Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331

ONLINE-EXTRA Nr. 49

April 2007

Die Bemühungen um einen Dialog zwischen den drei sogen. "abrahamitischen Religionen" - Judentum, Christenum und Islam - stehen leitmotivisch zumeist im Banne der Lessing'schen Ringparabel. Das Bild der drei kaum voneinander unterscheidbaren, die Religionen symbolisierenden Ringe suggeriert, dass alle Differenzen, Widersprüche und Gegensätzlichkeiten zwischen den drei Religionen auf Mißverständnisse zurückzuführen sind, die durch theologische Reflexion, Gespräch und gegenseitige Toleranz ausgeräumt werden können.

Trifft diese Annahme tatsächlich zu? Der jüdische Schriftsteller Chaim Noll unterzieht die Grundlagentexte dieser Religionen - die Bibel (für Judentum und Christentum) und den Koran (für den Islam) - einer Prüfung und fragt, wie nah oder doch unvereinbar stehen sich das auf Bibel und Koran beruhende Welt-, Menschen- und Gottesbild einander gegenüber.

COMPASS veröffentlicht seinen Essay, der in gedruckter Fassung stark gekürzt in einem der nächsten Ausgaben der Zeitschrift "Mut" erscheinen wird,  online exklusiv in zwei Teilen als ONLINE-EXTRA Nr. 49 und Nr. 50.

COMPASS dankt dem Autor für die Genehmigung zur Wiedergabe seines Essays an dieser Stelle!


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Online-Extra Nr. 49


Bibel und Koran.

Die Nähe und das Unvereinbare zweier Konzepte.
Teil 1

CHAIM NOLL


 „Um einander zu verstehen, müssen wir über
das sprechen, was uns unterscheidet.” 1


Im Folgenden soll vergleichend von zwei Büchern die Rede sein, von zwei Textwerken und geistig-religiösen Konzepten, die durch das Hervorgehen des Einen aus dem Anderen eng miteinander verbunden sind. Die welthistorische, kulturprägende, zu gesellschaftlicher Aktion inspirierende, Krieg und Frieden evozierende Wirkung beider Texte ist ihre erste ins Auge springende Gemeinsamkeit, wobei in beiden Fällen, Bibel wie Koran, vorsorglich darauf hingewiesen werden muss, dass ein religionstiftendes Buch, überhaupt ein ideell-religiöses Konzept, mit den Aktionen der Menschen, die sich darauf berufen, nicht identisch ist.

Richtiger wäre, von drei Büchern zu sprechen, denn die hebräische und die christliche Bibel sind bekanntermassen nicht identisch. Doch da die christliche „Heilige Schrift“ die gesamte jüdische Bibel, den hebräischen tanach, in einer von Juden angefertigten griechischen Übersetzung, der Septuaginta, ihrerseits kanonisiert und unter dem Namen „Altes Testament“ in sich aufgenommen hat, ist aus christlich-europäischer Sicht die jüdische Bibel erklärtermassen Bestandteil des eigenen Konzepts.2 Anders als der Koran hat das Christentum die ursprünglichen Bücher der Juden unverändert als religiöse Grundlage beibehalten, ihr Menschenbild, ihr Konzept von der Gleichheit aller Menschen vor dem Schöpfer, ihren Moralkodex, das von Nietzsche verächtlich als „Sklavenmoral“ verworfene Mitgefühl mit den Schwächeren, mit Frauen und Kindern, mit dem „Fremden, der in deinen Toren wohnt“, die Abschaffung der lebenslangen Sklaverei.3

Europäische Aufklärung, Renaissance-Humanismus und bürgerliche Toleranz basieren auf diesem Menschenbild – ein Umstand, der dem Bewusstsein vieler Europäer entfallen ist. Irrtümlich halten viele Menschen unserer Tage Toleranz, Glaubens- und Meinungsfreiheit für Gegensätze zum biblischen Konzept, für mühsam in Aufklärung und bürgerlicher Revolution der religiösen Bevormundung abgetrotzte Freiheiten. Die Legende von der Originalität des aufgeklärten Denkens wurde fester Bestandteil der Identität des „modernen Europa“, und dies umso mehr, als die Kenntnis der eigentlichen Ursprünge allgemein abhanden kam. Erst jetzt, da die massenhaft gewordene Unkenntnis der religiösen und antiken Quellen einen spürbaren Rückfall ins Inhumane mit sich bringt, zugleich eine sichtbare Schwächung Europas bis hin zur Unfähigkeit, sich gegen aggressive Infragestellung von anderer Seite zu behaupten, wird die biblische Verwurzelung der modernen europäischen Werte wieder thematisiert.

Als Europäer stehen wir im Bann der berühmten Ring-Parabel, zuerst erzählt im „Decameron“ des Boccaccio, später in Lessings Stück „Nathan der Weise“, welche die drei monotheistischen Konzepte Judentum, Christentum und Islam drei einander zum Verwechseln ähnlichen Ringen vergleicht und in dieser Metapher die tiefen Gegensätze und Widersprüche zwischen ihnen zu relativieren sucht.4 Da sie alle drei einander zum Verwechseln ähnlich sind, so die Logik der Ring-Parabel, könne es sich bei den in ihrem Namen ausgefochtenen Kontroversen, Konflikten und Kriegen nur um Missverständnisse handeln, die durch geistigen Austausch, Aufklärung und Toleranz zu überwinden sind.

Die Ring-Parabel nimmt ihre Legitimation aus dem gemeinsamen Ursprung der drei monotheistischen Religionen aus einer nahöstlich-nomadischen Welt, symbolisiert in der Gestalt des biblischen Patriarchen Abraham, eines legendären Flüchtlings aus dem babylonischen Ur, wandernden Herdenfürsten und Propheten, auf den sich alle drei Religionen als Urvater berufen.5 Aus diesem Grund und wegen ihrer weltweiten Wirkung ist es üblich geworden, Judentum, Christentum und Islam summarisch als die „drei abrahamitischen Weltreligionen“ zu bezeichnen und geistig-konzeptionell zu kategorisieren.

Diese Sicht hat sich das moderne, weitgehend säkulare Europa des 19.und 20.Jahrhunderts zu eigen gemacht und damit alle drei Religionen eines Gutteils ihres Charakters beraubt. Die Kategorie „drei abrahamitische Religionen“ bedeutet eine Pluralisierung, damit auch relative Entwertung. Wie sich in Lessings Ringparabel nicht ermitteln lässt, welcher der drei Ringe der echte, ursprüngliche ist, soll folglich auch keine der drei Religionen die wahre, ursprüngliche sein. Und da keine der drei Religionen die wahre, ursprüngliche ist, kann sich der moderne Mensch getrost von ihnen abwenden und in einer neu-heidnischen, hedonistischen, unverbindlichen Spass-Kultur sein Heil suchen. Unter dem Vorwand einer überlegenen Sicht auf die drei angeblich gleichwertigen – und gleichweise unzeitgemässen – Religionen, entledigen sich vor allem die christlichen Nationen Europas, wie von Nietzsche vorausgesagt,  des biblischen Gottes und seines dem Menschen offenbarten Wertekanons, als sei er nichts als lästiger Ballast.

Bei genauerem Hinsehen erweist sich Lessings Parabel von den drei gleichen Ringen als verfehltes Bild. Die Metapher von den drei Ringen, die einander zum Verwechseln ähneln, so dass sich angeblich nicht mehr feststellen liesse, welcher der ursprüngliche war und welcher der nachgeahmte, ist schon deshalb falsch, weil bei den drei in Frage stehenden Religionen ganz zweifelsfrei eine Reihenfolge ihrer Entstehung und damit Originalität ihrer Ideen feststellbar ist. Schon von daher sind die „drei abrahamitischen Religionen“ von Grund auf verschieden: das Judentum ist in der Reihenfolge die erste, das Christentum die zweite, unmittelbar aus dem Judentum hervorgegangene – Jesus war Jude, sogar pharisäischer Schriftgelehrter – , während der Islam eine wesentlich spätere, ausserhalb oder am Rand der jüdisch-christlichen Sphäre entstandene Bewegung ist, deren Textwerk, der Koran, sich der beiden vorhergegangenen bedient und zugleich ihre irdischen Vertreter bekämpft.

Die über Jahrtausende auseinander liegende Entstehungszeit der drei Religionen ist ein weiterer Grund, das Zutreffen der Ring-Parabel zu bezweifeln. Auch sonst wäre der Wahrheitsgehalt der Parabel zu prüfen, die aus ihr abgeleitete These von der spirituellen „Gleichheit“ der drei „abrahamitischen Religionen“ bis hin zu der heute in Europa verbreiteten, überaus bequemen, von jeder genaueren Kenntnis unbeschwerten Annahme, diese „Gleichheit“ mache es überflüssig, sich überhaupt noch ernsthaft mit ihnen zu beschäftigen. Ursprünglich, in der Version des Boccaccio, lange vor Lessings bedeutungsschwerer, pseudo-philosophischer Wiedergabe im „Nathan“, war die Ring-Parabel ein listiges „Geschichtchen“ (im italienischen Original: una novelletta), mit dem sich ein reicher alexandrinischer Jude einer Fangfrage des Sultans Saladin entziehen wollte. Die in der Not und halb im Scherz erzählte novelletta aus Boccaccios Unterhaltungs-Roman wurde über den Umweg des deutschen Aufklärers Lessing zu einem fundamentalen Axiom modernen europäischen Denkens.

Absicht dieser Betrachtung ist nicht, die eine Religion gegenüber der anderen auf- oder abzuwerten, sondern Voraussetzung zu schaffen für Austausch und Gespräch. Ein echter Dialog ist nur möglich, wenn jede Seite um ihre Herkunft und ihre Überlieferungen weiss, um die Positionen, die sich daraus im Heute ergeben, um die Möglichkeiten einer Annäherung an die jeweils andere Seite, jedoch auch um die Grenzen dieser Annäherung. Aus tagespolitischem Interesse werden diese Grenzen heute verwischt, mit dem Ergebnis zunehmender Verunsicherung. Bibel und Koran sollen hier in gebotener Kürze und Konzentration unter folgenden Aspekten gegenüber gestellt werden: Genealogie, Textstruktur und –konsistenz, Menschenbild, das Verhältnis zu Krieg und Frieden, der im Text dargestellte anthropologische Prozess.

Genealogie: Der Koran ist mehr als ein Jahrtausend nach der hebräischen und fünf bis sechs Jahrhunderte nach der christlichen Bibel entstanden, in einer Umgebung, die bereits weitgehend von biblischem Denken geprägt war. Mohamed lebte und wirkte am Rande des oströmischen Reiches, das rund zwei Jahrhunderte zuvor das Christentum als Staatsreligion angenommen hatte, in geographischer Nähe zu den damaligen Zentren der byzantinischen und syrischen Kirche einerseits und den grossen talmudischen Schulen des babylonischen Judentums, Sura und Pumbedita, andererseits. Der Inhalt der Bibel war ihm bekannt, er war mit Christen und Juden in alltäglichem Kontakt und sprach als Kaufmann höchstwahrscheinlich aramäisch, die lingua franca der antiken nahöstlichen Welt, zugleich die Sprache, in der sowohl die Werke der syrischen Kirche als auch der babylonische Talmud geschrieben wurden.

Vielleicht behauptet deshalb der Hadith, die Sammlung der Berichte über Worte und Taten Mohameds, dass der Prophet Analphabet gewesen sei: um den Vorwurf, es handle sich beim Koran – spirituell und geistesgeschichtlich – um ein Plagiat, von vornherein zu entkräften.6 Dieses Wort ist dennoch immer wieder gefallen, gerade in den Untersuchungen von Kennern der hebräischen, griechischen, aramäischen und arabischen Originaltexte, etwa in Franz Rosenzweigs Buch „Der Stern der Erlösung“ von 1921.7 Rosenzweig hatte zuvor Arabisch gelernt, um das Werk in dieser Sprache lesen zu können, schon weil orthodoxe islamische Theologie jede Übersetzung des Koran, erst recht jede exegetische Textarbeit in anderen Sprachen für unzulässig erklärt.

Nach einem der ersten Texte des Hadith, überliefert von Aisha, der Witwe des Propheten, wurde dem analphabetischen Mohamed die Lehre vom Erzengel Gabriel mündlich mitgeteilt, und zwar mehr oder weniger unter Zwang.8 Der Erzengel Gabriel galt schon beim biblischen Propheten Hesekiel als  Überbringer der Botschaft, zumal in der Darstellung des babylonischen Talmud.9 Auch vom Propheten Daniel heisst es, er hätte seine Botschaft von einem Engel empfangen.10 Dass ein Prophet unter Umständen genötigt werden muss, die ihm zuteil werdende Mission anzunehmen, ist gleichfalls ein bekanntes biblisches Motiv, bekannt etwa aus den Büchern Jeremia oder Jona.11 Der Hadith, eine der Quellen islamischer Tradition und Gesetzeskunde, erweist sich schon zu Beginn, in der Überlieferung, wie Mohamed seine Botschaft empfing, als ein in Inhalt, Erzähl-Struktur und Leitmotivik biblisch geprägter Text.

Dem Hadith zufolge ging Mohamed nach Empfang der Botschaft zu einem Schriftkundigen, um aufschreiben zu lassen, was er gesehen hatte. Von diesem Schreiber, Waraqh ibn Naufal ibn Asad, einem Vetter von Khadijah, der ersten Frau des Propheten, heisst es im Hadith, er hätte „die hebräische Schrift“ beherrscht und „von den Evangelien in Hebräisch abgeschrieben, was Allah gefiel, das er schreiben sollte“.12 Diesem Abschreiber biblischer Texte diktierte Mohamed, der islamischen Tradition zufolge, die ersten Botschaften  seiner prophetischen Vision. Damit steht der Hadith in offenkundigem Widerspruch zu dem mehrmals im Koran verkündeten Diktum, der Koran sei ein arabisch geschriebenes Buch.13

Das Dogma vom arabisch diktierten und geschriebenen Koran wird auch vom sprachwissenschaftlichen Standpunkt bezweifelt, etwa in dem viel diskutierten Buch eines deutschen Orientalisten, der unter dem Pseudonym „Christoph Luxenberg“ publiziert (aus Furcht vor einer fatwah, dem lebensgefährlichen Verdikt islamischer Geistlicher, wie es im freiheitlichen Europa bereits andere akademische Forscher bedroht).14 „Luxenberg“ geht davon aus, das Original des Koran wäre in der damals dominierenden Sprache, Aramäisch, geschrieben worden, schon deshalb, weil Arabisch erst rund hundert Jahre nach Mohameds Tod als Schriftsprache belegt ist. Die aramäische Erstschrift des Koran wäre dann in derselben Sprache geschrieben wie die Texte der syrischen Kirche und der babylonische Talmud, was die mühelose Übernahme zahlreicher Motive, Gedanken und kompletter Geschichten aus beiden Quellen erklären würde.15

Für „Luxenbergs“ These spricht mancher Hinweis im islamischen Schrifttum selbst. Etwa die im Hadith überlieferte Erinnerung des Zaid ibn Thait, der Prophet hätte ihm befohlen, „die Schrift der Juden“ zu erlernen, um Aufzeichnungen für Mohamed machen zu können, wobei zwei andere Hadith-Überlieferer, Abu Dawud, und Tirmidhi, hinzufügen, diese Schrift sei die syro-aramäische gewesen.16 In der Tat ist eine „Schrift der Juden“ schon seit den Tagen vor der Zeitenwende – und bis heute – die aramäische. Seit der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil wurden hebräische Texte in aramäischen Lettern geschrieben, da das aramäische Alphabet das im Alltag gebräuchliche war.17  Auch der erwähnte arabische Schreiber Waraq ibn Naufal, Mohameds erster Aufzeichner, wird sich – zumal als Nicht-Jude – sehr wahrscheinlich der aramäischen Schrift bedient haben, wenn er, wie der Hadith überliefert, „in Hebräisch aus den Evangelien abschrieb“.



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Die bewegenden Erlebnisse von zwei deutschen Schriftstellern, die nach Israel ausgewandert sind und dort eine neue Heimat fanden. Lea Fleischmann und Chaim Noll symbolisieren auf außergewöhnlich Art das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Israel: Sie leben in Israel und schreiben auf Deutsch.

In ihrem neuen Buch setzten sich auf ebenso einfühlsame wie kritische Weise mit ihrer Vergangenheit in Deutschland und der Gegenwart in Israel auseinander. Sie wanderten aus indas Land, in dem Milch und Honig fließen. Doch in Israel fanden sie nicht nur eine neue spirituelle Heimat. Lea Fleischmann und Chaim Noll erleben ihr Land jeden Tag in seiner ganzen Widersprüchlichkeit, und beziehen leidenschaftlich Stellung. Trotzdem sind sie ihrer alten Heimat verbunden, dem Land, in dem ihre Sprache wohnt. Ihre Erinnerungen sind auch die Erinnerung an zwei deutsche Staaten: Lea Fleischmann wuchs in der BRD auf, Chaim Noll in der DDR. Sie sehen Deutschland und Israel mit kritischer Anteilnahme und schonungsloser Offenheit. Ein einzigartiges Zeitdokument und gleichzeitig Literatur von hohem Rang.



Der Koran ist zu weiten Teilen Bibel-Exegese. Er beschäftigt sich ganze Suren hindurch mit biblischen Figuren und erzählt ihre aus der Bibel bekannten Geschichten nach, wobei auch talmudische Midrashim oder christliche Legenden einfliessen. Nacherzählt, paraphrasiert oder leitmotivisch erwähnt  werden Lebensweg, Taten und Bedeutung von Adam, Noah, Abraham, Isaak und Jakob, in einer ganzen Sure von Joseph, in einem summarischen Abschnitt von Moses und Aron, dann nochmals von Abraham und Noah, David, Salomon, Hiob, Jona und Sachariah, in einer eigenen Sure wiederum von David, in einer anderen nochmals ausführlich von Moses, Lot, dem Propheten Elias und noch anderen Gestalten der hebräischen Bibel. Auch aus den christlichen Evangelien übernahm Mohamed auf diese Weise Erzählstoff und Personen, etwa Jesus, Johannes und Maria.18 In der Maria gewidmeten Sure gibt es wiederum eine längere Passage über Abraham, Isaak und Jakob, drei Gestalten, die im biblischen Text in keinem direkten Zusammenhang zu Maria stehen – ein Beispiel für die oft sprunghafte Assoziations-Technik, deren sich der Verfasser des Koran im Umgang mit den biblischen Stoffen bedient.

Nähme man vom Koran alles hinweg, was biblischer Stoff, späteres jüdisch-talmudisches oder christlich-theologisches Denken ist, bliebe nur noch ein schmaler Korpus übrig. Im Grunde ist das meiste, was der Koran an Fakten  mitteilt, biblischer Stoff. Wie ist bei dieser unbestreitbaren Abhängigkeit von jüdisch-christlichem Gedankengut die antijüdische und antichristliche Polemik des Textes zu erklären, die ein stilistisches Leitmotiv der 114 Suren bildet? Der polemische Unterton ist eine der Merkwürdigkeiten des Koran, die nur ihm als dem letzten der drei hier betrachteten Textwerke möglich ist. Während Juden und Christen als die Früheren von der Existenz der späteren Religion nicht wussten, sich folglich auch nicht mit ihr beschäftigten, konnte sich der Koran von Anfang an in polemischem Ton mit ihnen auseinander.

Die Polemik des Koran ist wiederum von den christlich-jüdischen und inner-christlichen Feindseligkeiten des 5. und 6. Jahrhundert beeinflusst. Der  Aufstieg der Lehre Mohameds und des Islam wurde durch innere Zerrissenheit des Christentums und christlichen Judenhass begünstigt. Mit Melito von Sardes, Ambrosius und einigen Kirchenvätern hatte sich der Antijudaismus der Kirche konsolidiert. Zugleich waren byzantinische, römische und ägyptische Kirche über die ungeklärte Frage von Christi Natur so tief zerstritten, dass ihre Versöhnung undenkbar schien und ihre Missionstätigkeit im Osten des Reiches erlahmte. Aussenstehende, zumal ungebildete, analphabetische Wüstenbewohner, verloren in den spitzfindigen innerkirchlichen Debatten die Orientierung. Die Vehemenz der Kämpfe zwischen den verschiedenen Kirchenfraktionen und zwischen diesen und den Juden stand in offensichtlichem Widerspruch zu der in der Bibel geforderten Nächstenliebe. In diese Bresche  stiess Mohamed mit einer vereinfachten Version des monotheistischen Konzepts, die vor dem Plafond der zeitgenössischen Zerwürfnisse überzeugend und integrierend wirkte.

Der neue Prophet leugnete keineswegs, dass er nur vollenden wollte, was vor ihm andere begonnen hatten, nur in wahrem Gottesgehorsam auszuführen sich anschickte, was Juden und Christen bereits enthüllt worden war, aber dann von ihnen durch Abtrünnigkeit verraten. Er sah sich als Verteidiger der Lehre gegen ihre ungehorsamen Schüler. Im selben Mass, in dem er einem bisher unwissenden, heidnischen Publikum die Essenz biblischer Gedanken als eigene Botschaft verkündete, vollzog er die Abgrenzung von Juden und Christen, denen er sie verdankte. In Sure 2, Vers 59 wird Juden und Christen zwar noch zugestanden, dass sie an der göttlichen Gnade teilhaben können, sofern sie „an Gott und den Letzten Tag glauben“, doch schon in Vers 107 der selben Sure – nach einer summarischen Darstellung des Zerwürfnisses zwischen Christen und Juden – wird beiden die Berechtigung abgesprochen, die Orte des Gebets zu Gott überhaupt noch aufzusuchen, da sie diese für die Anhänger der wahren neuen Lehre blockierten und zerstörten.19

Sure 2, Vers 110 verwirft gezielt das christliche Konzept vom Gottessohn. Sure 5 setzt sich mit den Juden auseinander, die frühere Inhaber der Lehre und „Volk des Buches“ genannt werden, jedoch durch Ungehorsam Gott erzürnt hätten, und kommt in Vers 85 zu dem Ergebnis: „Du wirst mit Sicherheit entdecken, dass die grössten Feinde der Gläubigen die Juden und die Götzenanbeter sind“. Juden und Götzenanbeter in einem Atemzug zu nennen, soll in Anbetracht der aus der Bibel bekannten jüdischen Aversion gegen Götzenkulte eine besondere Kränkung darstellen. In Vers 56 derselben Sure werden die Christen in das verächtliche Verdikt einbezogen: „Oh Gläubige, nehmt euch nicht Juden und Christen zu Freunden, denn sie sind untereinander befreundet. Wer sie zu seinen Freunden macht, wird einer von ihnen“.

Dass die Abgrenzung von den früheren Inhabern „des Buches“ einen Akt der Besitzergreifung darstellt, gibt Vers 62 zu erkennen: “Oh Gläubige, nehmt euch niemals die zu Freunden, denen das Buch vor euch gegeben wurde, und die Ungläubigen, die eure Religion mit Spott bedenken“. Die Religion des Buches ist also bereits „eure“, nämlich in den Besitz der Anhänger Mohameds übergegangen, während ihre früheren Eigentümer von nun an „Ungläubige“ sind. Sure 48 (betitelt „Sieg“) erklärt Torah und Evangelien bereits zu Büchern, in denen die Anhänger Mohameds dargestellt würden (Vers 29). Auch einzelne Gestalten wie Stammvater Abraham werden dieserart übereignet, Sure 3, Vers 60 erklärt, er sei „weder Jude noch Christ, sondern Muslim“. Der Prozess der eigenen Selbstaufwertung auf der Grundlage einer Schmähung von Juden und Christen ist von nun an ein Leitmotiv des Koran. Als Legitimation wird  angegeben: „Denn sie sind ein Volk ohne Verstand“.20

Der Verurteilung der früheren Völker der Bibel folgte ihre im Koran geforderte Bestrafung. Noch zu Lebzeiten liess Mohamed alle Juden der Stadt Medina niedermetzeln, weil sie sich weigerten, ihn als den Propheten Gottes anzuerkennen. Allmählich breiteten sich die islamischen Glaubenskrieger im Mittleren Osten aus. Mohameds Version der monotheistischen Botschaft gab den nomadischen Beduinenstämmen der arabischen Wüste eine Selbstgefühl schaffende, einende Identität. Jahrhunderte lang hatten sie sich gegenseitig bekriegt und vernichtet, hatten sie raubend, plündernd, um Wasserstellen und Weideland kämpfend die arabische Halbinsel durchstreift, in einem Zustand, den die islamische Tradition jahiliya nennt, „das Zeitalter der Ignoranz“.21

Durch die Lehre vom Einen Gott geeint, erwiesen sich die vordem verstreuten Nomadenstämme als unschlagbar. Schon wenige Jahre nach Mohameds Tod eroberten sie erste Gebiete des römischen Imperiums, 634 die Byzanz vorgelagerte Festung Bosra, dann die grossen christlichen Städte des Ostens, Damaskus, Aleppo, Antiochia, nach der Schlacht am Yarmok ganz Syrien, wenig später, 637 oder 638, Jerusalem, von dort aus die Küste der römischen Provinz Palästina. Sodann Alexandria und Ägypten, das östliche Mittelmeer und Nordafrika, wodurch schon wenig später die islamische Invasion gegen Europa selbst, die spanische Halbinsel, Süditalien und Frankreich, möglich wurde.

Kaum jemand in Europa hatte die Gefahr bemerkt. Weder die Entschlossenheit der islamischen Glaubenskrieger noch die integrierende Wirkung der Predigten Mohameds, die aus dem komplizierten, detaillierten, nur für Schriftkundige verständlichen Buch der Juden und Christen eine Kraft des absoluten Gottesgehorsams und „heiligen Kampfes“ werden liessen, ein verheerendes Potential, scheinbar aus dem Nichts erwachsen, aus einer desolaten Randprovinz des Reiches, Arabia deserta, die Römer und Europäer bis dahin keiner ernsthaften Betrachtung für wert erachtet hatten. Bis ins Mittelalter nahm die europäische Literatur Mohamed kaum zur Kenntnis, obwohl die Wirkung seiner Lehre überall spürbar, das Mittelmeer von seinen Flotten kontrolliert, ein Teil Europas von seinen Heeren besetzt war. Ein 1260 erschienener französischer Roman de Mahomet zeichnet ihn als Schwindler und Scharlatan, Dantes Divina Commedia um 1320 als „Antichrist“. Erst Goethe, Ende des 18.Jahrhunderts, versuchte einen differenzierteren Zugang zu dieser für Europas Schicksal so folgenschweren Figur.22

Für Mohamed bestand die Ironie der Geschichte darin, dass die innere Zerrissenheit der christlichen Sphäre, die er für den Aufstieg seines religiösen Konzepts so erfolgreich zu nutzen verstand, wenig später auch das Schicksal seiner eigenen Bewegung wurde. Die von ihm erstrebte Einigkeit der Muslime hielt nur kurze Zeit. Schon mit seinem Tod und den Auseinandersetzungen und Kriegen um seine Nachfolge begann sich die neue Religion zu spalten und in Fraktionen zu zerfallen, die einander bis heute blutig bekämpfen.



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Text-Struktur und –konsistenz: Der Koran ist ein Monolog. Er besteht aus 114 Suren oder Gesängen in Versform. Es gibt nur einen einzigen Sprecher, den Propheten Mohamed, der die göttliche Wahrheit zu besitzen erklärt und sie einem schweigenden Publikum mitteilt. Der Koran unterscheidet sich daher generell von der Bibel, die viele literarische Formen, zahlreiche Sprecher und immer andere Erzählweisen kennt.

Die biblischen Darstellungsweisen betonen, schon durch ihre textliche Strukur, den Dialog, die Interaktion zwischen verschiedenen Grössen. Zunächst zwischen der erschaffenden Urkraft elohim und der zu gestaltenden Materie, dann zwischen den Menschen und ihrem Schöpfer, den Juden und ihrem Gott, später, auch in den Evangelien, von Juden untereinander. Es ist sozusagen das dualistische Prinzip des Monotheismus. Denn Monotheismus ist nicht zwangsläufig Monismus: immer wieder in der Bibel ist das Aufweisen und Überwinden von Widersprüchen – bis hin zum offenen Streitgespräch – die vorgeführte Methode der Erkenntnis- und Wahrheitssuche, in den Mosaischen Büchern, bei den Propheten, im Buch Hiob, im Kohelet, in der Sammlung der Sprüche oder in den zahlreichen Debatten des Neuen Testaments. Wegen dieser ungleich komplizierteren Textstruktur ist die Bibel das mit weitaus mehr Mühe zu rezipierende der beiden Werke.

Aus Judäa vertriebene Juden lebten in Mohameds Tagen seit rund einem Jahrtausend in Babylonien, arbeiteten dort, hielten die in der Bibel gebotenen Gesetze, studierten und lehrten. Zudem gab es zahlreiche christliche Gemeinden in der Region, die grossen Städte waren oft Bischofssitze. Viele Beduinen der arabischen Halbinsel gerieten unter den Einfluss der Bibel. Unter dem Namen allah, abgeleitet vom alten hebräischen Gottesnamen al 23, wurde ein alleiniger, allvermögender Ein-Gott angebetet, ein Welterzeuger und Weltgebieter. Um 610 begann auch Mohamed, ein Sohn des Beduinenstammes Koresh, öffentlich als Prediger für diesen Gott zu wirken.

Lassen wir die Angabe des Hadith, er sei Analphabet gewesen, einmal dahingestellt, so ist zumindest unzweifelhaft, dass sein Publikum zum grössten Teil analphabetisch war. Mohamed erwies sich als begnadeter Multiplikator in einer vorwiegend auf mündliche Weitergabe angewiesenen Umgebung, als Poet, Erzähler, Verdichter komplizierter Zusammenhänge zu kurzen prägnanten Sprachformeln – die entscheidende Begabung, um eine ganz auf orale Rezeption angewiesene Zuhörerschaft zu gewinnen. Ein für öffentliche Deklamation und akustische Aufnahme bestimmter Text muss sich, um wirksam zu sein, in Struktur, Wortwahl und Diktion von einem für stille Lektüre geschriebenen unterscheiden. In der Umsetzung des in der Bibel geschriebenen in einen gesprochenen Text lag auch eine entscheidende inhaltliche Transformation.

Der sprechend Repetierende und Nacherzählende kleidete biblisches Gedankengut in Geschichten, Gleichnisse, poetische Bilder, und er tat es vor allem unter dem Gesichtspunkt, sie beim ersten Zuhören verständlich zu machen. Anders als die Rabbiner oder christlichen Priester konnte er bei seinen Rezipienten kaum Vorkenntnisse der biblischen Texte voraussetzen, er musste diese, wo zum Verständnis unerlässlich, gleichsam miterzählen, wodurch sich der Text seiner Predigten nicht selten auf mehreren Ebenen zugleich bewegt, zwischen denen die sprechende Stimme – nicht selten unvermittelt – hin- und herspringt.

So erzählt er in Sure 20 die Geschichte von Moses, von der Eröffnung am brennenden Dornbusch bis zum Auszug aus Ägypten, eine gewaltige Stoffmenge, für die der hebräische Originaltext mehr als dreizehn Kapitel, mehr als ein Viertel des zweiten Buches Mose, braucht.24 In Mohammeds Version umfasst die Geschichte kaum siebzig Verse. In dieser komprimierten Nacherzählung bringt er noch eigene Interpretation unter, auch ferner liegende topoi, etwa Seelenwanderung (Vers 58), oder führt spätere Termini ein (wie das jüdische Konzept der gehena, Vers 75-80, eine talmudische Bezeichnung für Unterwelt oder Hölle, deren Verwendung Mohameds Kenntnis rabbinischer Literatur belegt).

Mohameds Vortragsstil poetischer Verdichtung und Verkürzung, durch welchen Zusammenhang und Informationsgehalt des Textes Einbusse erlitten, mag Widerspruch von Seiten jüdischer und christlicher Schriftgelehrter ausgelöst haben, was zwischen ihm und diesen einen Bruch hervorrief und allmählich vertiefte. Langwierige, in den Mosaischen Büchern ausführlich abgehandelte Gesetzestexte offerierte er als formelhaftes Konzentrat. So werden in Sure 4 des Koran unter dem Titel “Frauen” die in den mosaischen Büchern über mehrere Dutzend Seiten ausführlich behandelten Gebote für das Verhältnis zwischen den Geschlechtern in nur wenigen radikal verdichteten Strophen zusammengefasst. Aus solcher Verdichtung ergibt sich jedoch ein wirksamer Nebeneffekt für den mündlichen Vortrag: sie trifft den Hörer bei öffentlichem Lesen mit einer fast benommen machenden Eindrücklichkeit und sprachlichen Wucht.

Sure 4, „Frauen“, zeigt, wie der inspirierte Prediger Mohammed die oft schwierigen Gegebenheiten – vor allem das beschränkte Verständnis seiner schriftunkundigen Zuhörerschaft – nicht als Behinderung, sondern als Herausforderung zur Entwicklung wirksamer Vermittlungstechniken verstand. Man liest Mohammeds Predigten bis heute mit nicht nachlassender Faszination. Ihre Zusammenfassung in Buchform – um 653 auf Geheiss des Kalifen Othman – führte zu einem hochgradig komprimierten, leidenschaftlich poetischen Text. Sein auffälligstes, auf den ersten Blick sichtbares Merkmal ist das auch aus dem biblischen Text bekannte leitmotivische, nicht selten rhythmische Wiederholen suggestiver Wortgruppen und Metaphern.25 Diese Wiederholungs-Technik hat sowohl text-kompositorische als auch Gemeinsamkeit stiftende Wirkung, indem sie den Textkörper schon auf den ersten Blick unterteilt oder gliedert, zudem in gewissen Abständen daran erinnert, dass Autor und Leser beziehungsweise Sprecher und Hörer ex compositio ein gemeinsames Anliegen zusammenführt.

Anders als die meisten biblischen Bücher ist Mohameds Textkörper im arabischen Original in einer „Quasi-Vers-Form“ gehalten, „in einem ungehinderten und irregulären Fluss der Zeilen“.26 Das Werk, das später durch Niederschreiben der gesprochenen Predigten entstand, heisst Koran, “das zu Lesende”, eine Wortbildung, deren Nähe zum biblischen Wort für lesen oder ausrufen, dem hebräisch-aramäischen kara (kuf-resh-alef) offensichtlich ist. Im Wesentlichen übernahm Mohamed die gesetzlichen Forderungen seines Koran den Fünf Büchern Mose. Doch je ausführlicher er seine Lehre ausarbeitete, je mehr Material er folglich der Bibel entmahm, um so grösser wurden auch seine Abweichungen. Sei es, dass ein beträchtlicher Teil der von den Rabbinern exegetisch aus dem Text ermittelten Gebote (hebräisch mizvot) Mohammeds Publikum und Anhängerschaft schwer zu vermitteln war – schon weil es sich um nomadisch lebende Wüstenbewohner handelte, die nicht lesen, mithin die Lehre nicht selbst studieren konnten –, sei es, dass Mohammed Einzelheiten im Sinne besserer Deklamierbarkeit und Eingängigkeit für verzichtbar hielt: er reduzierte Gebote in sinnverändernder Weise. Er übernahm etwa das Verbot, vom Fleisch bestimmter Tiere zu essen (darunter des Schweins), nicht aber den allgemeinen Kontext der mosaischen Bücher über die Zubereitung von Speisen und das Behandeln von Lebensmitteln, das umfassende, in der Torah ausführlich ausgearbeitete und begründete System der Reinheitsgebote, die sogenannten kashrut.

Neben solcherart Vereinfachungen adaptierte er Elemente in seine Lehre, die mit jüdischen und christlichen Konzepten der Welt unvereinbar sind, etwa das Paradies als Ort des Sinnenrauschs und irdischer Vergnügungen, das generelle Verbot Wein zu trinken oder die sprachliche Suggestion seiner, Mohammeds, eigenen Gottnähe.27 Mohamed oder die Aufzeichner seiner Predigten fügten dem stets wiederholten Satz “Es gibt keinen Gott neben Allah“ die stehende Formel hinzu „Und Mohammed ist sein Prophet“, eine  Assoziation, die nahe legt, dass er der einzige, der endgültige sei.

Der Koran besteht aus Gesängen, deren Name sura oder sure auf den ersten Blick die Nähe zum biblischen Wort shira (Lied, Gesang, Gedicht) erkennen lässt. Ein grosser Teil dieser Suren ist nichts anderes als die Wiedergabe biblischer Erzählungen, unterbrochen von didaktischen Hinweisen, Aufforderungen zur Andacht und leitmotivischen Erinnerungen an die lenkende Allmacht des „Gnadenreichen“, „Mitleidigen“, „Alleinigen“ – Gottesattribute, die allesamt der Bibel entnommen sind.28 Von den Suren, die nichts anderes sind als Nacherzählungen biblischer Texte, sei Sure 12 erwähnt, eine Repetition der biblischen Josefs-Geschichte in Versform, vereinfacht für Zuhörer, die zum ersten Mal – und mündlich – mit ihren nicht immer leicht aufnehmbaren Wechselfällen konfrontiert werden sollen.



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(Hg.) Chaim Noll:
Offene Fragen



Offene Fragen
70 Jahre PEN-Zentrum
deutschsprachiger Autoren im Ausland


 
Herausgegeben von
Chaim Noll


Verlag Synchron Publishers Tübingen 2005
270
Seiten,
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Der deutsche Exil-PEN wurde 1934 auf dem Internationalen PEN Kongress in Edinburgh gegründet, nachdem 1933 in Deutschland die Nationalsozialisten an die Macht gelangt waren und die meisten bedeutenden deutschen Schriftsteller ins Exil gingen. »Wo ich bin, ist die deutsche Kultur«, erklärte Thomas Mann anlässlich seiner Emigration. Sein Bruder Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger und Ernst Toller gehörten zu den Gründern des deutschen Exil-PEN. 

Es war die Gründung des deutschen Exil-PEN – später in PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland umbenannt und heute eines von zahlreichen Exil-PEN-Zentren in aller Welt –, anlässlich derer der internationale PEN die grundsätzliche Entscheidung traf, dem literarischen Exil einen genuinen Status einzuräumen. Zahlreiche Autoren – tote und lebende – haben zum Ruhm des deutschen Exil-PEN beigetragen, und die deutschsprachige Exilliteratur ist Gegenstand breiter internationaler Forschung. Die vorliegende Anthologie mit Texten von 35 Autoren belegt ihr breites intellektuelles Spektrum, ihre stilistische Vielfalt und ihre bleibende Verbundenheit mit der deutschen Kultur.

Mit Beiträgen von Rachel Abraham (Akron), Renate Ahrens (Dublin), Gabrielle Alioth (Rosemount), Peter Finkelgruen (Köln), Mariana Frenk-Westheim (Mexico City), Reinhold Grimm (Riverside), Barbara Honigmann (Strasbourg), Manfred Keune (Cape Coral), Freya Klier (Berlin), Oliver Kohler (Mainz), Christine Koschel (Rom), Günter Kunert (Itzehoe), Michel Roger Lang (Berlin), René Marti (Frauenfeld), Marko Martin (Berlin), Gert Niers (New Jersey), Chaim Noll (Beer Sheva), Hans-Christian Oeser (Killiney), Hans Poppel (Concord), Lutz Rathenow (Berlin), Stella Rotenberg (Leeds), Ulrich W. Sahm (Jerusalem), Margot Scharpenberg (New York) u.v.a.



Eine Besonderheit von Mohammeds Vortrag mögen die krampfartigen Zustände gewesen sein, die ihn in visionärem Zustand befielen29 und die von seinen Zuhörern in Ehrfurcht abgewartet wurden. Man wertete sie als Augenblicke der Inspiration, der höheren Beseeltheit, des Empfangens der Botschaft. Sie können einer der Gründe für den in manchen Suren auffallend abrupten, verwirrenden Wechsel des Themas, der Stimmung, des Erzähl-Duktus sein, für die oft erstaunlichen Abweichungen von einem „plausiblen“ Erzählverlauf, die von den Augenzeugen als Zeichen göttlicher Inspiration betrachtet und in der späteren Niederschrift beibehalten wurden. Doch ohnehin gehört eine gewisse “Sprunghaftigkeit” („the sudden change in style and subject-matter“) zu den Charakteristika alt-arabischer Poesie. Morris Seale sieht darin “Spuren nomadischer Mentalität“ („traces of nomadic mentality“). „Solche abrupten Übergänge sind typisch für die arabische Dichtung. Man findet in ein und demselben Gedicht die Beschreibung des Lieblingskamels (…) oder den schwelgerischen Lobpreis des Patrons unmittelbar gefolgt von pythischen Sprüchen oder Spruchweisheiten.“30 Daher wirken die bereits aus der Bibel bekannte Geschichten, Erzählungen, Lebensläufe im Koran oft verblüffend andersartig.

The Suras”, findet der englische Arabist Arthur J.Arberry, „are not arranged in any chronological order”.31 Durch das Fehlen der bekannten Chronologie und sinnvollen Anordnung könne beim europäischen Leser „perplexity“ ausgelöst werden. Der Koran ist nach abendländischem Verständnis eindeutig ein Werk der Dichtkunst, eher inspirativ und irrational gewachsen als in absichtsvoller Systematik. “Der grösste Dichter bist Du, oh grosser Prophet von Mekka...”, schrieb Heinrich Heine. Einige Jahrzehnte später schildert ihn Rilke als Analphabeten und „innen verwirrten Kaufmann“ (32).

Im Koran sind Zusammenhang schaffende Text-Merkmale zahlreich, aber  unstet vorhanden. Selbst die zuvor festgestellte Neigung zu Kürzung und Vereinfachung ist kein sicheres Merkmal und nicht durchgehend zu finden:  ebenso gern wie der Verfasser manche Zusammenhänge bis zum Kaum-noch-Nachvollziehbaren komprimiert, dehnt er andere zu unerwarteter Breite aus. Das betrifft die schon erwähnte Schilderung eines versprochenen Paradieses in den Suren 55 und 76, wo alle Genüsse eines Lebens nach dem Tode in einer diesem Textwerk sonst unbekannten Übergenauigkeit aufgeführt sind, etwa „Sofas, in Brokat gefasst, von denen sich die Früchte des Gartens pflücken lassen“, „Mädchen, keusch die Augen niederschlagend, da kein Mann oder Dshin sie bisher berührt hat“, „Huris, abgeschieden in kühlen Pavillons“, „Rubine und Korallen“, „Fontänen rinnenden Wassers“, „Kristallkelche“, „grüne Kissen und betörende Schlummerecken“.33

Ohnehin ist einer der am häufigsten erhobenen Einwände gegen Mohameds Botschaft – zumal in unseren Tagen – der unbestreitbare Tatbestand, dass ihre Adressaten, die mit „ihr“ angeredeten Empfänger des Textes, ausschliesslich Männer sind. Hier soll der Koran als literarischer Text interessieren, nicht als sexologisches Studienobjekt. Das Männerparadies des Koran, die „immerjungen Mädchen“ und „Fontänen von Wasser“, sind Beleg für die stilistischen Mittel, mit denen der Text arbeitet und die im Lauf der Jahrhunderte in der abendländischen Literatur – in unzähligen Gedichten, Kunstmärchen, Romanen, Opern und Hollywood-Filmen – zu dauerhaften Stereotypen in Verbindung mit der arabischen Halbinsel erstarrt sind.

Ausser dem didaktischen Mittel des Versprechens und der Verheissung benutzt der Koran noch andere: Warnung, Drohung, Ankündigung von Strafe. Einiges davon war Mohammed aus biblischen Texten bekannt, erfuhr jedoch in seinen Predigten eine deutliche Verschärfung. Das harte Nebeneinander sanft gewinnender und aggressiv-polemischer Passagen wurde zum stilistischen Prinzip, da der Koran ein Buch der Abgrenzung ist, der Verurteilung und Bestrafung derer, die sich zuvor der Botschaft als nicht würdig erwiesen haben, und der Belohnung derer, die dem Propheten zu folgen bereit sind. Die üppigen Darstellungen vom Paradies erweisen sich als notwendiger kompositorischer Ausgleich in einem Text, der auf dieser Welt vor allem eines fordert: absolute Unterwerfung. „Es ist ein Weg des Gehorsams“, schreibt Rosenzweig. „Das unterscheidet ihn, mehr als sein Inhalt, von der Liebe des Nächsten“.34 Sure 46, betitelt „Die Sanddünen“, erinnert zum wiederholten Mal an ein antikes Volk namens Ad, das zur Strafe für seinen Ungehorsam in der Wüste vertilgt wurde: „Da erblickten sie plötzlich eine Wolke von Staub sich dem Tal nähern, darin sie lebten…“35

Interessant ist die Verwendung von „Staub“ als Metapher für Tod. Sie mag als Beispiel dafür dienen, wie der Text des Koran, obwohl inhaltlich von der hebräischen Bibel inspiriert, stilistisch und metaphorisch der Empfindungswelt seines Sprechers und seiner Rezipienten verhaftet bleibt, der von geborenen Wüstenbewohnern. Im Gebrauch elementarer Metaphern in beiden Texten – Bibel und Koran – zeigt sich in seltener Deutlichkeit, wie verschieden die Hebräer von ihren arabischen Nachbarn sind. Für das Volk der Bibel ist Wüste ein nur vorübergehend erfahrener Ort, während die Zuhörerschaft Mohameds aus der Wüste stammt, von ihr geprägt, ganz autochthones Wüstenvolk ist. Anders die Hebräer, die niemals ihre Herkunft aus der urbanen Hochkultur Mesopotamiens abstreifen konnten, selbst in der Wüste nicht: ihr  Sinn blieb auch dort auf Organisation und Regulierung gerichtet, auf ein Gestalten und Urbarmachen, letztlich auf Rückkehr in eine aus früherer Zeit erinnerte landwirtschaftliche Gesellschaft. Niemals können sie in der Wüste jenes Unentrinnbare und Schicksalhafte sehen wie die alten nomadischen Wandervölker.

In der Metaphernsprache der Bibel ist somit auch „Staub” kein Symbol für Tod, vielmehr für sein Gegenstück: für irdisches Leben. Aus „Staub“, hebräisch afar, ist in der biblischen Schöpfungsgeschichte der Leib des Menschen gemacht.36 Man kann diese Substanz als Symbol irdischer Schwere verstehen, des Gebundenseins der unsterblichen Seele in ein materielles Gefäss, doch erst durch diese Einbindung in einen seine Flüchtigkeit hemmenden Körper aus „Staub“ wird der Mensch der biblischen Schöpfung, der adam, auf dieser Erde lebensfähig. Das Verb jazar, das die hebräische Bibel für den Vorgang der Formung des „Staub-Menschen“ verwendet, ist das selbe wie für Töpfern, eine der ältesten produktiven Leistungen des Menschen. Noch im zwanzigsten Jahrhundert empfindet der hebräische Dichter Jehuda Amichai Staub in diesem Sinn: „Dieser Staub ist wie wir“, heisst es in einem seiner Gedichte37, und das „wir“ meint irdisches, alltägliches Leben.

Hingegen ist “Staub” für die Völker der Wüste ein Schrecken erregendes, todbringendes Phänomen, schon durch die Mensch und Tier bedrohenden, jäh ausbrechenden Sandstürme. Strophe 23 der zitierten Sure 46 „Da erblickten sie plötzlich eine Wolke aus Staub...“ bestätigt die Vermutung, dass ein Sandsturm für das apokalyptische Verschwinden des Volkes Ad als Metapher dient. Im Textwerk der fünf mosaischen Bücher finden wir ein solches Ereignis nirgendwo erwähnt. Ad ist ein uraltes aramäisches Wort, das so viel heisst wie Ewigkeit, ewiges Geschehen, in einer zweiten Bedeutung auch Raub oder Beute. Ein aus Mohameds Sicht ungehorsames Volk wird Beute des „Sandes“, einer aus der Wüste aufsteigenden tödlichen Kraft. Eine Metapher des Koran, mehrdeutig, erschreckend vor dem Hintergrund des Schicksals der Kopten, Nabatäer, christlichen Syrer, Juden und vieler anderer Völker, die dem gewaltigen Ansturm im Wege waren.

Auch diese Sure zeigt, dass wir es beim Koran mit einem Werk grösster Ausdruckskraft zu tun haben, von eben jener Kraft, die nötig war, um seit Jahrhunderten durch die Wüste wandernde Beduinen zu beeindrucken, zu fesseln und zu gemeinsamer Aktion zu bewegen. Die expressionistische Ausprägung ist für sofortige Wirkung auf Zuhörer bestimmt, sie zeigt sich sowohl in Bildern paradiesischer Verheissung wie solchen angedrohter Strafe und Vernichtung.

In dieser letztgenannten Wirkung, der Erweckung von Gemeinsamkeit unter den seit Menschengedenken in blutigen Stammesfehden Verfeindeten, lag die  grosse soziale Leistung des Koran. Dieses religiöse Poem ist ein Beispiel dafür, welche ungeheure Wirkung ein literarischer Text erlangen kann. Die von ihm stimulierten Glaubenskriege führten verstreut in der Wüste lebende Stämme unter dem Banner einer gemeinsamen Religion zusammen, mehr noch: hielten sie zusammen durch Jahrhunderte, bis ein Weltreich entstanden war, das von der arabischen Wüste bis nach Nordafrika, von Asien bis Westeuropa reichte, und dessen militante Wiedererweckung uns bis heute beunruhigt.



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TEIL 2



ANMERKUNGEN



1To understand each other you have to talk about what divides” zitierte das amerikanische Nachrichtenmagazin Time, 27.11.2006, einen “dem Papst (Benedikt XVI.) nahestehenden Kleriker“.

2 Vor allem in jüngster Zeit haben die Kirchen die innere Konsistenz zwischen „Altem“ und „Neuem Testament“ stärker als früher betont, nicht zuletzt aus der Erfahrung, „dass ohne das Alte Testament, ohne Kontakt zu einem unsterblichen, alles überdauernden Judentum, das Christentum seinen eigenen Ursprüngen nicht treu sein kann.“ (Papst Benedikt XVI.)

3 Friedrich Nietzsche, Antichrist, 1888

4 Gotthold Ephraim Lessing erzählt in seinem Theaterstück „Nathan der Weise“ (uraufgeführt 1783 in Berlin) die aus des Boccaccios „Decameron“ (um 1350) bekannte Ringparabel nach, die dort von einem Juden Melchisedech aus Alexandria berichtet wird  („Melchisedech giudeo con una novella di tre anella cessa un gran pericolo dal Saladino apparecchiatogli“) vgl. Decameron, Edizione Riuniti, Roma 1983, p.56 (Dritte Erzählung des Ersten Tages).

5 Abrahams Geschichte wird zuerst in 1 Moses 12,1-25,11 mitgeteilt, er gilt als Stammvater der Hebräer. Die Evangelien leiten auch Jesu Herkunft von ihm her (Matthäus 1,1, Lukas 1,55), dem Neuen Testament gilt er als „unser aller Vater“ (Brief des Paulus an die Römer 4,16) Der Koran erwähnt ihn an ca.50 verschiedenen Stellen und behauptet, Sure 3 Vers 60: „In Wahrheit war Abraham weder Jude noch Christ, sondern Muslim“.

6 Maulana Muhammad Ali, A Manual of Hadith (Arab/English), London and Dublin, 1977, p.4

7 Franz Rosenzweig, Der Stern der Erlösung, Frankfurt/M, 1921, S.149, über den Islam:  „Und so können wir an diesem merkwürdigen Fall weltgeschichtlichen Plagiats uns vor Augen halten (…), wie ein aus dem Heidentum unmittelbar, sozusagen ohne Gottes Willen, ohne den Plan seiner Vorsehung, also in ‚rein natürlicher’ Verursachung, hervorgegangener Offenbarungsglaube aussehen müsste.“

8 Maulana Muhamad Ali, a.a.O., hadith Aisha, pp.4-9, hadith Jabir, p.9

9 Hesekiel 9,2. Der sechste Engel in der Vision Hesekiels ist in der Darstellung des  Babylonischen Talmud, Traktat Yoma 77a, der Erzengel Gabriel.

10 Daniel 10,5

11 Jeremia 1,6 ff., Jona 1,3 ff.

12 Maulana Muhamad Ali, a.a.O., hadith Aisha, p.7

13 Suren 12, 2 ; 13,38 ; 16,105 ; 20,111 u.v.a.

14 Christoph Luxenberg, Die Syro-Aramäische Lesart des Koran. Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache, Berlin 2000. Todesdrohungen extremistischer Muslime galten dem deutschen Orientalisten Hans-Peter Raddatz, dem französischen Philosophen Alain Finkielkraut u.a.

15 Was Luxenbergs These spektakulär macht und zum Gegenstand weltweiter Beachtung in den Medien, ist die daraus abzuleitende Annahme, es handle sich bei den in der arabischen Fassung des Koran beschrieben Paradieswonnen um Missverständnisse im  Übersetzen aus dem Aramäischen: die Houris „mit schwellenden Brüsten“ wären dann z.B. Rosinen. vgl. The Guardian, 12.January, 2002; newsweek, July 28, 2003

16 Maulana Muhamad Ali, a.a.O., hadith Zaid ibn Thabit, p.36, zu Abu Dawud und Thirmidi vgl.Fussnote 8 auf derselben Seite.

17 vgl. Ada Yardeni, The Book of Hebrew Script, Jerusalem 1997, Chapter 1E: The Abandonment of the Ancient Hebrew Script in Favor of the Aramaic Script, and the Birth of the Jewish Script, pp.41-46. Auch die talmudische Gemara überliefert, dass zwei Alphabete zum Schreiben hebräischer Texte in Gebrauch gewesen seien, ksav ashuri, das „Assyrische“ (d.i.das Aramäische), und ksav ivri, das Hebräische. Früheste Funde für beide Schriften etwa aus derselben Periode, 9.Jahrhundert v.u.Z.

18 Sure 19 ist nach Maria benannt, ihre Geschichte wird dort fragmentarisch nacherzählt und mit Erwähnungen von Gestalten aus der hebräischen Bibel (Abraham, Sacharja) und der christlichen (Johannes) auf eine schwer nachvollziehbare Weise verquickt.

19 Die in Sure 2 Vers 107 dargestellte gegenseitige Geringschätzung von Juden und Christen steht in offensichtlichem Widerspruch zu der in Vers 56 derselben Sure erhobenen Behauptung, sie wären „befreundet“.

20 (20) Sure 5 Vers 63

21 vgl. Morris S.Seale: Quran and Bible, Studies in Interpretation and Dialogue, London 1978, p.13, dort besonders der Bezug auf I.Goldziher und dessen Übersetzung des alt-arabischen jahl.

22 Zunächst in Texten, die um 1790 anlässlich der Übersetzung und Bearbeitung von Voltaires (den Propheten überaus negativ darstellenden) Mahomet ou le Fanatisme entstanden, wie dem Gedicht Mahomets Gesang. Später beschäftigte sich Goethe ausgiebig mit arabischer Poesie und entwickelte eine starke Hinneigung zur islamischen Sphäre.

23 vgl. Morris S.Seale, The Desert Bible. Nomadic Tribal Culture and Old Testament Interpretation, New York 1974, p.45: “The word al, variously translated as ‘high god’ or ‘yoke’, is the exact equivalent of the two cognate Arabic terms alu and ula (...) The same Hebrew word is found in verb form as alah, ‘to go up’, ‘to rise in rank or dignity’; it would mean the exact equivalent of the cognate Arabic.” Der Autor kommt auf p.201 nochmals auf diese hebräisch-arabische Sprachäquivalenz zurück.

24 2 Moses 12,1-25,11

25 vgl.Chaim Noll, Die Sprache der Bibel, Mut, Asendorf, 11/1996

26 vgl. Arthur J.Arberry, The Koran Interpreted, New York 1976, p.17: “The quasi-verse form with its unfettered and irregular rhythmic flow of the lines…”

27 Aus Sicht des rabbinischen Judentums scheint es absurd, dass in der “kommenden Welt” ausgerechnet das getrieben werden sollte, was in dieser Welt für sündhaft oder gesetzeswidrig gilt wie der Beischlaf mit fremden Frauen. Allerdings ist die Authentizität der arabischen Version zweifelhaft, vgl. Fussnote (15). Hingegen ist das Trinken von Wein im Judentum bei bestimmten rituellen Anlässen geboten (Shabat, Feiertage).

28 vgl. die sogenannten Dreizehn Attribute von Gottes Natur, 2 Moses 34, 5-7, vgl. Rabbi J.H.Hertz, The Pentateuch and Haftorahs, London 1992, pp.362, 364

29 vgl. die Berichte von Zeitgenossen, vor allem der Witwe Aisha, in Maulana Muhamad Ali, Manual of Hadith, a.a.O., pp.3-15

30 vgl. Morris S.Seale, The Desert Bible. Nomadic Tribal Culture and Old Testament Interpretation, New York, 1974, p.135

31 vgl. Arthur J.Arberry, a.a.O., p.25. Er gibt als einen der Gründe hierfür an: “The Suras are (…) of a composite character, holding embedded in them fragments received at widely differing dates.”

31 vgl. Minou Reeves, Pantheism, Heroism, Sensualism, Mysticism. Muhammad and Islam in German Literature from Goethe to Rilke, in R.Goerner (Hg.), Traces of Transcendency. Religious Motifs in German Literature and Thought, München 2001, pp.103-105

33 Sure 56,12 ff; 55, 45ff.; 76, 12ff.

34 Franz Rosenzweig, Der Stern der Erlösung, a.a.O., S. 275. Rosenzweig sieht die Essenz der jüdischen wie christlichen Botschaft in 3 Moses 19,18: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.

35 Sure 46, 23

36 1 Moses 2,7

37 Jehuda Amichai, Zeit, Frankfurt/M., 1998, S.47


Der Autor

CHAIM NOLL

ursprünglich Hans Noll, wurde 1954 als Sohn des Schriftstellers Dieter Noll in Berlin (Ost) geboren. Dem Studium der Mathematik in Berlin und Jena folgt ein Studium der Kunst und Kunstgeschichte. Noll war Meisterschüler der Akademie der Künste. Anfang der 80er Jahre verweigert er den Wehrdienst und wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Chaim Noll löst sich aus seinen Bindungen an Staat und Partei, was zugleich den Bruch mit seinem Vater nach sich zieht. 1984 wird Noll ausgebürgert, geht in den Westen, arbeitet als Journalist und beginnt eine Karriere als Schriftsteller.

(Foto: © Fred Viebahn)

Von 1992 bis 1995 lebt er in Rom und geht von dort nach Israel, wo er 1998 eingebürgert wird. Er lebt heute in der Wüste Negev und ist Writer in Residence und Dozent am Center for International Student Programs der Ben Gurion Universität Beer Sheva. Zu seinem schriftstellerischen Werk gehören Gedichte, Erzählungen, Romane und Essays.

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