Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331

ONLINE-EXTRA Nr. 50

April 2007

Die Bemühungen um einen Dialog zwischen den drei sogen. "abrahamitischen Religionen" - Judentum, Christenum und Islam - stehen leitmotivisch zumeist im Banne der Lessing'schen Ringparabel. Das Bild der drei kaum voneinander unterscheidbaren, die Religionen symbolisierenden Ringe suggeriert, dass alle Differenzen, Widersprüche und Gegensätzlichkeiten zwischen den drei Religionen auf Mißverständnisse zurückzuführen sind, die durch theologische Reflexion, Gespräch und gegenseitige Toleranz ausgeräumt werden können.

Trifft diese Annahme tatsächlich zu? Der jüdische Schriftsteller Chaim Noll unterzieht die Grundlagentexte dieser Religionen - die Bibel (für Judentum und Christentum) und den Koran (für den Islam) - einer Prüfung und fragt, wie nah oder doch unvereinbar stehen sich das auf Bibel und Koran beruhende Welt-, Menschen- und Gottesbild einander gegenüber.

COMPASS veröffentlicht seinen Essay, der in gedruckter Fassung stark gekürzt in einem der nächsten Ausgaben der Zeitschrift "Mut" erscheinen wird,  online exklusiv in zwei Teilen als ONLINE-EXTRA Nr. 49 und Nr. 50.

COMPASS dankt dem Autor für die Genehmigung zur Wiedergabe seines Essays an dieser Stelle!


© 2007 Copyright beim Autor 
online exklusiv für ONLINE-EXTRA



Der vollständige Text (Teil u. Teil 2) als pdf-Datei
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Online-Extra Nr. 50


Bibel und Koran.

Die Nähe und das Unvereinbare zweier Konzepte.
Teil 2

CHAIM NOLL

(Teil 1 des vorliegenden Textes finden Sie hier: Teil 1
Komplettfassung Teil 1 u. Teil 2 steht in der rechten Spalte als download zur Verfügung)



Die für Europäer ohnehin schwierige Rezeption des Koran wird noch schwieriger durch die nicht gesicherte Eindeutigkeit des Textes. Bis heute variieren seine „Lesarten“ (tafsir al koran) so erheblich, dass bereits das Lesen des Textes eine erste Interpretation darstellt.1 Nicht nur Aussenstehende, auch Muslime können in vielen Fällen keine Einigung erzielen, wie ein bestimmtes Wort zu lesen und zu sprechen ist, folglich, welche Bedeutung es hat. „Es gibt keinen uniformen Koran-Text“, schreibt Ignaz Goldziher in seinem Standardwerk „Die Richtungen der Islamischen Koranauslegung“ von 1920. „Der schon an sich (…) nicht einheitliche textus receptus, die lectio vulgata (al kira’a al mashhura) des Koran geht auf die Redaktion zurück, die durch die Bemühungen des dritten Kalifen, Othman, zustande kam, um der drohenden Gefahr vorzubeugen, dass das Gotteswort in verschiedenen Kreisen in textlich voneinander abweichenden Formen überliefert würde (…) Jedoch diese Bestrebung ist nicht auf der ganzen Linie gelungen.“2

Unter den Ursachen für die Mehrdeutigkeit des Textes sind sprachliche, vor allem die „Eigentümlichkeit der arabischen Schrift, in der dasselbe grafische Skelett je nach der Verschiedenheit und der Anzahl der über oder unter dasselbe gesetzten Punkte verschiedene Lautwerte darstellt und wo auch bei gleichen lautlichen Werten die Verschiedenheit der in der ursprünglichen arabischen Schrift fehlenden Vokalbezeichnung eine Verschiedenheit der grammatischen Situation eines Wortes und, in Zusammenhang damit, in der Bedeutung desselben hervorruft.“ Hinzukommen zahlreiche andere Gründe für die Strittigkeit einzelner Worte und Passagen des Koran-Textes, nicht zuletzt politische. So hat die shiitische Richtung des Islam seit der frühesten Zeit ihres Auftretens die Integrität der othmanischen Textgestaltung bezweifelt und abgelehnt. Diese enthalte, behaupten die Shiiten, gegenüber dem echten Koran Mohameds unzulässige Änderungen und Zusätze, während andere Passagen des authentischen Textes durch Weglassung getilgt worden seien.4

Allerdings können sich auch die Shiiten nicht auf einen „von ihnen bedingungslos anerkannten und integren Korantext“ einigen, daher nichts zur Überwindung des Problems beitragen. Der inner-islamische Krieg um die Nachfolge des Propheten, begonnen im siebenten Jahrhundert, hat bis heute kein Ende gefunden. Er nährt sich aus dem unheilbaren Schisma, das bereits mit der jeweils für heilig erklärten arabischen Fassung des Korantextes beginnt und seit Jahrhunderten ein unerschöpfliches Potential für inner-islamische Spaltung, Sektenbildung und politischen Fraktionalismus darstellt, einen Vorwand für Kriege und blutige Gewalt. Letztlich lassen sich inner-islamische Kämpfe im Mittleren Osten, wie sie heute etwa zwischen Shiiten und Sunniten im Irak oder dem shiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien in einer die ganze Region entflammenden Erbitterung und Grausamkeit ausgebrochen sind, bei Bedarf immer auf diese Jahrhunderte alten Uneinigkeiten in der Textfassung zurückführen. Der inner-islamische Hass ist zuweilen stärker als der auf die „Ungläubigen“.

Die Unfähigkeit der islamischen Fraktionen, sich auf eine verbindliche Textfassung zu einigen, deutet auf eine gering entwickelte Kultur der Konsensfindung, eine geringe Bereitschaft zu sinnvollen Kompromissen, die sich auch auf andere Bereiche des Lebens auswirken muss. Morris S.Seale, mit seinem anthropologischen Ansatz, führt diese Schwäche auf die bis heute spürbare nomadische Prägung des Islam zurück: „Um in der Wüste überleben zu können, musste der Nomade zu jeder Zeit Stärke beweisen, allzeit bereit sein, seine Rechte und seine Ehre zu behaupten, und durfte niemals einen Hauch von Moderation oder Kompromiss sichtbar werden lassen, die als Schwäche hätten ausgelegt werden können (…) Es war die Philosophie (der Wüste) zu morden oder gemordet zu werden, zu rauben oder der Beraubte zu sein.“6

Rosenzweigs Beobachtung von der Darstellung der Schöpfung im Islam als  „freie, unnotwendige Tat der göttlichen Willkür“7 findet ihre symbolische Entsprechung in einer für unsere Begriffe willkürlichen Behandlung des arabischen Textes. „Wir dürfen aus den Erfahrungen derselben die Folgerung ziehen“, schreibt Goldziher, „dass in Bezug auf die Konstituierung des heiligen Textes im alten Islam eine weitherzige (…) Freiheit geherrscht hat, als ob es den Leuten ganz gleichgültig gewesen sei, den Text in einer seinem Urbild völlig adäquaten Form zu überliefern.“8 Er zitiert in diesem Zusammenhang einen der Schreiber Mohameds, Abdallah bin Abi Sarh, über die weitgehende Willkür, die bereits jene ersten Aufzeichner walten liessen: „Ich konnte ihn (den Text – Ch.N.) dahin wenden, wohin ich es wollte.“9
Es handelt sich wohlgemerkt nicht um Auslegungen oder später durch Übersetzungen entstandene Probleme, sondern um den „heiligen Text“ selbst, in der laut Koran originalen Sprache, Arabisch, über den keine wirkliche Klarheit und Einigung erzielt werden kann. In diesem „Bild des Schwankens und der Unsicherheit“10 liegt eine immense Gefahr, zugleich auch eine Hoffnung. Die Gefahr ist die Verfügbarkeit dieses religiösen Textes für extremistische, kriegerische, inhumane Anwendungen. Die Hoffnung ist andererseits, dass der niemals verbindlich kanonisierte Text auch immer moderate Lesarten zulässt.  Da sie sich aus der Uneindeutigkeit des Koran-Textes selbst ergeben, enthalten sie eine ewige, auch von den Extremisten niemals zu beseitigende Möglichkeit, von der zu hoffen ist, dass sie sich eines Tages innerhalb der islamischen Bewegung durchsetzen wird.

Für die Bibel besteht ein solches Problem nicht – dank der Arbeit der masoretischen Schriftgelehrten in den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende. Spätestens seit der Synode von Javneh um 90 unserer Zeit ist der hebräische (in einigen Abschnitten aramäische) Original-Text in bis heute verbindlicher Eindeutigkeit fixiert. Bereits seit dem dritten bis zweiten vorchristlichen Jahrhundert existiert auch eine von Juden verfertigte, weithin verbindliche, später von den Christen übernommene griechische Übersetzung, die Septuaginta (in die auch einige nicht-masoretische Texte aufgenommen wurden, die sogenannten Apokryphen). Sie liegt in der leicht bearbeiteten Version des Origines, der Hexapla, den meisten späteren Übersetzungen zugrunde (insgesamt soll die christliche Bibel in 1750 Sprachen übersetzt worden sein), auch der lateinischen Vulgata-Fassung des Hieronymus, die für die katholische Kirche verbindlich ist. Einen eigenen Weg ging die syrische Kirche, die im Aramäischen blieb und einer aus dieser Sprache kommenden, peshita („die Einfache“) genannten Fassung folgt.

Unbestreitbar hat es auch im Judentum verderblichen Fanatismus gegeben und im Christentum Kreuzzüge, Hexenwahn und Inquisition, aber erstens sind solche Missbräuche nicht durch den biblischen Text selbst geboten, zweitens hat, wo das Missverständnis lebensgefährlicher Interpretation im biblischen Text bestehen mag, die über Jahrtausende gewachsene Text-Betrachtung dem biblischen Kanon ein ergänzendes Gesetzeswerk von Adaptionen, Diskussionen und Spezifizierungen zur Seite gestellt, „Zäune für die Torah“, wie man im rabbinischen Judentum sagt, die auch jeden Missbrauch des Textes ins Lebensbedrohliche verhindern sollen.11 Die „mündlich überlieferte Torah“, die talmudische Literatur, besteht im Judentum gleichberechtigt neben der schriftlichen, dem sinaitischen Gesetz, wie für die Christen das „Neue Testament“ neben dem „Alten“ – zwei Wege einer fortwährenden textkritischen Betrachtung und Diskussion.

Derlei Text-analytische Ansätze sind im Islam traditionell behindert, trotz der oben geschilderten Unsicherheit des eigentlichen Wortlauts. Der Prophet selbst hat im Hadith vor derlei „Mutwillen“ gewarnt. „Der Koran sei nicht da“, zitiert Goldziher, „um an den göttlichen Text spekulative Tüfteleien anzuknüpfen, ‚einen Teil desselben mit dem anderen zu schlagen’. Da gelte vielmehr das Koran-Wort: Und wenn du solche siehst, die über unsere Zeichen grübeln, so wende dich von ihnen ab.“12



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Lea Fleischmann/Chaim Noll:
Meine Sprache wohnt woanders.



Lea Fleischmann /
Chaim Noll:

Meine Sprache wohnt woanders
Gedanken zu Deutschland und Israel


Scherz Verlag 2007
255 Seiten,
17,90 €


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Die bewegenden Erlebnisse von zwei deutschen Schriftstellern, die nach Israel ausgewandert sind und dort eine neue Heimat fanden. Lea Fleischmann und Chaim Noll symbolisieren auf außergewöhnlich Art das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Israel: Sie leben in Israel und schreiben auf Deutsch.

In ihrem neuen Buch setzten sich auf ebenso einfühlsame wie kritische Weise mit ihrer Vergangenheit in Deutschland und der Gegenwart in Israel auseinander. Sie wanderten aus indas Land, in dem Milch und Honig fließen. Doch in Israel fanden sie nicht nur eine neue spirituelle Heimat. Lea Fleischmann und Chaim Noll erleben ihr Land jeden Tag in seiner ganzen Widersprüchlichkeit, und beziehen leidenschaftlich Stellung. Trotzdem sind sie ihrer alten Heimat verbunden, dem Land, in dem ihre Sprache wohnt. Ihre Erinnerungen sind auch die Erinnerung an zwei deutsche Staaten: Lea Fleischmann wuchs in der BRD auf, Chaim Noll in der DDR. Sie sehen Deutschland und Israel mit kritischer Anteilnahme und schonungsloser Offenheit. Ein einzigartiges Zeitdokument und gleichzeitig Literatur von hohem Rang.



Menschenbild: „Gott ist gütig gegen alle, und sein Erbarmen waltet über all seinen Geschöpfen“, heisst es in Psalm 145,9. In dieser Textstelle wird –  stellvertretend für viele – das entscheidende Kriterium des biblischen Menschenbildes ausgesprochen: die Gleichwertigkeit aller Menschen vor dem Schöpfer. Das Volk der Bibel hält sich nicht für besser oder moralischer als andere Völker und Religionen. Die hebräische Bibel versucht nirgendwo, Israel zu glorifizieren. Eher im Gegenteil: alle seine Schwächen und Verfehlungen werden in einer Offenheit dargestellt, die nicht wenige Judenfeinde zu dem irrigen Eindruck verführt, es handle sich um ein schwaches, von seinem eigenen Gott „verworfenes“ Volk. Auch Mohamed, der seinerseits eine gänzlich andere  Selbstdarstellung zelebrierte, verfiel dieser Täuschung.

Die „Erwähltheit“ des biblischen Volkes ist als Verpflichtung gemeint, als kritischer Anspruch an sich selbst, nicht als Erhöhung über andere. Der Text betont, dass die Flüchtlinge aus Ägypten, die am Berg Sinai das Gesetz empfingen, nur zu einem Teil Hebräer waren, zum anderen Teil Unterdrückte und Verzweifelte anderer Völker, die sich ihnen angeschlossen hatten, im hebräischen Original erev rav13, a mixed multitude in der Übersetztung der King James Bible, fremdes Volk in der Luther-Bibel, und diese Fremden „stiegen mit Israel auf“, wie das Verb alah im Hebräischen wörtlich meint, sie nahmen das Gesetz an wie die Hebräer, und schon von daher ist das Sein und Wesen Israels seit seiner eigentlichen Geburtsstunde mit Fremden verbunden.

Den Fremden sollt ihr nicht bedrücken, heisst es immer wieder in den Mosaischen Büchern, denn ihr seid selbst Fremde gewesen in Ägypterland.14 Das Ägypten-Erlebnis wird leitmotivisch wach gehalten, als stehende Formel an prominenter Stelle, sogar im ersten der „Zehn Gebote“ – zur Erinnerung an eigene Schwäche und Hilfsbedürftigkeit. Das im biblischen Text allzeit angemahnte Bewusstsein eigener Fehlbarkeit macht das „Volk des Buches“ duldsam gegenüber denen, die „anders“ sind. Seit den Mosaischen Büchern betont das jüdisch-christliche Konzept als essentiellen Bestandteil seines Wesens die Rücksicht auf die sonst Verachteten, zum einem die Fremden, zum anderen die Schwächeren im eigenen Volk. „Was ist der Inbegriff aller Religion und der Inbegriff der Gotteslehre selbst?“, fragt der jüdische Philosoph Hermann Cohen zu Beginn des 20.Jahrhunderts. „Liebe deinen Anderen, und du bezeugst, dass du Gott liebst. So hat (Rabbi) Hillel die Quintessenz der Religion einem Heiden gegenüber bezeichnet und so auch Jesus auf die Frage der Schriftgelehrten“.15

Diese für die Völker der alten Welt unübliche Wertschätzung des Anderen – gemeint im Sinne von „Anderssein“ – begann bei den Frauen. Die zunächst im ersten Buch Mose 3,16 ausgesprochene, von den frühen Völkern als „gottgewollt“ angesehene Superiorität des Mannes gegenüber der Frau wird schon wenig später im selben Buch für die hebräischen Patriarchen korrigiert.16 Es gehört zum biblischen Verständnis der Schöpfung als eines immerwährenden, in ständiger Bewegung befindlichen Vorgangs, dass solche Entwicklungen möglich sind und im Text vollzogen werden.17 In der Abraham-Sarah-Geschichte wird dem Stammvater von seinem Gott geboten, fortan auf seine Frau zu hören: „In allem, was dir Sarah sagt, höre auf ihre Stimme“.18 Die Aufforderung erfolgt in derselben sprachlichen Formel – im Hebräischen sh’ma b kolah – mit der sonst geboten wird, auf das Wort Gottes oder seiner Sendboten zu hören.19

Von da an ist in der biblischen Welt die Unterwerfung der Frau unter den Willen des Mannes aufgehoben, zumindest in Frage gestellt. Wo sie dennoch gesellschaftliche Gepflogenheit blieb, konnte sie jedenfalls nicht mehr für „gottgewollt“ erklärt werden. Die Behauptung der Gottgewolltheit eines solchen Vorrechts wird in der hebräischen Bibel nirgendwo mehr erhoben. Zwei Stellen im Neuen Testament, in Briefen des Paulus, die einen Aufruf zur Unterordnung der Frau enthalten, berufen sich gleichfalls nicht auf Gottes Wort, sondern geben die Ansicht des Apostels wieder.20

Auch über den Fremden oder Andersgläubigen besteht nach biblischem Verständnis kein gottgewolltes Vorrecht des „Gläubigen“ – so wie kein gottgewolltes Vorrecht des Mannes gegenüber der Frau besteht. Beide Relationen werden oft im biblischen Text verknüpft, das Verhältnis zu den Fremden und das zu den  Schwächeren im eigenen Volk, zu den Frauen und Kindern, den ökonomisch Abhängigen und Unfreien, meist in der Metapher ihrer ohnmächtigsten, schutzbedürftigsten Gruppe, der „Witwen und Waisen“.21 Rabbi Shimeon ben Jizhak von Troyes weist in seinem Torah-Kommentar darauf hin, dass „Witwen und Waisen“ eine Chiffre für alle „Anderen“ ist, für alle, deren Machtlosigkeit die Stärkeren dazu verführt, sie schlecht zu behandeln, davar mazui l’anotam.22

Im Besonderen wird in der Bibel das Verhältnis zu denen geregelt, die anderen Glaubens sind. Schon zu antiken Zeiten lebten sie zahlreich unter den Juden, als „dein Fremder, der in deinen Toren wohnt“23 und wurden (und werden bis heute) in jüdische Segenssprüche eingeschlossen, sogar in den Shabat-Segen.24 Der gelegentlich vehemente Kampf  (etwa des Propheten Eliahu oder Elias im Buch Könige) gegen fremde Götzenkulte galt immer nur Israel selbst, nicht anderen Völkern. Die biblische Toleranz gegenüber allen Andersgläubigen wird im Buch des Propheten Micha 4,5 verbindlich formuliert: „Mag jedes Volk im Namen seines Gottes wandeln, während wir im Namen unseres Gottes wandeln werden für immer“.

Das jüdische Toleranzgebot besteht unverändert bis in unsere Zeit, es war  das Muster der antiken tolerantia, wie sie der Judenfreund Alexander der Grosse und der Judenfreund Julius Caesar in ihren Reichen zu installieren suchten, es ist auch das inspirierende Erinnerungsgut für die Toleranz der modernen westlichen Gesellschaft. Toleranz ist ein Kontinuum, an dem das biblische Judentum immer festgehalten hat, auch in Zeiten extremer Bedrückung durch andere Völker. Der Bund des biblischen Volkes mit Gott gilt nur für die, die durch Geburt darin einbezogen sind oder sich freiwillig anschliessen. Die übrige Menschheit mag andere Zugänge zu Gott oder Göttern finden, sie gilt als gerechtfertigt durch die noachidischen Gesetze oder die Disziplin ihrer jeweiligen Religionen.25

Unter Berufung auf andere Stellen der hebräischen Bibel26 ermutigt das Neue Testament zu einer friedlichen Mission unter Andersgläubigen. Sie  entwickelte sich aus ihren noch ganz auf inner-jüdische Mission bezogen Anfängen, etwa in Matthäus 10,5, zu jenem „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker“ am Ende desselben Evangeliums (28,19). Alle der Mission geltenden Textstellen im Neuen Testament meinen ohne Zweifel die Bekehrung von Individuen, nicht ihre massenhafte Unterwerfung oder das Erobern von Gebieten. Der Text der Evangelien äussert keine Drohungen oder Strafen gegenüber denen, die sich der Bekehrung entziehen. Missbräuche seitens der Kirchen ändern nichts an der ursprünglichen christlichen Idee einer spirituellen Überzeugungsarbeit ohne gewaltsamen Nachdruck.

Die Position von Gott geduldeter, sogar in die Gottesliebe einbezogener Fremder gibt es im Koran nicht. Der Begriff des Andersgläubigen ist dem Koran unbekannt, folglich gibt es auch keine Toleranz ihm gegenüber. Die Menschheit ist dort getrennt in Gläubige, denen die Gnade, Barmherzigkeit und Anleitung Allahs gelten, und Ungläubige, die nicht nur davon ausgeschlossen sind, sondern die der Gott des Islam in leitmotivischer Eindringlichkeit zu strafen und von der Erde vertilgen droht.27 Zwar zitiert Sure 109, Vers 5, fast wörtlich das oben genannte biblische Toleranz-Edikt aus Micha 4,5, doch bleibt es leere Deklaration angesichts der permanent verkündeten Strafen gegenüber denen, die nicht mit Mohamed übereinstimmen.

Die Bestrafung soll sowohl durch seinen Gott erfolgen als auch durch die Muslime. Neben den zahlreichen Stellen im Koran, die von Gott auferlegte Strafen und Torturen für Ungläubige beschreiben, sei es in dieser, sei es in der kommenden Welt, gibt es auch die direkte Aufforderung an die Muslime, etwa in Sure 8 Vers 12: „Trefft sie oberhalb des Nackens und schlagt ihnen jeden Finger ab“. Oder den in Sure 4, Vers 105 ergehenden Aufruf zur Jagd auf Ungläubige: „Und lasst nicht nach, die Ungläubigen aufzuspüren.“ Auch ein Muslim, der sich ihrer erbarmt, ist strafwürdig, wie es zwei Verse später in derselben Sure heisst: „Rede nicht zu Gunsten der Betrüger, Gott liebt nicht den verwerflichen Verräter.“

Wo es keine von Gott tolerierten Andersgläubigen gibt und keine anderen Wege zu Gott als den des Islam, kann es auch keine Gleichwertigkeit der Menschen vor dem Schöpfer geben. Das Konzept des Koran vom menschlichen Zusammenleben ist eine klare, sozusagen heilige Hierarchie, eine Unterteilung der Menschheit in zwei Klassen. Mensch erster Klasse ist nach Mohameds Lehre der gläubige muslimische Mann, neben ihm werden sowohl Frauen als auch Nicht-Muslime zu Menschen zweiter Klasse. Die Frauen werden es dadurch, dass im Koran die Gottgewolltheit der männlichen Superiorität wieder eingeführt wird, jene archaische Vorstellung der frühen Völker, aus welcher das Gesetz vom Sinai herauszuführen sucht. Die in der Bibel entwickelte Idee einer Gleichwertigkeit der Geschlechter wird von Mohamed nicht aufgegriffen, das in den mosaischen Büchern ausgearbeitete System zur Sicherung der Rechte der Frauen fast völlig ignoriert. In Mohameds Gesetz gilt eine Frau nicht einmal als selbständige juristische Person. Allah hätte, heisst es in Sure 4,38, den Männern Vorrang verliehen, auch das Recht, alle Angelegenheiten der Frauen zu bestimmen, und erwarte von den Frauen Gehorsam. Werde dieser verweigert, solle der Mann die Frau züchtigen. (Wörtlich heisst es sogar, dass eine Frau bereits dann von ihrem Ehemann zu züchtigen sei, wenn dieser auch nur befürchtet, sie könne widerspenstig sein, d.h. es genügt ihre potentielle Unbotmässigkeit 28).

Die der Frau zugedachte Rolle beschreibt Sure 2, Vers 223: „Eure Frauen sind euch ein Saatfeld. Geht zu diesem Saatfeld, wann immer ihr wollt.“ Bereits die metaphorische Gleichsetzung eines Menschen mit einem Saatfeld, dem Inbegriff des Passiven, des Nährbodens und Schosses, aus dem neues muslimisches Leben hervorgeht, ist mit unserem Menschenbild unvereinbar. Sie wird noch übertroffen durch die Aufforderung zu vollständiger Willkür im Umgang mit dem zu passiver Hinnahme verurteilten Wesen. Nicht einmal so viel Recht soll der Frau gelassen werden, dass sie wenigstens den Zeitpunkt der männlichen Beiwohnung bestimmen darf. Nach westlichem Rechtsverständnis ist dieser Koran-Vers ein Aufruf zur Vergewaltigung. Die Metapher vom Saatfeld mit dem Zusatz „Wann immer ihr wollt“ ist die sprachliche Formel für völlige Entrechtung, in unseren Augen Enthumanisierung der Frauen.

Wie wenig eine Frau im Koran als Persönlichkeit und Einzelwesen verstanden wird, belegt der Umstand, dass einzelne Frauen – jenseits der Sammelbezeichnung al-nisa, Frauen – nicht in Erscheinung treten. Im gesamten Koran-Text wird nur eine einzige Frau namentlich erwähnt, und diese Einzige ist auch noch der Bibel entnommen: Maria, die Mutter Jesu.29 Wenn man bedenkt, welche prominente Rolle Frauen in der Bibel spielen, als Prophetinnen, Königinnen, Führerinnen des Volkes, als Mütter und Partnerinnen, als Symbole der Tapferkeit, Klugheit und Retterinnen in der Not, welchen Reichtum an unvergesslichen Frauengestalten die Bibel entfaltet, Frauen, die über Juden- und Christentum hinaus im Kulturbewusstsein der Menschheit unverzichtbar geworden sind, dann vertritt der Koran, in dem es überhaupt keine Frauenfiguren gibt (ausser einer einzigen, der Bibel entliehenen) hier das diametrale Konzept zum biblischen.



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Das Menschenbild des Koran ist kein freies, sondern ein hierarchisches, von vornherein politisch geprägtes. Die viel zitierte Toleranz islamischer Herrscher, etwa zur Zeit der Okkupation Spaniens, kann nur vor dem Hintergrund dieser Hierarchie verstanden werden. In islamisch beherrschten Ländern gibt es keine Toleranz unter Gleichen. Da der jihad, der Heilige Kampf, wie er der „Gemeinschaft der Gläubigen“ geboten ist, nicht primär die Missionierung der Ungläubigen zum Ziel hat, sondern die territoriale Ausdehnung des Reiches der Gläubigen, des dar al-islam, verhält sich die herrschende muslimische Männerkaste, wenn das fremde Gebiet einmal erobert ist, weitgehend indifferent gegenüber den Unterworfenen. Diese müssen das Steueraufkommen des Gebiets erbringen und andere Kontributionen und Menschenopfer entrichten, wie etwa im Osmanischen Reich den Knabentribut, und solange sie es tun, lässt man sie weitgehend bei ihren Sitten und Gebräuchen.

Der Knabentribut (devsirme) ist ein Beispiel für die im Osmanischen Reich üblichen Opfer der unterworfenen Völker: “Alle paar Jahre gingen die Ottomanen in ein, sagen wir, serbisches Dorf und griffen sich dort die kräftigsten und klügsten Jugendlichen (…) In der Türkei absolvierten diese eine anstrengende sieben Jahre dauernde Ausbildung: schwere körperliche Arbeit zur Kräftigung ihrer Körper, Unterweisung im Islam und in der Türkischen Sprache. Jene, die sich in Sport und Kriegskunst hervortaten, wurden als Kadetten des Janitsharen- Korps ausgesucht, als ‚Männer des Schwertes’. Ihrer Familienbindungen beraubt, kannten sie keinen Interessen-Konflikt und waren loyal nur dem Sultan gegenüber.“30 Max Weber nannte eine auf Sklavendienst basierende Herrschaftsform folglich “Sultanismus”: “Im Sultanismus rekrutiert der Herrscher seinen Stab aus Ausländern und Sklaven. Weil diese in der Gesellschaft, die zu regieren sie helfen, wenig Rückhalt haben, sind sie auf die Gnade ihres Herrn angewiesen. Deshalb sind Ausländer und Sklaven die besten Werkzeuge für Willkürherrschaft.“ Nach M.Severy waren acht der Grosswesire von Sultan Suleiman geborene Christen, die man als Kindersklaven in die Türkei gebracht und zu Muslimen gemacht hatte.31

Doch die Ausbildung zu Werkzeugen des Herrschaftsapparates liess die herrschende muslimische Männerkaste nur wenigen angedeihen. Gegenüber der grossen Masse der Unterworfenen blieb sie, was deren Glauben betraf, relativ gleichgültig. Der Historiker Henry Pirenne nennt den wohl wichtigsten Grund: „Allah ist der Einzige Gott“, heisst es in seinem Buch „Mohammed and Charlemagne“, einem Standardwerk über die islamische Invasion Europas im 8.Jahrhundert, „und daher wäre es logisch, dass seine Diener (die muslimischen Männer – Ch.N.) es als ihre Pflicht verstehen, die Ungläubigen zum Gottesgehorsam zu zwingen. Was sie jedoch beabsichtigten war nicht, wie man denken könnte, deren Konversion, sondern ihre Unterwerfung.“32 Das vorrangige Interesse der Eroberer bestand in der Einführung der islamischen Zwei-Klassen-Ordnung in den eroberten Ländern, eines Systems von Tributzahlungen und Sklaverei. Massenhafte Konversion der Unterworfenen zum Islam hätte bedeutet, dass diese den gleichen Status erlangten wie ihre Eroberer, womit die religiöse Legitimation entfallen wäre, sie weiterhin rücksichtslos auszubeuten und als Sklaven zu halten.

Anders verhält es sich in nicht islamisch beherrschten Gebieten. Hier ist das Gewinnen von Konvertiten „eine permanente Pflicht“ des gläubigen Muslim, der individuelle Teil des Gebots vom jihad.33 Solange die muslimische Männerkaste nicht die politische und militärische Herrschaft des Gebietes gesichert hat, zählt jeder einzelne Proselyt. Ob im Falle von Sklaven mit der Konversion notwendigerweise ihre Freilassung verbunden ist, bleibt unausgesprochen. Der Koran erwähnt die Möglichkeit „gläubiger Sklavinnen“ (Sure 2 Vers 220,  Sure 4 Vers 29). Eine im Hadith festgehaltene Überlieferung des Abu Musa teilt mit, der Prophet hätte dem, der sie freilässt, „doppelten Lohn“ verheissen, was jedoch nicht notwendig bedeutet, dass  Freilassung geboten war.34 Auch solle man, so der Koran, Sklavinnen nicht zur Prostitution zwingen (Sure 24, 34).

Insgesamt bleiben die Angaben zum Umgang mit Sklaven im Koran spärlich und sehr viel unklarer als die Regulierungen der Bibel. Das Mosaische Gesetz bemüht sich, die lebenslange Sklaverei, eine sonst in der antiken Welt selbstverständliche Einrichtung, einzuschränken, wenn nicht zu unterbinden. Im Fall hebräischer Fronarbeiter gebietet ausdrücklich, diese spätestens im siebenten Jahr freizulassen und bei der Freilassung mit den Mitteln zu versehen, die ihnen einen selbständigen Start ermöglichen (5 Moses 15,12). Generell sollen Unfreie – ob im Land geboren oder fremd – human behandelt werden: „Du sollst dem armen und dürftigen Tagelöhner unter deinen Brüdern oder den Fremden, die in deinem Lande, in deinen Toren sind, den Lohn nicht vorenthalten. Am selben Tage sollst du ihm seinen Lohn geben, die Sonne darf darüber nicht untergehen.“ (5 Moses 24, 14). Der Eintritt eines Sklaven ins Judentum (ger zedek) führte automatisch zu der (in 2 Moses 21,2 und 5 Moses 15,12-18) gebotenen Freilassung. Entsprechend hielten es später die Christen in Rom. Besonders im Umgang mit kriegsgefangenen Frauen fremder Völker zeigt das Mosaische Gesetz eine dazumal einzigartige Rücksicht, indem es dem hebräischen Mann gebietet, diese entweder zu heiraten oder freizulassen (5 Moses 21, 11 ff.).

In den humanen Gesetzen gegenüber Unfreien und Fremden lag einer der revolutionären Aspekte, die den jüdischen, später christlichen Glauben so  anziehend für die Sklaven des römischen Imperiums machten, welche ihm in grossen Scharen zuströmten. Dagegen schafft der Koran durch das „gottgewollte“ Privileg der Gläubigen gegenüber den Ungläubigen einen unangreifbaren Vorwand für das Prinzip lebenslanger Versklavung. „Mit dem Islam“, findet der deutsche Orientalist Hans-Peter Raddatz, „wird der Herrschaftsanspruch des Menschen über den Menschen welthistorisch reaktiviert“.35

Die im dar al islam „gottgewollt“ herrschende muslimische Männerkaste fühlt sich zur Unterwerfung aller Anderen von daher legitimiert, als sie selbst ihr Leben in totaler Unterwerfung verbringt, unter den Willen Allahs, wie es im Wort islam zum Ausdruck kommt. Wegen der gebotenen Selbstaufgabe weiche das Menschenbild gläubiger Muslime grundsätzlich von westlichen Vorstellungen ab, stellt der Politikwissenschaftler Heinz Theisen fest, die Bestimmung der Muslime liege „nicht in der Selbstentfaltung, sondern in ihrer durch Allah gegründeten Vereinigung als Gleiche ohne sonstige Unterschiede. Der einzige prinzipielle Unterschied besteht in der Trennung zwischen Gläubigen und Ungläubigen.“36 Ein besonders drastisches Beispiel für den Wegfall jeglicher Individualisierung im Koran-Text ist die schon erwähnte Abhandlung des Themas „Frauen“: ohne eine einzige Frau (mit der erwähnten Ausnahme Maria) als Person zu erwähnen oder auch nur mit einem Namen zu benennen.

Aus dem Verständnis bewusster Selbstaufgabe ergibt sich eine weitere Unvereinbarkeit des koranischen Konzepts mit dem biblischen: die Frage betreffend, ob dem Menschen von Gott die Freiheit der Entscheidung  zugestanden wird. Schon frühe jüdische und christliche Quellen weisen auf diesen Unterschied zwischen biblischem und islamischem Denken hin, etwa der berühmte Dialog des Johannes von Damaskus mit einem Sarazenen, ein christlicher Text aus dem 8.Jahundert. Der Christ Johannes von Damaskus erklärt den biblischen Standpunkt, wie in 5 Moses 30, 19 dargelegt: dass Gott dem Menschen die „freie Wahl“ zwischen dem Guten und dem Bösen überlassen hätte. Darüber zeigt sich sein muslimischer Gesprächspartner erstaunt: nach seinem Dafürhalten sind alle Handlungen der Menschen, gute wie böse, bis ins Detail von Allah vorherbestimmt. Sein Erstaunen reflektiert die Haltung der orthodoxen islamischen Theologie, etwa des Jahm ibm Safwam, eines Zeitgenossen des Johannes, der lehrte, „dass der Mensch eine blosse Marionette sei, bis in den Mechanismus seiner Bewegungen von Gott abhängig“.37 Das Gegenargument des Johannes war, dass der Mensch, falls ihm Gott nicht freien Willen zugestanden hätte, auch nicht für seine Untaten verantwortlich gemacht werden könne, sich folglich der Widerstand gegen das Böse in dieser Welt erübrige.

Es sei erwähnt, dass die Lehre Buddhas hier die gleiche Position vertritt wie die jüdisch-christliche. Ihr Plädoyer für den freien Willen des Menschen erfolgt in einer unwiderstehlich logischen Ableitung, die auch das heutige existenzielle Elend vieler islamischer Länder erklärt: „Wenn alles durch höhere Fügung entschieden wird, dann sind gute wie böse Taten vorherbestimmt; nichts geschieht, was nicht zuvor schon feststand. Dann würden auch alle menschlichen Pläne und Bemühungen um Verbesserung und Fortschritt vergeblich sein, und die Hoffnung auf Menschlichkeit wäre vergebens (…) Es ist kein Wunder, dass Menschen, die dieser Vorstellung verhaftet sind, alle Hoffnung verlieren und ihre Bemühungen vernachlässigen, weise zu handeln und Böses zu vermeiden.“38

Die Sicht Buddhas stimmt mit der jüdisch-christlichen darin überein, dass wir Menschen mit der Aufgabe unseres freien Willens unseren Widerstand gegen das Böse einbüssen und damit unsere Hoffnung, einen entscheidenden Impetus des Lebens. Direkte Folge der religiös motivierten Hoffnungslosigkeit ist die Vernachlässigung des individuellen Menschenlebens, zunächst der Qualität des Lebens, dann des Lebens selbst – wohl eins der für Aussenstehende befremdlichsten Phänomene der islamischen Sphäre. Es zeigt sich nicht nur in den Selbstmordattentätern, die sich offenbar freudig für eine in unseren Augen sinnlose Sache opfern wie das Zünden von Bomben und Töten anderer Menschen (auch anderer Muslime), sondern – für uns noch unbegreiflicher – in der seltsamen Schicksalsergebenheit grosser Menschenmassen, die despotische Herrscher, Gewalt und Korruption, ein Leben in Elend und Bevormundung  ohne Widerstand erdulden.

In der Geringschätzung des eigenen Lebens liegt nach biblischer Vorstellung eine Missachtung der Werke des Schöpfers. Daher wird in der Bibel auch der Selbstmord abgelehnt: unter Berufung auf 1 Moses 9,5 gilt Selbsttötung als Tötung menschlichen Lebens, der Selbstmörder folglich – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen – als Mörder. „Gott (…)  verweigert uns das Recht, Herr über welches menschliche Blut immer zu sein, unser eigenes eingeschlossen“, schreibt Rabbi Samson Rafael Hirsch in seinem Kommentar zu dieser Torah-Stelle.39 Die Bewahrung von menschlichem Leben ist daher höchstes jüdisches Anliegen, ausdrücklich ist zur Rettung eines einzelnen Menschenlebens (pikuach nefesh) die Verletzung anderer Gebote erlaubt. Es wird davon abgeraten, sich im Sinne strikter Ausübung der Gebote in Lebensgefahr zu begeben, also alle Formen lebensbedrohlicher Askese, Bussübung oder Geisselung, ferner Martyrien um der Einhaltung der Gebote willen – da die Gebote grundsätzlich, nach 3 Moses 18,5, Quelle des Lebens sein sollen.

Im Islam wird dagegen für ein mit der Tötung anderer Menschen verbundenes Selbstopfer „gewaltiger Lohn“ verheissen, es wird sogar einem Sieg gleichgesetzt.40 Diese Art Märtyrertum, shahid, ist mit dem biblischen Menschenbild unvereinbar, auch wenn es im Christentum, vor allem in seiner frühen Phase, zahlreiche Martyrien gegeben hat: sie galten jedoch nicht, wie im Islam, der Tötung anderer, im Gegenteil, meist deren Rettung. Ein aus christlicher Sicht achtbares Selbstopfer jüngerer Zeit war die Tat des Paters Maximilian Kolbe, der sich in Auschwitz für einen jüdischen Mithäftling und Vater mehrerer Kinder opferte, indem er an dessen Stelle in den Hungerbunker ging. Es handelt sich um eine in Motiv und Wirkung genau entgegen gesetzte Art von Selbstopfer als bei islamischen Selbstmordattentätern.

Das Martyrium des shahid ist die intimste Form des Menschenopfers. Geringschätzung des eigenen Lebens impliziert die  Geringschätzung von menschlichem Leben überhaupt, das Selbstopfer verschafft dem Opfernden eine Pseudo-Legitimation zum Opfern anderer. Diese Haltung wird vom Koran gepriesen. Im Gegensatz dazu lehnt der Gott der Bibel jegliches Menschenopfer ab. Als Abraham seinem Gott den eigenen Sohn opfern wollte, eine in der Alten Welt übliche Praxis, sandte der biblische Gott einen Engel, um ihn daran zu hindern (1 Moses 22, 1-19). Hierin lag die erste revolutionäre Botschaft der Bibel, der Grundstein des humanen Zeitalters. Mit der Belohnung des shahid – zumal, wo es mit der Tötung anderer verbunden ist – hat der Islam die Rückkehr zum Menschenopfer vollzogen und die Botschaft der Bibel aufgehoben.41



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(Hg.) Chaim Noll:
Offene Fragen



Offene Fragen
70 Jahre PEN-Zentrum
deutschsprachiger Autoren im Ausland


 
Herausgegeben von
Chaim Noll


Verlag Synchron Publishers Tübingen 2005
270
Seiten,
29,80 €

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Der deutsche Exil-PEN wurde 1934 auf dem Internationalen PEN Kongress in Edinburgh gegründet, nachdem 1933 in Deutschland die Nationalsozialisten an die Macht gelangt waren und die meisten bedeutenden deutschen Schriftsteller ins Exil gingen. »Wo ich bin, ist die deutsche Kultur«, erklärte Thomas Mann anlässlich seiner Emigration. Sein Bruder Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger und Ernst Toller gehörten zu den Gründern des deutschen Exil-PEN. 

Es war die Gründung des deutschen Exil-PEN – später in PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland umbenannt und heute eines von zahlreichen Exil-PEN-Zentren in aller Welt –, anlässlich derer der internationale PEN die grundsätzliche Entscheidung traf, dem literarischen Exil einen genuinen Status einzuräumen. Zahlreiche Autoren – tote und lebende – haben zum Ruhm des deutschen Exil-PEN beigetragen, und die deutschsprachige Exilliteratur ist Gegenstand breiter internationaler Forschung. Die vorliegende Anthologie mit Texten von 35 Autoren belegt ihr breites intellektuelles Spektrum, ihre stilistische Vielfalt und ihre bleibende Verbundenheit mit der deutschen Kultur.

Mit Beiträgen von Rachel Abraham (Akron), Renate Ahrens (Dublin), Gabrielle Alioth (Rosemount), Peter Finkelgruen (Köln), Mariana Frenk-Westheim (Mexico City), Reinhold Grimm (Riverside), Barbara Honigmann (Strasbourg), Manfred Keune (Cape Coral), Freya Klier (Berlin), Oliver Kohler (Mainz), Christine Koschel (Rom), Günter Kunert (Itzehoe), Michel Roger Lang (Berlin), René Marti (Frauenfeld), Marko Martin (Berlin), Gert Niers (New Jersey), Chaim Noll (Beer Sheva), Hans-Christian Oeser (Killiney), Hans Poppel (Concord), Lutz Rathenow (Berlin), Stella Rotenberg (Leeds), Ulrich W. Sahm (Jerusalem), Margot Scharpenberg (New York) u.v.a.



Krieg und Frieden: Die in unseren Augen geringe Wertschätzung des einzelnen Menschenlebens liegt im jihad begründet, dem der islamischen Glaubensgemeinschaft gebotenen heiligen Kampf zur weltweiten Durchsetzung des Islam. Der Prophet lässt keinen Zweifel daran, dass dieser Kampf erst dann zu Ende sein kann, wenn alle Menschen Allah anbeten (Suren 8,39; 61,9 u.a.). Während es missionierenden Christen erklärtermnassen um das Gewinnen von Individuen geht – Jesus bezeichnete seine Jünger als „Menschenfischer“ (Matthäus 4,19) – geht es dem Islam um die Ausweitung des dar al Islam, also um die Beherrschung von Territorien.

Im Koran-Text finden sich widersprüchliche Angaben, wie dabei vorzugehen sei. Sure 2, Vers 187 gebietet für Allah zu kämpfen, jedoch nicht der Aggressor zu sein, „Gott liebt nicht den Angreifer“. Andere Stellen machen klar, dass bereits die Existenz von Nichtmuslimen in einem bestimmten Gebiet als Angriff auf den Islam, daher ein aggressives Vorgehen gegen sie als Verteidigung zu verstehen sei. In diesem Sinne wird für Verteidigung erklärt, was nach unseren Begriffen Aggression ist. Sure 4,104 spricht vom „Aufsuchen“ oder „Aufspüren“ der Ungläubigen – zweifellos ein offensiver Vorgang. Auch Sure 9, Vers 5 gebietet Taktiken des Angriffs: die Ungläubigen sollen getötet werden, „wo immer ihr sie findet“, sie sollen ergriffen, bedrängt oder belagert, ihnen soll „aus jedem Hinterhalt aufgelauert“ werden. Mehrfach wird betont, dass Muslime im Kämpfen nicht nachlassen dürfen. Von „vorzeitigem Frieden“ oder Waffenstillstand wird abgeraten, der Kampf bis zum siegreichen Ende angemahnt, „da ihr doch die Oberhand haben werdet und Gott mit euch ist“ (Sure 47,35)

Auch in der hebräischen Bibel gibt es einen göttlichen Anruf zu fortgesetztem Kampf, gegen Amalek (2 Moses 17,16). Allerdings war Amalek ein kleines Wüstenvolk, nicht die gesamte „ungläubige“ Menschheit. Ein Volk zudem, das in irdischer Form schon seit Jahrtausenden nicht mehr existiert, weshalb der göttliche Aufruf an die Hebräer, gegen Amalek „von Generation zu Generation“ zu kämpfen, einen symbolischen Vorgang meint. Amalek hatte die Israeliten in der Wüste angegriffen (2 Moses 17,8), mit Vorbedacht, weit weg  von Amaleks eigenem Aufenthaltsort (1 Moses 36,12;16), überdies aus dem Hinterhalt, gezielt gegen die Nachhut, die Schwachen und Verwundeten (5 Moses 25,17). Kampf und Sieg gegen den überraschend angreifenden Wüstenstamm, vor allem der später wiederholte göttliche Aufruf, diesen Kampf fortzusetzen, sind heute, da es das eigentliche Amalek nicht mehr gibt, als Parabel für Israels Verpflichtung zu dauernder Wachsamkeit und Verteidigungsbereitschaft zu verstehen.

Ferner führte das biblische Volk eine Reihe von Kriegen zur Gewinnung und Sicherung des ihm versprochenen Landes, wobei dieses Land per definitionem begrenzt ist und seine Grenzen mehrmals im Text genau bezeichnet werden (2 Moses 23,31; 4 Moses 34,3 u.a.). Die Angaben dieser Grenzen differieren zwischen engeren und etwas weiteren Varianten, von denen jedoch keine weiterführt als bis zum „Bache Ägyptens“ (womit vermutlich der Wadi el-Arish südlich von Gaza gemeint ist) und zum Euphrates auf dem Gebiet des heutigen Syrien. Von daher bleibt jede Auslegbarkeit der „Grenzen des Heiligen Landes“ auf einen engen geographischen Rahmen beschränkt. Ein Anspruch auf weitere Expansion des Territoriums wird in der Bibel nicht erhoben. Kein einziger dieser antiken Kriege wurde mit einem generellen Vorrecht des biblischen Volkes begründet, „Gläubige“ zu sein und daher Anspruch auf „ungläubiger“ Völker Land zu haben. Für das biblische Volk tritt ein Gefühl des Friedens bereits ein, wenn das Gebiet zwischen Dan und Beer Sheva gesichert ist (1 Könige 5,5), nicht erst, wie im Koran, wenn sich das Reich des Islam über die ganze Welt ausgebreitet hat.

Anthropologischer Prozess: Die Mosaischen Bücher erzählen – nach einer der Entstehung der Menschheit und dem Nomadentum der Patriarchen gewidmeten Vorgeschichte – den Weg eines Volkes aus der Gefangenschaft und seine neue Konsolidierung. Dieser Vorgang einer erfolgreichen Befreiung meint jedoch nicht die Rückkehr in das Nomadenleben von einst, sondern den mühsamen, in einer vierzigjährigen Wüstenwanderung symbolisierten Weg in eine neue stabile Lebensform.

Dennoch war die neue Lebensform zugleich eine frühere, anderswo bereits erprobte, die als Erinnerung bewahrt wurde, als eine Erinnerung, die nach Darstellung der mosaischen Bücher durch Gottes Einschreiten aufgefrischt und wieder lebensfähig gemacht werden musste. Der Stammvater der Hebräer (im hebräischen Original ivrim, wörtlich die, „die herüberkommen“) war ein Flüchtling aus Babylonien, nach Meinung vieler Wissenschaftler aus einer grossen sumerischen Zivilisationskatastrophe um 2000 vor unserer Zeit, Sohn einer dort altansässigen, reichen Familie, jedenfalls ein Mensch, der von einer früheren Zivilisation geprägt und gebildet war. Auffallend ist sein Bemühen, sich sicher niederzulassen, durch Friedensschlüsse mit benachbarten Fürsten eine stabile Situation zu schaffen, seiner verstorbenen Frau zu Hebron ein festes Grabmal zu errichten und anderes, was für einen Nomaden unüblich ist. Sein und seiner Nachkommen Bemühen um feste Situierung wurde jedoch immer wieder zunichte gemacht, vor allem durch Hungersnöte, die zum Ortswechsel zwangen, schliesslich zu einer Auswanderung nach Ägypten.

Im Verlauf der Generationen ist ein Verlust an zivilisatorischen Qualitäten zu beobachten, ein allmähliches Abgleiten und Verwildern, besonders bei der letzten Generation in Kanaan, den Söhnen Jakobs, die gegenüber Frauen, Fremden und Schwächeren schwere Übergriffe begehen und ihren eigenen Bruder in Sklaverei verkaufen. Eigentlich hätte der Weg nun weiter abwärts führen müssen, bis zum endgültigen „Hinübergehen“ in die Lebensform der Nomaden, in wildes Schweifen durch die Wüste, Halten von wandernden, extensiv grasenden Herden, ständiges Kriegführen um Weideland und Wasserstellen, in die Lebensform, die auch in der islamischen Überlieferung „Zeitalter der Ignoranz“ (jahiliya) genannt wird, Zeit der Gesetzlosigkeit, des Faustrechts, der Blutrache.

Durch eine Fügung – wunderbare Rettung und Aufstieg des versklavten Bruders am ägyptischen Hof – entgehen die Söhne Jakobs der Verwilderung. Sie weichen nach Ägypten aus, überstehen gute und schlechte Zeiten, werden versklavt, kommen schliesslich frei, und sind immer noch soweit mit den einst Eingewanderten identisch, dass sie einen letzten Hauch von deren Erinnerung bewahrt haben, Erinnerung an eine Lebensform mit Gesetzen und Strukturen, mit Landwirtschaft und geregelten Besitzverhältnissen, mit Rechtssprechung und Achtung des menschlichen Lebens. Denn als ihr Gott ihnen nach dem Auszug aus Ägypten ein solches Gesetz gebietet, ein Gesetz, das sie nach der schon gekosteten nomadischen „Freiheit“ streng und hart anmuten muss, nehmen sie es bereitwillig an (2 Moses 24,3).

Anthropologisch gesehen, ist der in den Mosaischen Büchern vorgeführte Prozess, wie Morris S.Seale formuliert, „ein Wechsel in der Lebensweise von revolutionärem Ausmass. Sie liessen die Gesetzlosigkeit der Wüste hinter sich, für die Gesetzlichkeit einer niedergelassenen Gesellschaft. Die Mosaischen Bücher können daher als Übungsbuch (training manual) für ein Volk verstanden werden, das sich auf den schweren Weg in Richtung Humanität und Zivilisation begibt.“42 Die nomadische Lebensweise war dagegen der Zwang zu ständiger Expansion, nomadisch lebende Völker sind per se kriegerisch. Frieden kann erst einkehren, wenn die extensive, sporadische Wirtschaft wandernder Viehherden durch eine intensive, systematische Landwirtschaft überwunden wird.

Daher ist die im Gesetz vom Sinai regulierte Gesellschaftsform eine durchweg sesshafte, überwiegend auf Landwirtschaft und bodenständiges Handwerk gegründete. Zahlreiche der biblischen Gebote betreffen Pflanzenanbau und Tierhaltung, andere die zwischenmenschlichen und besitztechnischen Verhältnisse einer bäuerlichen Gesellschaft. Die Feste der Juden sind landwirtschaftliche Feste, angeordnet im Zyklus von Saat, Reife, Ernte, vor allem drei Pilgerreisen zum Tempel zur Darbringung von Erstfrüchten und anderen Opfergaben aus ihrer landwirtschaftlichen Produktion, zwischen Pesach und Shavuot wird sieben Wochen der omer gezählt, das Reifen des Getreides etc. Auch Jesus bewegte sich in einer landwirtschaftlichen Welt. Die Feste der Christen folgen dem alten landwirtschaftlichen Zyklus der jüdischen, unter Hinzufügung einer weiteren, nun mit der Gestalt Jesus verbundenen Komponente.

Im Koran ist überaus selten von Angelegenheiten der Landwirtschaft und sesshaften Lebens die Rede. Die Kultivierung von Land wird empfohlen (Al-harth wa-l-muzara’ah), vor allem das Bewässern (Sure 32,27). Gelegentlich finden im Text Metaphern aus dem Pflanzenbau Verwendung, etwa in Sure 48,29, wo die Anhänger Mohameds spriessenden Saaten und gerade wachsenden Halmen verglichen werden, doch es bleiben wenige vage, poetische Äusserungen, sehr verschieden vom ausgearbeiteten System landwirtschaftlicher Gesetze in den Mosaischen Büchern. Vor allem scheint die Arbeit in der Landwirtschaft kein grosses Ansehen zu geniessen. Die Überlieferung des Hadith, schreibt Maulana Muhammad Ali, „spricht davon als von einer verdienstvollen Handlung, aber warnt zugleich davor, dass jene, die sich ganz der Landwirtschaft widmen, nicht fähig sind zu grossen und glorreichen Taten“.43

Beide Bücher, Bibel und Koran, lassen sich als Anleitung verstehen, wie Völker aus dem „Zeitalter der Ignoranz“, aus wildem Nomadentum, Faustrecht und Stammeskriegen herausfinden können. Doch sie zeigen verschiedene Wege und Ziele. Ein früher Unterschied liegt im Verhältnis zum Land: in der Bibel ein fest umrissenes Gebiet, das intensiv kultiviert werden soll, um die darauf Lebenden zu ernähren, im Koran ein – nun aus religiösem Grund – ständig zu erweiterndes Territorium. Der Koran enthält einen erneuten Aufruf zum Nomadentum, diesmal zu einem konzertierten, von der „Gemeinschaft der Gläubigen“ gemeinsam unternommenen. „Das Wandeln auf dem Weg Allahs bedeutet im engsten Sinn die Ausbreitung des Islam durch den Glaubenskrieg“, schreibt Franz Rosenzweig. „In dem gehorsamen Beschreiten dieses Weges, dem Aufsichnehmen der damit verbundenen Gefahren, dem Befolgen der dafür vorgeschriebenen Gesetze findet die Frömmigkeit des Muslim ihren Weg in die Welt.“44



ANMERKUNGEN



1 „Sieben Lesarten“ des Koran wurden vom Propheten selbst anerkannt, durch die Spaltung des Islam kamen weitere hinzu. Vgl.Abu Osman Ibn Said Adami, Das Handbuch der Sieben Koran-Auslegungen, Hg.v. Otto.Pretzel, Leipzig, 1935

2 Ignaz Goldziher, Die Richtungen der Islamischen Koran-Auslegung, Leyden, 1952 (Reprint der Ausgabe von 1920), S.2

3 ebenda, S.3f.

4 ebenda, S.270

5 ebenda, S.271 ff.

6 Morris S.Seale: Quran and Bible, Studies in Interpretation and Dialogue, London 1978, p.16

7 Franz Rosenzweig, Der Stern der Erlösung, Frankfurt/M., 1921, S.211

8 Ignaz Goldziher, a.a.O., S.330

9 Abdallah ibn abi Sarh war Milchbruder des Kalifen Othman und bekleidete unter diesem „eine hervorragende Stellung im Islamreiche“. Sein offenherziges Bekenntnis über die Willkür seiner Niederschrift brachte ihm von anderen Muslimen den Vorwurf ein, er habe „den Koran eigenmächtig gefälscht“, obwohl Mohamed bei der Niederschrift anwesend war und diese offenbar billigte. Vgl. Goldziher, a.a.O., S.35

10 vgl. Goldziher, a.a.O., S.2

11 3 Moses, 18,5: v chai bahem, Denn ihr sollt durch sie (die Gebote) leben.

12 vgl.Goldziher, a.a.O., S.61. Die zitierte Koran-Stelle ist Sure 6, Vers 67

13 2 Moses 12,38

14 2 Moses 22, 20; 2 Moses 23,9; 3 Moses 19,33-34; 5 Moses 24,14 u.a.

15 Hermann Cohen, Was einigt die Konfessionen? Rede, 1917, zit.n. E.L.Ehrlich, Toleranzbegriff im Judentum, Jüdische Zeitung Berlin, 1/2007

16 vgl.Chaim Noll, Höre auf ihre Stimme. Die Bibel als Buch der Frauen, Mut, Asendorf 2 und 3/2005

17 Dem Judentum gilt die Schöpfung als perpetualer, in ständiger Erneuerung befindlicher, niemals endender Vorgang, gemäss dem ersten der dreizehn Glaubensartikel des Maimonides (Rabbi Moshe ben Maimon), vgl. Rabbi Nosson Scherman (Ed.), The Complete Art Scroll Sidur, New York 1984, p.178

18 1 Moses 21,12

19 vgl. Chaim Noll, Höre auf ihre Stimme, a.a.O.

20 Erster Brief des Paulus an die Timothäer 2,11 f., Brief an die Epheser 5, 22f.

21 Verbindung Schutz der Fremden-Schutz der Witwen und Waisen: 5 Moses 24,17; 5 Moses 24,20 u.a.

22 Rabbi Shimeon ben Izhak, genannt Rashi, Kommentar zu 2 Moses 22,21, vgl. The Pentateuch and Rashi’s Commentary, New York, 1977, p.262

23 2 Moses 20, 10

24 Einbeziehung des Fremden in den Shabat-Segen bedeutet, dass diesem das Privileg des freien Tages zugestanden wird wie einem Landeskind und Juden, eine in der Antike einzigartig humane Regelung. Seneca und andere Römer fürchteten den wirtschaftlichen Verlust und wandten sich gegen den Shabat. Vgl. Chaim Noll, Höre auf ihre Stimme, a.a.O., Fussnote 32

25 Noachidische Gebote meint die Gebote des mit Noah nach der Sintflut geschlossenen Bundes, 1 Moses 9,1-7, die nach jüdischer Auffassung den für alle Menschen gültigen minimalen Moralkodex bilden sollten. Vgl. Rabbi J.H.Hertz, The Pentateuch and Haftorahs, London 1992, p.32

26 Die Idee einer Mission “unter den Völkern“ kann sich berufen auf Psalm 96: sapru va gojim k’vodo oder fast gleichlautend 1 Chronik 16, 24, welche Formel die Luther-Bibel übersetzt mit: „Verkündet unter den Heiden seine Herrlichkeit“

28 Über die nach Mohameds Darstellung den „Ungläubigen“ zugedachten göttlichen Strafen : Sure 2, Vers 189ff., Sure 3 Verse 103, 126, Sure 4, Verse 45, 50, 59, Sure 8 Vers 12, Sure 9 Vers 5 u..a.

28 vgl. Muhammed Ahmad Rassoul, Die ungefähre Bedeutung des Quran Karim in deutscher Sprache, Köln o.J. Im gleichen Sinne übersetzt auch Arthur J.Arberry, The Koran Interpreted, New York, 1977, p. 105. Im Mosaischen Gesetz wird derlei Selbstjustiz ausgeschlossen. Wo Strafen gegen Frauen zu verhängen sind (im Fall von Rechtsbrüchen),  geschieht es durch Gerichte, nicht durch Ehemänner.

29 Sure 19. Vgl. Ruth Roded, Women in Islam and the Middle East. London, New York 1999, p.27: “There is one woman actually named in Koran.”

30 Vgl. Merle Severy, The World of Suleyman the Magnificent. National Geography, 11/1987, p.552 ff.

31 vgl.Erich Weede, Freiheit und Islam – ein Widerspruch? liberal, Berlin, November 2006, S.9., M.Severy, a.a.O.

32 Henri Pirenne, Mohammed and Charlemagne, London, 1939, p.150

33 Maulana Muhammad Ali, A Manual of Hadith (Arab/English), London and Dublin, 1977, p.252

34 ebenda, p.33

35 Hans-Peter Raddatz, Assisi und Zurück, Dialog mit Allah im Spiegel der Päpste, in: Die neue Ordnung, 3/2006, Jg.60, S.8

36 Heinz Theisen, Kulturelle Grenzen der Demokratisierung. Mut, Asendorf, 456, August 2005, S.26. Die Orientalistin Annemarie Schimmel drückte denselben Tatbestand euphemistischer aus: „Im Islam soll sich der Mensch in das Gewebe der Gesamtheit einfügen“, vgl. Der Westen und die Welt des Islam, Mut, Asendorf 10/1995, S.65

37 zit.nach Morris S.Seale, a.a.O., p.64

38 Die Lehre Buddhas, Tokyo, 1966, S. 45

39 The Pentateuch with the Commentary of Rabbi Samson Raphael Hirsch, New York, 1997, p.46

40 Sure 4,74: Und wenn einer für Allahs Sache kämpft und wird getötet oder siegt, dem werden wir gewaltigen Lohn geben. Sure 4,79 f. erklärt das irdische Leben für nicht wert, daran zu hängen, ausserdem müsse der Mensch ohnehin sterben.

41 vgl. H.P.Raddatz, a.a.O., S.7 ff.

42 vgl. Morris S.Seale, The Desert Bible. Nomadic Tribal Culture and Old Testament Interpretation, New York 1974, p.150

43 Maulana Muhammad Ali, a.a.O., p.302

44 Franz Rosenzweig, Der Stern der Erlösung, a.a.O., S.275


Der Autor

CHAIM NOLL

ursprünglich Hans Noll, wurde 1954 als Sohn des Schriftstellers Dieter Noll in Berlin (Ost) geboren. Dem Studium der Mathematik in Berlin und Jena folgt ein Studium der Kunst und Kunstgeschichte. Noll war Meisterschüler der Akademie der Künste. Anfang der 80er Jahre verweigert er den Wehrdienst und wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Chaim Noll löst sich aus seinen Bindungen an Staat und Partei, was zugleich den Bruch mit seinem Vater nach sich zieht. 1984 wird Noll ausgebürgert, geht in den Westen, arbeitet als Journalist und beginnt eine Karriere als Schriftsteller.

(Foto: © Fred Viebahn)

Von 1992 bis 1995 lebt er in Rom und geht von dort nach Israel, wo er 1998 eingebürgert wird. Er lebt heute in der Wüste Negev und ist Writer in Residence und Dozent am Center for International Student Programs der Ben Gurion Universität Beer Sheva. Zu seinem schriftstellerischen Werk gehören Gedichte, Erzählungen, Romane und Essays.

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Chaim Noll steht gerne für Vorträge oder Lesungen zur Verfügung.
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