist das berechtigt? Handelt es sich also gar um einen Konflikt zwischen Glaube und Vernunft, der sich hier auftut? Und wie geht man damit um? Im Rückgriff auf die Apostelgeschichte, Luther und den Papst sowie Gelehrte der Al-Azhar-Universität in Kairo plädiert Posener für eine differenzierte Herangehensweise an die Problematik von Gottesdiensten und Gebetsversammlungen in allen Religionen. U.a. schreibt er:
"Niemand wird von seinem Gott angehalten, Gartencenter und Supermärkte zu bevölkern. Und doch bleiben sie in vielen Bundesländern offen, auch für nicht lebenswichtige Einkäufe. Kirchen, Moscheen und Synagogen aber sind geschlossen, obwohl die anstehenden Feste Ostern, Pessach und Ramadan von den Gläubigen die Einhaltung bestimmter Rituale fordern, die nach ihrem Verständnis Gott selbst vorgeschrieben hat."
Die kreative Kraft freilich, mit der die einzelnen Religionen derzeit das Handicap zu umgehen versuchen, sich nicht mehr zu Gebet und Gottesdienst zu versammeln, überträgt sich erfreulicher Weise auch auf entsprechende interreligiöse Initiativen, wie beispielsweise der Theologe Alexander Deeg vom Institut für Praktische Theologie der Universität Leipzig im Interview mit dem INFORMATIONSDIENST WISSENSCHAFT verdeutlicht. In der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG berichtet ganz in diesem Sinne Michael Thaidigsmann von einer interreligiösen Initiative am vergangenen Mittwoch. Die Organisation »Religions for Peace« hatte Vertreter der großen Religionsgemeinschaften – Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Bahai und andere – zu einem gemeinsamen, weltumspannenden Gebet eingeladen, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen in schweren Zeiten. Und beinahe diesem Beispiel folgend wird nun auch Ähnliches in Deutschland versucht, wie KATHOLISCH.de berichtet: Diesen Mittwoch ist eine bundesweite Online-Gebetsaktion geplant. Viele Prominente haben schon ihre Unterstützung zugesagt, an der Juden, Christen und Muslime beteiligt sind: "Deutschland betet gemeinsam".
Die Links zum Thema in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

**********************

Politische Konflikte prägten die jüngere Geschichte des Jüdischen Museums in Berlin. Nun soll das Haus unter neuer Führung aus dem Krisenmodus herausfinden: Die neue Direktorin, Hetty Berg, geht kreativ an diese Aufgabe heran, wie Christiane Habermalz für DEUTSCHLANDRADIO berichtet. Unerdessen fordert der Historiker Michael Wolffsohn laut JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG eine Neuausrichtung des Museums, es sei Zeit für Reformen: "Hetty Berg tritt ihr Amt an".
Die Links dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

An jüdischen Ärzten herrscht weder im «normalen» Leben noch in der Literatur des 20. Jahrhunderts Mangel. In der Literatur hat sich der jüdische Arzt sogar als «Identifikationsfigur» noch mehr angeboten als der jüdische Rechtsanwalt oder Protagonisten anderer freier Berufe, in welchen sich Juden einst überhaupt betätigen durften. In einem informativen Beitrag für die schweizer jüdische Wochenzeitung TACHLES gibt Martin Dreyfus einen Überblick und schildert Beispiele. Während Döblin und Schnitzler etwa bis heute zu den bekanntesten und im Falle Schnitzlers zu den auf dem Theater oft gespielten Autoren zählen, gilt dies für den in diesem Zusammenhang besonders interessanten Autor, den Arzt und Schriftsteller Martin Gumpert, kaum, dessen Leben und Werk Dreyfus ebenfalls dem Leser näherbringt: «Arzt, Dichter: mischt er Giftarznei».
Der Link zum Beitrag in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Auch für die jüdische Welt hierzulande wie international stellen sich in Anbetracht der Corona-Pandemie nicht zuletzt im Blick auf das bevorstehende Pessach-Fest historisch einzigartige Herausforderungen. Dies wird auch in einem Beitrag von Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, deutlich, der in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG zu lesen ist. Bei aller Belastung, die die derzeitige Krise mit sich bringe, dürfe freilich nicht vergessen werden, dass das jüdische Volk bereits schlimmere Krisen hinter sich habe:
"Angesichts dieser massiven Beschränkungen unserer persönlichen Freiheit sind wir uns gerade in der jüdischen Gemeinschaft jedoch einer Tatsache bewusst: Unter uns wissen wir nämlich Menschen, die Überlebenden der Schoa, die schon einen viel größeren Freiheitsentzug erlebt haben. Nicht nur einen vollständigen Freiheitsentzug, sondern einen Entzug der Menschlichkeit."
Kann ich den Sederabend im Kreise meiner Familie verbringen? Darf man in Zeiten der Corona-Krise eine Brit Mila oder eine Hochzeit abhalten? Soll man beim Betreten eines Raumes noch die Mesusa küssen? Falls ein Angehöriger an Covid-19 stirbt, welche Voraussetzungen gelten dann bei der Tahara, der Reinigung des Leichnams vor der Bestattung? Diese und andere Fragen beschäftigen im Moment viele Juden – nicht nur in Deutschland. In Zusammenarbeit mit Rabbinern hat der Zentralrat der Juden in Deutschland jetzt eine Handreichung für die Mitglieder der jüdischen Gemeinden herausgegeben, die Michael Thaidigsmann in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG vorstellt.
In einer Reportage für DEUTSCHLANDRADIO gibt Jens Rosbach einen umfangreichen Einblick, wie konservative und liberale Rabbiner und ihre Gemeinden mit den derzeitigen Einschränkungen umgehen und wie einzelne Maßnahmen auch mit Hilfe der jüdischen Tradition theologisch zu legitimieren sind: "Synagogen trotzen dem Virus".
Und in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG verraten schließlich eine Reihe von Künstlern, Schriftstellern und Musikern, wie sie die Feiertage während der Corona-Krise verbringen. Mit dabei u.a. der Publizist und Schriftsteller Rafael Seligmann, die Schauspielerin und Autorin Adriana Altaras, der israelische Schriftsteller Chaim Noll und der Historiker Michael Wolffsohn: "Pessach mal anders".
Alle Links zum Thema in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

**********************

Immer wieder gibt es theologische Stimmen, die Corona als „Geißel Gottes“ bezeichnen oder als gerechte Strafe für eine sündige Menschheit. Darin scheint eine alte theologische Frage auf: die Frage nach dem Leiden. In einem Beitrag für DEUTSCHLANDRADIO referiert Henning Klingen die Überlegungen des Wiener Theologen Jan-Heiner Tück, der vor allem am die Lektüre von Camus' "Die Pest" auch heute noch als eine nicht nur literarisch, sondern auch zeitdiagnostisch und letztlich theologisch lohnende Lektüre ansieht. Tück plädiert für eine „theodizee-sensible“ Theologie, "also eine Art von Gott zu reden, die der Realität des Leidens in der Welt nicht ausweicht". Da dürfe nichts beschönigt werden: "Sie sollte weder die totale Gottesfinsternis ausrufen und das Leiden als Strafe Gottes deuten, noch sollte sie alles im gleißenden Licht der Auferstehung deuten und so das Leiden aufheben." Tück plädiert im Anschuss an Johann Baptist Metz für eine "Karsamstagstheologie", eine leidempfindliche Theologie, die die Balance hält zwischen der verzweifelten Todeserfahrung des Karfreitags und der triumphalistischen Deutung des Ostersonntags: "Die Pest und die Rachegöttinnen".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

**********************

Die Romane des französischen Autors Olivier Guez kreisen um extreme Charaktere. Berühmt wurde er mit seinem Bestseller über den KZ-Arzt Josef Mengele. In „Koskas und die Wirren der Liebe“ steht ein jüdischer Journalist im Mittelpunkt: ein Trinker und Frauenverführer voller durchgeknallter Ideen. Christoph Vormweg hat den Roman für DEUTSCHLANDRADIO gelesen: "Lehr- und Wanderjahre eines jüdischen Erotomanen".
Der Link Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



Abo-Hinweis

 Die Information, in welchem externen Medium Sie den vollständigen Text kostenfrei lesen können sowie einen Link dorthin ist angemeldeten Abonnenten vorbehalten!
Sie möchten die Information über die Fundstelle inkl. Quellenangabe und Link zum Artikel sehen und nutzen, um den angegebenen Artikel zu lesen?
Dann abonnieren Sie unsere Seiten oder testen Sie uns vorab mit einem kostenfreien Schnupper-Abonnement!
Abo bestellen

Sie sind bereits Abonnent?
Dann melden Sie sich bitte erst mit Ihrem Benutzernamen und Passwort an, um die Fundstelle inkl. Quellenangabe und Link sehen und nutzen zu können!

Anmeldung


» Home | » Impressum | » Online-Extra | » Pressestimmen | » Leserstimmen | » COMPASS-Service | » Archiv
   
   

 

 


EDITORIAL HIGHLIGHTS

07. April 2020

 * Israel und die Palästinenser im Kampf gegen das Coronavirus ... mehr
 
 * Der Messias gegen Covid-19 ... mehr
 
 * Lasst eure Handys am Schabbat an! ... mehr
 
 * Soziologe Natan Sznaider zu Corona-Krise in Israel ... mehr
 
 * "Einer der schlimmsten Massenmörder der Geschichte" ... mehr
 
 * John Heartfield - Chronist der Weimarer Republik und der Nazis ... mehr
 
 * Britischer Historiker Brendan Simms über Adolf Hitler ... mehr
 
 * Brauchtum mit antisemitischen Wurzeln ... mehr
 
 * Corona: Der Abgrund, der Judenhass und Israel ... mehr
 
 * Wie ist der islamische Antisemitismus entstanden? ... mehr
 
 * "Die Grenzen des Machbaren haben sich nach rechts verschoben" ... mehr
 
 * Corona trifft Pessach, Ostern und Ramadan ... mehr
 
 * Corona stellt das Grundsätzliche jeder Religion auf die Probe ... mehr
 
 * Hetty Berg tritt ihr Amt an ... mehr
 
 * «Arzt, Dichter: mischt er Giftarznei» ... mehr
 
 * Pessach, Religion und Corona-Pandemie: Belastungsprobe ... mehr
 
 * Die Pest und die Rachegöttinnen ... mehr
 
 * Buch-Tipp: Olivier Guez - Koskas und die Wirren der Liebe... mehr

weiter zum vollständigen
EDITORIAL
*********
ACHTUNG:
Die nächste Tagesausgabe erscheint in der Woche nach den Oster-Feiertagen.