ONLINE-EXTRA Nr. 306
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"Der Glaube Jesu eint uns, der Glaube an Jesus trennt uns". Dieses bekannte Bonmot des jüdischen Religonswissenschaflters Schalom Ben-Chorin bringt in gewisser Weise eine der zentralen Differenzen zwischen Judentum und Christentum anschaulich auf den Punkt. An der Beurteilung und Deutung der Person Jesu scheiden sich die Geister dieser beiden großen Weltreligionen. Für die einen, die Juden, ist er bestenfalls ein Lehrmeister, ein "Bruder" (Ben-Chorin), schlimmstenfalls einer der vielen falschen Messiasse, die die jüdische Tradition kennt - für die anderen wiederum, die Christen, ist er die zentrale Lebens- und Glaubensfigur ihrer Religion, Erlöser und Heilsbringer, kurz: das Zentrum ihres Glaubens.
In gewisser Weise hat die Person Jesu in den gut letzten 100 Jahren eine zweifache Renaissance erlebt, eine jüdische und eine christliche - und beide fußen auf der (Wieder-)Entdeckung der Jüdischkeit Jesu. Dies gilt, freilich stets aus der je eigenen Perspektive, sowohl für die lebhafte, wenn auch in ihrer innerjüdischen Wirkung begrenzte, jüdische Jesusforschung wie auch für die nicht minder lebhafte, wenn auch in ihrer innerchristlichen Wirkung begrenzte, christliche Jesusforschung. Die tiefe Verwurzelung Jesu im jüdischen Glauben und jüdischer Tradition seiner Zeit steht für beide Seiten außer Frage, was in vielerlei Hinsicht das Gespräch zwischen Juden und Christen befruchtet. Und zugleich war und bleibt die Deutung und Bedeutung seiner Person für beide Religionen höchst unterschiedlich, was den Dialog zwischen den beiden Religionen immer wieder an Grenzen stößen läßt. In den Worten unseres heutigen ONLINE-EXTRA-Autors, des in Wien lehrenden Theologen Christian Danz:
"Er (Jesus) praktizierte den religiösen Kultus seines Volkes und hatte wohl kaum die Absicht, eine neue oder andere Religion zu stiften. Auf den Nazarener bezieht sich aber auch die christliche Religion. In ihr ist er der Sohn Gottes, der Christus und der Erlöser der Welt. Mit ihm kam eine neue Religion in die Welt. Wie geht beides zusammen, auf der einen Seite der judäische Wanderprediger aus Galiläa und auf der anderen der christliche Erlöser?"
Diese Frage und die sich daraus ergebenden theologischen Konflikte und Spannungen im Blick auf das christlich-jüdischen Verhältnis hat Christian Danz in den Mittelpunkt seiner Anfang diesen Jahres im Verlag Mohr Siebeck vorgelegten Studie gestellt: "Jesus von Nazareth zwischen Judentum und Christentum". Die in seiner Studie behandelte Problematik hat Danz kürzlich in einem lesenswerten Beitrag für das "Deutsche Pfarrerblatt" (Heft 3/2020) skizziert. COMPASS dankt dem "Deutschen Pfarrerblatt" und dem Autor für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag von Christan Danz an dieser Stelle als ONLINE-EXTRA wiederzugeben: "Jesus zwischen Judentum und Christentum. Überlegungen zur Christologie im christlich-jüdischen Dialog".
und dem Autor - online exklusiv für ONLINE-EXTRA
Online-Extra Nr. 306
Vor dem Hintergrund des christlichen Antijudaismus, der sich bis in die ntl. Schriften zurückverfolgen lässt und im Holocaust gipfelte, haben nach dem Zweiten Weltkrieg katholische und protestantische Theologen dafür plädiert, eine neue Sicht des Judentums in der christlichen Theologie auszuarbeiten. Jesu Judesein müsse in der Theologie selbst Berücksichtigung finden und die Christologie gleichsam als eine Bestätigung des ungekündigten Bundes Gottes mit seinem Volk verstanden werden. Auf diese Weise scheint man zu einer neuen, alte Vorurteile und Diskriminierungen hinter sich lassenden Sicht des Judentums zu gelangen. Allein, überträgt man die Christologie auf die jüdische Religion, um sie in der Gestalt Jesu Christi zu begründen, dann wird jegliche theologische Differenz zwischen beiden Religionen ausgeschaltet. Zur Folge hat das nicht nur eine untergründige Vereinnahmung des Judentums, es kann auch nicht mehr als eine eigenständige Religion anerkannt werden.
Demgegenüber wird hier vorgeschlagen, die Christologie als Beschreibung der theologischen Besonderheit der christlichen Religion zu verstehen und von ihrer Übertragung auf das Judentum abzusehen. Nur durch eine solche Selbstbeschränkung, so die These, gelangt die Theologie zu einer wirklichen Anerkennung der jüdischen Religion als einer selbständigen Religion.
Die Gliederung der nachfolgenden Überlegungen ergibt sich aus dem angedeuteten Problemhorizont. Einzusetzen ist mit einem Überblick über die theologischen Neubestimmungen der christlichen Sicht des Judentums seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. und ihren Aporien. Im zweiten Abschnitt ist die systematische Funktion der Christologie mit Blick auf ihre neuzeitliche Entwicklungsgeschichte zu diskutieren. Vor dem Hintergrund der Ausführungen wird im abschließenden dritten Abschnitt ein Vorschlag zur Diskussion gestellt, der zu einer wirklichen Anerkennung des Judentums als einer gegenüber der christlichen eigenständigen Religion führt.
1. Christologie im christlich-jüdischen Dialog
Die unvorstellbare Katastrophe des jüdischen Volkes im 20. Jh. führte nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl in der protestantischen als auch in der römisch-katholischen Theologie zu Neubestimmungen der christlichen Deutung der jüdischen Religion und ihres Verhältnisses zur christlichen.1 Systematisch lassen sich drei idealtypische Formen der theologischen Grundlegung einer neuen Sicht der jüdischen Religion in der christlichen unterscheiden. In allen dreien steht die Christologie im Fokus. Diese wird erstens als theologische Beschreibung ausformuliert, wie die Völker Zugang zu dem einen Bund Gottes mit dem israelitischen Volk erhalten, zweitens als christliche Begründung einer bleibenden Erwählung der jüdischen Religion sowie ihrer gleichen Geltung mit der christlichen und drittens als metaphorische Beschreibung der religiösen Bedeutung Jesu neben anderen religiösen Heroen. Diese Umformulierungen der Christologie sind mit jeweils spezifischen Problemen konfrontiert, die die Konstruktionen im Resultat ungeeignet für eine Anerkennung der jüdischen Religion durch die christliche erscheinen lassen.
1.1 Israeltheologien
Im Anschluss an die Theologie Karl Barths, die gleichsam auf die Religionsgeschichte übertragen und als Beschreibung der jüdischen Religion benutzt wird,2 arbeiteten Friedrich-Wilhelm Marquardt3 und Berthold Klappert4 Israeltheologien aus, denen es um eine Revision des latenten und manifesten Antijudaismus der protestantischen Lehrtradition geht. Jesu Judesein müsse ebenso wie das Nein des Judentums zu Jesus Christus in einer Neubestimmung der dogmatischen Christologie konstitutive Berücksichtigung finden. Das wird so aufgenommen, dass den Völkern durch Jesus von Nazareth ein Zugang zu dem Bund Gottes mit dem Volk Israel eröffnet wird: „Durch die Taufe werden die Menschen aus der Völkerwelt Mit-Erben der Erwählung und Mit-Teilhaber an der Verheißungsgeschichte Israels. Die Taufe auf Christus, den verheißenen Messias Israels, und das Entstehen der Kirche als der Ecclesia aus Juden- und Heidenchristen sind der konkrete Vollzug der Einbeziehung der Menschen aus der Völkerwelt in den ungekündigten Raum der Verheißungs- und Erwählungsgeschichte Israels.“5 Die Gottesoffenbarung in Jesus Christus und die christliche Religion treten also nicht mehr an die Stelle des Bundes Gottes mit Israel. Vielmehr eröffnet umgekehrt Jesus von Nazareth den Heiden die Möglichkeit, an dem Bund Gottes mit Israel teilzuhaben und so Miterben derjenigen Verheißung zu werden, die der jüdischen Religion gilt. Die Christologie wird damit zur Bestätigung der bleibenden Erwählung Israels. Jene trennt nicht mehr Judentum und Christentum, sondern verbindet beide.
Eine solche theologische Konstruktion der Christologie muss diese konsequent als Bestandteil der jüdischen Religion reformulieren und das Dogma gleichsam als deren Bestätigung verstehen.6 Die christliche Religion kann auf diese Weise jedoch lediglich als eine Art Judentum für die Völker in den Blick kommen, denen durch Jesus Christus der Anschluss an die jüdische Religion ermöglicht ist. Lässt sich vor diesem Hintergrund noch von einer eigenständigen christlichen Religion reden, wenn sie als eine Universalisierung der jüdischen verstanden und damit jegliche theologische Differenz zwischen beiden Religionen bestritten wird?7 Das theologische Problem, das Verhältnis von zwei Religionen zu beschreiben, wird durch dessen Entsorgung gelöst.
1.2 Übergeordnete Rahmentheorien
Anders verfahren Ansätze, die zunächst ebenfalls an der Intention festhalten, die Lehre von Christus als Bestätigung der Erwählung sowie des bleibenden Bundes Gottes mit seinem Volk auszuarbeiten. Systematisches Gewicht erhält auch hier das Judesein Jesu. Das sogenannte Partizipationsmodell wird aber ersetzt durch Konzeptionen, die die Eigenständigkeit der christlichen Religion mit einer theologischen Deutung der jüdischen verbinden, ohne deren bleibende Erwählung zu revozieren. Ausarbeiten lässt sich das nur im Rückgriff auf einen beide Religionen übergreifenden Rahmen, in dem die jüdische und die christliche Religion als dessen Besonderungen verstanden werden können. So fungieren der Bund Gottes, die Tora, die Offenbarung Gottes oder das Eschaton als beide Religionen Verbindendendes.
In einigen Entwürfen werden die Tora oder der Bund Gottes als Modell zugrunde gelegt, um aus der Perspektive der christlichen Religion eine Christologie zu konstruieren, die nicht zu einer Herabstufung des Judentums führen soll. Wenn aber Jesus Christus als Erfüllung von Bund und Tora verstanden wird,8 beides in der israelischen Religion nicht möglich ist,9 dann ist nicht zu verstehen, wie das Judentum mehr als eine bloß defizitäre Vorstufe zum Christentum sein kann. Der in der Konzeption gar nicht zu vermeidende Inklusivismus führt mit geradezu logischer Notwendigkeit zu einer Depotenzierung der jüdischen Religion. Das ist auch da nicht anders, wo man die Offenbarung Gottes oder das Eschaton als beide Religionen übergreifenden Horizont postuliert. Findet man in der Tora denselben Gehalt wie in der Offenbarung Gottes in Jesus Christus,10 so kann jene nichts anderes als eine Dublette von dieser sein. Die jüdische Religion wäre dann aber auch lediglich eine Art unbewusstes Christentum. In der inklusivistischen Begründung der bleibenden Erwählung der jüdischen Religion durch die Bestimmung, die Tora enthalte im Kern nichts anderes als die Gottesoffenbarung in Christus, wird die Eigenständigkeit des Judentums aufgehoben.11 Vermeiden kann man das in dem inklusivistischen Rahmen nicht einmal durch die problematische These, Gott hätte in seiner Offenbarung in Christus vergessen, was er in der Tora gesagt hat. Damit wäre der Gottesbegriff aufgelöst.
Über das Dilemma führt auch die Eschatologie als christlich-theologische Begründung des bleibenden Bundes Gottes mit Israel nicht hinaus. Begreift man die jüdische und die christliche Religion als unterschiedliche geschichtliche Ausformungen bzw. Gestaltungen des Bundes Gottes, dessen volle Verwirklichung als endzeitlich angesetzt wird,12 mag man zwar für die Geschichte sowohl eine Eigenständigkeit der jüdischen Religion als auch deren Gleichgeltung mit der christlichen behaupten, aber diese ist nur vorläufig. Im Eschaton gibt es nur noch eine Religion, nämlich die christliche.13 Zudem bleibt es hier ebenfalls dabei: Die jüdische Religion kann sich in ihrem Kern nicht von der christlichen unterscheiden, da es derselbe Gott ist, der sich in beiden Religionen zwar unterschiedlich offenbart, sich dabei aber eben nicht widersprechen kann.14
1.3 Viele „Bünde“ Gottes
Bietet vielleicht die sogenannte pluralistische Religionstheologie eine Alternative zu den bislang diskutierten Versuchen, in der christlichen Theologie eine Gleich-Gültigkeit der jüdischen Religion zu begründen? Die exklusivistischen und die inklusivistischen Konstruktionen der Religionsvielfalt, wie sie in dem Modell des einen Bundes, der durch Christus für die Völker geöffnet wird, und in der Konstruktion von unterschiedlichen Gestalten dieses göttlichen Bundes zugrunde gelegt sind, werden, da sie über Vereinnahmungen von religiöser Alterität nicht hinausführen, hier fallen gelassen. Statt eines Bundes gibt es viele Bünde Gottes, die alle gleich gültig sind.15 Grundlage dieses Modells ist nicht ein Gottesgedanke, sondern ein Absolutes hinter den religiösen Göttern. Die geschichtlichen Religionen sind unterschiedliche Antworten auf Manifestationen jenes ihnen allen gemeinsam zugrundeliegenden transzendenten Absoluten.16 Da keine geschichtliche Religion einen privilegierten Zugang zu dem transzendenten Absoluten hat, sie alle jedoch kulturspezifische Antworten auf dessen Manifestationen sind, die in einer Wendung von menschlicher Selbstzentriertheit zu einer Ausrichtung auf das Divine besteht, sind sie alle gleich. Für das Verhältnis von Christentum und Judentum bedeutet das: vor dem göttlichen Absoluten kann es keine Rangunterschiede zwischen beiden Religionen geben. Weder tritt die christliche Religion an die Stelle der jüdischen noch wird jene irgendwie in diese aufgenommen.
Allerdings beruht die Gleich-Gültigkeit der Religionen darauf, dass sie alle denselben Gehalt haben, nämlich die Ausrichtung auf das Göttliche, die mit einer Abkehr von humaner Selbstbezogenheit verbunden ist. Die Differenzen von Judentum und Christentum, ihre Alterität, werden monistisch aufgelöst. Es gibt nur eine Religion. Für die Christologie bedeutet das, sie muss ebenso wie der jüdische Erwählungsgedanke umformuliert werden zu einem partikularen Ausdruck der Umkehr des Menschen zu dem allgemeinen Absoluten.17 Die theologische Begründung des Judentums als einer Religion, die der christlichen ebenbürtig und gleichberechtigt ist, geht einher mit der Auflösung der Besonderheiten beider Religionen.
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2. Zur Funktion der Christologie
Im Fokus der Debatten über eine neue positive Wertschätzung der jüdischen durch die christliche Religion steht die dogmatische Christologie. Hier kann diese ebenso als Hindernis einer christlichen Anerkennung des Judentums wie umgekehrt als Grundlegung einer neuen Sicht bzw. als Begründung und Bestätigung der jüdischen Religion aufgefasst werden. Beides bleibt jedoch aporetisch, da es nicht zu dem führt, was sie anstreben: einem Abbau alter Überlegenheitsansprüche der christlichen Religion, die sich mit einer Herabsetzung der jüdischen zu einer bloßen Vorstufe des Christentums verbinden. Der zugrunde gelegte inklusivistische Rahmen schaltet eine theologische Differenz beider Religion aus. Folgerichtig gelangt man lediglich zu einer vorläufigen Anerkennung des Judentums, die in der Konstruktion des Eschatons wieder revidiert wird. Die Benutzung der Christologie in den vorgestellten Konzeptionen wirft die Frage nach ihrer Funktion auf. Ist die Lehre von Christus wirklich der Ort, an dem in der Theologie eine bleibende Erwählung des jüdischen Volkes durch Gott begründet werden kann? Ohne eine Einbeziehung der Entwicklungsgeschichte der dogmatischen Christologie im Protestantismus der Moderne und ihres Verhältnisses zur historischen Jesus-Forschung lassen sich die aufgeworfenen Fragen nicht beantworten.
2.1 Historischer Jesus vs. dogmatischer Christus?
Bereits in der Aufklärung wurde der christologische Lehrbegriff der altprotestantischen Theologie, in deren Zentrum der gott-menschliche Erlöser sowie sein Versöhnungswerk standen, aufgelöst.18 Den Hintergrund bilden die Zersetzungen des Schriftprinzips der Theologie des Altprotestantismus sowie die erkenntnistheoretische Kritik an den metaphysischen Voraussetzungen der alten Lehre. In den unterschiedlichen christologischen Konzeptionen, die seit 1800 ausgearbeitet wurden, traten der Jesus der Geschichte und das dogmatische Christusbild zunehmend auseinander.19 Umstritten ist deren Verhältnis bis in die Gegenwart, wie nicht zuletzt an christologischen Konzeptionen deutlich wird, die zu einer grundsätzlichen Neubewertung der jüdischen Religion in der Theologie beitragen wollen.
Allerdings wurde schon in den Debatten der ersten Hälfte des 20. Jh. die dogmatische Christologie von der historischen Rekonstruktion des Nazareners abgelöst und als eine theologische Beschreibung des Glaubens ausgearbeitet. Es ist nun der christliche Glaube, der sich als ein in die Geschichte eingebundenes Geschehen im Christusbild darstellt und sich mit diesem über sich selbst verständigt. Die Lehre von Christus wird dadurch nicht mehr als ein inhaltliches Element der christlichen Religion verstanden, vielmehr dienen die inhaltlichen Bestandteile des Christusbildes der Darstellung des Glaubensaktes und seiner reflexiven Struktur. Jesus von Nazareth fungiert nicht mehr als Voraussetzung der christlichen Religion, aus der diese in begründungslogischer Hinsicht abgeleitet werden könnte, sondern als ein Bestandteil der Selbstbeschreibung des christlichen Glaubens.20 In und für die christliche Religion ist Jesus Christus deren Grund und Voraussetzung, aber nicht außerhalb ihrer.
Freilich erweckte die Durchführung der christologischen Neubestimmungen im frühen 20. Jh. aufgrund ihres notwendig inhaltlich-gegenständlichen Zuschnitts den Eindruck einer religionsgeschichtlichen Beschreibung und Revitalisierung von alten Absolutheitsansprüchen des Christentums, die nun in einem Christomonismus gipfelten.21 Die theologische Perspektive einer Selbstbeschreibung der christlichen Religion wurde nicht deutlich von einer historisch-religionsgeschichtlichen unterschieden.
2.2 Die neue Frage nach dem historischen Jesus
Als nach dem Zweiten Weltkrieg in der protestantischen Theologie erneut nach dem historischen Jesus und nach einem Anhalt der dogmatischen Christologie an ihm gefragt wurde,22 blieb es bei dieser Gemengelage. Historische Forschung und dogmatische Konstruktion wurden nicht klar auseinandergehalten. Dadurch setzte sich nicht nur die exegetische Forschung dem Verdacht dogmatischer Voreingenommenheit aus,23 auch die christologischen Konzeptionen schienen auf eine Begründung durch die historische Forschung hinauszulaufen, indem das Christusbild des Glaubens an den historischen Jesus zurückgebunden wird. Doch weder Ernst Käsemann noch Gerhard Ebeling oder Eberhard Jüngel strebten eine Fundierung des Glaubens durch die Geschichtswissenschaft an.24 Ihnen ging es um eine Aufnahme des Bildes des Glaubens von seiner eigenen Geschichte in die Christologie. Allein Wolfhart Pannenberg nahm – im Unterschied zu Ebeling, Jüngel und anderen – die historische Forschung im Sinne einer Begründung des Glaubens auf.25 Aber auch das erwies sich als undurchführbar, da eine Fundierung der christlichen Religion dann allein dadurch möglich ist, dass ein Bestandteil von ihr als deren fundierende Voraussetzung postuliert wird, der Glaube mithin als Voraussetzung seiner selbst behauptet wird.26
2.3 Deutliche Unterscheidung von Glaube und Historie
Für die dogmatische Christologie ergibt sich aus der skizzierten Problemgeschichte die Forderung einer deutlichen Unterscheidung von Glaube und Historie, von historischer und dogmatischer Wissenschaft. Darin besteht die Konsequenz der Aufnahme der kritischen Geschichtswissenschaft in die dogmatische Beschreibung der christlichen Religion. Glaube und Geschichte überlagern sich, fallen jedoch nicht zusammen. Erst so wird die Funktion der Christologie für die Theologie und die Konstruktion der christlichen Religion durch Letztere deutlich. Die Lehre von Jesus Christus ist eine Reflexionsebene im christlichen Glauben, aber keine inhaltliche Beschreibung der christlichen Sicht der religionsgeschichtlichen Entwicklung oder des Mannes aus Nazareth. In der Christologie konstruiert die Theologie die reflexive Struktur des Glaubens, der sich in einem Bild seiner selbst darstellt. Grund des christlichen Glaubens ist Jesus von Nazareth allein in und für die christliche Religion, allerdings nicht als eine historische Voraussetzung, aus der das Christentum abgeleitet werden könnte. Wird damit nicht die historische Jesusforschung bedeutungslos für eine dogmatische Christologie? Entledigt sich diese nicht ebenso der jüdischen Identität des Mannes aus Nazareth? Und fordert nicht gerade das Resultat der historischen Forschung, Jesus von Nazareth gehöre in die jüdische Religion, eine Berücksichtigung in der Ausarbeitung der dogmatischen Christologie?
Die historische Erforschung des Nazareners hat deutlich gemacht, dass Jesus nur im Horizont des antiken Judentums verstanden werden kann. Auch das frühe Christentum gehört, wie die neuere Debatte betont hat, in die jüdische Religion. Ohne die jüdische Religionsgeschichte ist und bleibt die Entstehung des frühen Christentums unverständlich. Es waren seine jüdischen Anhänger, die Jesus in das Zentrum ihrer religiösen Anschauungen rückten.27 Allein die aus dem historischen Befund abgeleitete Konsequenz, Jesu Judesein müsse in der christlichen Theologie als Bestätigung der jüdischen Religion aufgenommen und ausgearbeitet werden, da die Christologie andernfalls in Widerspruch zu dem Nazarener tritt,28 führt in die Schwierigkeit, eine theologische Differenz beider Religionen aufzulösen. Christologie ist keine inhaltliche Beschreibung des Mannes aus Nazareth. Sie beschreibt vielmehr seine Funktion für die christliche Religion. In ihr ist die personale Aneignung Gottes im Glauben ein Bestandteil des Gottesgedankens. Es geht also in der Christologie um eine Neubestimmung des Religionsverständnisses gegenüber der jüdischen Religion. Dieses neue, aber eben nicht das wahre, Religionsverständnis führt sich auf Jesus von Nazareth zurück, den es als Christus allein in der christlichen Religion gibt.
Damit ist der historische Befund nicht revoziert, sondern bestätigt, dass Jesus sowohl in die jüdische als auch in die christliche Religionsgeschichte gehört.29 Historisch betrachtet ist er ein Bestandteil beider Religionsgeschichten. Im antiken Judentum hat er gelebt und dieses hat er geteilt. Zugleich führt sich das Christentum auf ihn zurück und versteht ihn als Erlöser und Sohn Gottes. Nimmt man den Koran und seine Bezugnahme auf die Gestalt Jesu noch hinzu, dann gehört er genauso in die islamische Religionsgeschichte. In jeder dieser Religionen wird der Mann aus Nazareth signifikant anders verstanden, ohne dass man sagen könnte, eine dieser Sichtweisen wäre die eigentlich richtige oder hätte gleichsam die Eigentumsrechte an Jesus.
In der Christologie geht es weder – wie im altprotestantischen Lehrbegriff oder in der Aufklärungstheologie – um die Begründung der wahren Religion noch – wie in der theologischen Debatte des 20. Jh. – um eine Konstruktion wahren oder eigentlichen Menschseins. Ebenso wenig ist Theologie als eine Art Universalwissenschaft zu konstruieren, die die in Jesus Christus offenbar gewordene eigentliche Sicht der Wirklichkeit ausarbeitet, die nur ihr zugänglich ist und außerhalb ihrer unbewusst bleibt. Vor dem Hintergrund einer pluralen modernen Kultur leuchten solche Konzeptionen, wie sie in der zweiten Hälfte des 20. Jh. ausgearbeitet wurden und die im Hintergrund der theologischen Neubestimmungen des Verhältnisses zur jüdischen Religion stehen, nicht mehr ein. Die systematische Theologie ist als Wissenschaft von der christlichen Religion darzustellen, die deren Funktionieren aus der Sicht der Teilnehmer beschreibt.
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3. Christologie und die Anerkennung der jüdischen Religion
Die Versuche, Jesu Judesein in der dogmatischen Christologie als Begründung oder Bestätigung der jüdischen Religion aufzunehmen und durchzuführen, sind, wie dargelegt, höchst problematisch. Sie nivellieren die Eigenständigkeit und Alterität des Judentums, da Jesus als der Christus ein Bestandteil der christlichen, aber nicht der jüdischen Religion ist. Die aporetischen Konsequenzen, die der gesamten Konstruktion zugrundeliegen, treten in der Eschatologie besonders deutlich zutage. Durchgehend wird eine bleibende Erwählung Israels durch Gott eingeräumt, aber zugleich im Eschaton Jesus Christus als der endgültige Retter des Judentums behauptet. Angelegt ist das bereits in der Intention, in der christlichen Theologie „die bleibende Berufung Israels nicht nur anzuerkennen, sondern auch positiv durchzubuchstabieren und zur Geltung zu bringen“.30 Über eine inklusivistische Vereinnahmung der jüdischen Religion, der dann Gott im Eschaton selbst die Augen öffnet, gelangen solche Ansätze nicht hinaus.
Für die christliche Theologie ergibt sich hieraus die Forderung einer vorbehaltlosen Anerkennung der jüdischen Religion in ihrer Eigenständigkeit. Nur so wird die Theologie das Dilemma von Ersetzung oder Vereinahmung des Judentums hinter sich lassen können. Das setzt den Verzicht auf beide Religionen übergreifende Einheitsmodelle voraus. In einem solchen Rahmen können Judentum und Christentum nur als geschichtliche Besonderungen eines zugrundeliegenden Allgemeinen verstanden werden. Ein beide Religionen umfassendes Allgemeines, sei es der Religions- oder der Gottesbegriff, kann nur aus der Perspektive jeweils einer Religion formuliert werden. Die inklusivistische Konsequenz, die andere Religion in eine geschichtliche Verkleidung der eigenen zu transformieren, lässt sich auf diese Weise nicht vermeiden.
Zu einer Würdigung des Judentums als einer eigenständigen Religion gelangt die christliche Theologie erst dann, wenn sie auf deren Begründung verzichtet. Nicht nur ist die jüdische Religion auf eine christliche Fundierung gar nicht angewiesen, ein solches Ansinnen führt auch mit unvermeidlicher Konsequenz zu einer Aufhebung von deren Eigenständigkeit. Weder die Theologie noch die Christologie haben die Aufgabe, die Geltung der jüdischen Religion zu fundieren. In der Christologie thematisiert die Theologie die Besonderheit der christlichen Religion. Schon mit Blick auf das Christentum geht es in der Lehre von Christus nicht um eine Begründung durch ihre Ableitung von der geschichtlichen Gestalt Jesu von Nazareth.
Um das Judentum als eine selbständige Religion mit einer eigenen Geschichte und eigenen Selbstdarstellungen anzuerkennen, ist keine Begründung durch eine christliche Theologie notwendig. Erforderlich ist jedoch eine Selbstbeschränkung der Theologie auf die christliche Religion, die von ihr selbst vorzunehmen ist. Das ist die Voraussetzung für eine wirkliche Pluralismusoffenheit der Theologie.31
Eine solche Selbstbeschränkung muss sich auch auf den Gottesgedanken erstrecken. Als Grundlage und Begründung religiöser Vielfalt wie in der pluralistischen und inklusivistischen Religionstheologie vermag er nicht zu fungieren, da er Diversität aufhebt bzw. lediglich als Varianten desselben zu verstehen erlaubt. Die zugestandene Eigenständigkeit der jüdischen Religion ist damit revoziert.32 Erst wenn die christliche Theologie darauf verzichtet, die Wahrheit oder das Heil der jüdischen Religion in einem beide übergreifenden Gottes- oder Religionsbegriff zu begründen oder daraus abzuleiten, ist es ihr möglich, diese in ihrer Alterität und Selbständigkeit anzuerkennen.
Auf diese Weise wird der christlich-jüdische Dialog nicht obsolet. Zu einem wirklichen Austausch kann es nur kommen, wenn auf Vorkonstruktionen von Alterität sowie auf Einheitsmodelle verzichtet wird. Damit erst wäre der Weg frei, die unterschiedlichen Religionsverständnisse in beiden Religionen zu diskutieren, ohne das Judentum zum Aufbau der Identität der christlichen Religion zu funktionalisieren.33
ANMERKUNGEN
1 Vgl. M. Bock, Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? (Mk 8,29). Christologische Fragestellungen im christlich-jüdischen Gespräch nach 1945, Frankfurt/M. 1998; S. Vasel, Philosophisch verantwortete Christologie und christlich-jüdischer Dialog. Schritte zu einer doppelt apologetischen Christologie in Auseinandersetzung mit den Entwürfen von H.-J. Kraus, F.-W. Marquardt, P.M. van Buren, P. Tillich, W. Pannenberg und W. Härle, Gütersloh 2001; W. Homolka, Jewish Jesus Research and its Challenge to Christology Today, Leiden/Boston 2016.
2 Barth selbst konstruiert seine Theologie als eine Beschreibung der reflexiven Struktur des Glaubensakts, in der das AT und der Bund Gottes mit Israel als Bestandteil der Offenbarung Gottes in Jesus Christus fungiert, die es also allein im christlichen Glauben als eine solche Vorstufe gibt. Vgl. K. Barth, Einführung in die evangelische Theologie, Zürich 1962, 30: „Dass der Gott Israels dem mit seinem Volk geschlossenen Bund damit seine Vollgestalt gibt, das sagt am Ziel [!] der Geschichte Israels die Geschichte Jesu Christi [!].“ Vgl. auch ders., Die Kirchliche Dogmatik, Bd. IV/1, Zürich 1953, 181-192. Will man diese theologische Rekonstruktion der christlichen Religion für eine Israeltheologie benutzen, in der die jüdische Religion nicht als eine bloße Vorstufe zur christlichen erscheint, dann muss man gleichsam Barths Deutung der Offenbarung Gottes in Jesus Christus als eine empirisch-religionsgeschichtliche Beschreibung lesen, jene auf das Judentum übertragen und als den eigentlichen Sinn der jüdischen Religion behaupten. Dass das nicht ohne Spannungen und Verwerfungen geht, wird an Klapperts Aufnahme von Barths Bundestheologie mehr als deutlich. Vgl. B. Klappert, Miterben der Verheißung. Beiträge zum jüdisch-christlichen Dialog, Neukirchen-Vluyn 2000, 148-182, bes. 170-182.
3 F.-W. Marquardt, Das christliche Bekenntnis zu Jesus, dem Juden. Eine Christologie, 2 Bde. München 1990/91.
4 Klappert, Miterben der Verheißung. Vgl. J. Moltmann, Der Weg Jesu Christi. Christologie in messianischen Dimensionen, München 1989, 45.
5 Klappert, Miterben der Verheißung, 212.
6 In Spannung zu der behaupteten Bestätigung der jüdischen Religion steht jedoch, wenn die eschatologische Vollendung der Völkerwallfahrt zum Zion wiederum von dem Menschensohn Jesus Christus abhängt. Vgl. Klappert, Miterben der Verheißung, 320. Damit wird Jesus als Erfüllung und Vollendung der jüdischen Religion konstruiert, die nicht in dieser, sondern in der christlichen liegt.
7 Vgl. B. Nitsche, Christologie, Paderborn 2012, 61.
8 Vgl. E. Schönemann, Bund und Tora. Kategorien einer im christlich-jüdischen Dialog verantworteten Christologie, Göttingen 2006, 29.146.188.
9 Vgl. ebd.: „Erst in, mit und durch Jesus Christus, der stellvertretend für alle Menschen das Unvermögen, die Tora zu tun, auf sich genommen hat, indem er sie bis zur letzten Konsequenz erfüllte, konnte das Heil de facto in die Welt kommen, konnte Gott sich selbst ganz als er selbst mitteilen, sodass Jesus Christus keineswegs das Ende der Tora markiert, sondern ihre Erfüllung bedeutet“.
10 Vgl. K. v. Stosch, Komparative Theologie als Wegweiser in der Welt der Religionen, Paderborn/München/Wien/Zürich 2012, 273.
11 Christlich reformuliert und damit nivelliert wird das jüdische Nein zu der christlichen Deutung Jesu von Nazareth bereits dann, wenn es in eine heilsgeschichtliche Konstruktion eingebaut wird. Vgl. Moltmann, Der Weg Jesu Christi, 51f; H. Hoping, Einführung in die Christologie, Darmstadt 2004, 161.
12 Vgl. ebd., 150.
13 Vgl. ebd., 161: „Doch wird auch Israel am Ende durch keinen anderen gerettet als durch Jesus Christus.“ Ebenso v. Stosch, Komparative Theologie, 277; Moltmann, Der Weg Jesu Christi, 340.
14 In Joseph Ratzingers Beitrag Gnade und Berufung ohne Reue kommen die Aporien, die allen solchen Konstruktionen zugrundeliegen, nur besonders deutlich zum Vorschein. Vgl. J. Ratzinger, Gnade und Berufung ohne Reue. Anmerkungen zum Traktat „De Iudaeis“, in: Communio 47 (2018), 316-335.
15 Vgl. P. Schmidt-Leukel, Gott ohne Grenzen. Eine christliche und pluralistische Theologie der Religionen, Gütersloh 2005, 344f.
16 Zu dem sog. pluralistischen Modell und der dieses fundierenden Unterscheidung zwischen einem Realen an sich und seinen Manifestationen vgl. J. Hick, An Interpretation of Religion. Human Responses to the Transcendent, New Haven 1989, 233-251; Schmidt-Leukel, Gott ohne Grenzen, 163-192. Zu den Aporien des pluralistischen Modells vgl. C. Danz, Einführung in die Theologie der Religionen, Wien 2005, 70-77.
17 Vgl. Schmidt-Leukel, Gott ohne Grenzen, 343: „Wird Jesu Heilsbedeutung hingegen in einem repräsentativen Sinn verstanden, dann lässt dies die Möglichkeit weiterer und anderer Repräsentationen der allein heilsstiftenden Gegenwart Gottes offen.“ Vgl. auch ebd., 270-304; ders., Religious Pluralism and Interreligious Theology. The Gifford Lectures – An Extended Edition, New York 2017.
18 Vgl. C. Danz, Grundprobleme der Christologie, Tübingen 2013, 106-141.
19 Vgl. bereits F. Schleiermacher, Der christliche Glaube 1821-1822, Bd. 2, hrsg. v. H. Peiter, Berlin 1984, 8 (§109.2): „Denn die christliche Glaubenslehre ist nicht für diejenigen, welche den Glauben nicht haben, um ihn ihnen annehmlich zu machen, sondern nur [!] für diejenigen, welche ihn haben, um sich über seinen Inhalt [!], nicht über seine Gründe [!], zu verständigen, und ihn zu verfolgen, wie sein inneres Wesen in der Gestalt der Lehre heraustritt.“
20 Geradezu programmatisch formulierte das Rudolf Bultmann in seiner Theologie des Neuen Testaments. Vgl. R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Berlin (Ost), 31959, 1f: „Die Verkündigung Jesu gehört zu den Voraussetzungen der Theologie des NT und ist nicht ein Teil dieser selbst. Denn die Theologie des NT besteht in der Entfaltung der Gedanken, in denen der christliche Glaube sich seines Gegenstandes, seines Grundes und seiner Konsequenzen versichert. Christlichen Glauben aber gibt es erst, seit es ein christliches Kerygma gibt, d.h. ein Kerygma, das Jesus Christus als Gottes eschatologische Heilstat verkündigt, und zwar Jesus Christus als den Gekreuzigten und Auferstandenen.“ Das ist in den Christologien von Karl Barth, Paul Tillich u.a. nicht anders. Auch sie konstruieren die Lehre von Jesus Christus als Beschreibung der reflexiven Struktur des Glaubensakts und lösen jene von historischen und religionsgeschichtlichen Fragen vollständig ab.
21 Sowohl die Herausbildung der sogenannten Israel- als auch der pluralistischen Religionstheologie am Ende des 20. Jh. werden nur vor dem Hintergrund einer inhaltlichen Lesart der Entwicklung der Christologie in der protestantischen Theologie verständlich.
22 Vgl. E. Käsemann, Das Problem des historischen Jesus, in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen, Bd. 1, Göttingen 61976, 187-214; G. Ebeling, Die Frage nach dem historischen Jesus und das Problem der Christologie, in: ders., Wort und Glaube, Tübingen 31967, 300-318.
23 Die sog. Third Quest formierte sich in Absetzung von der Jesus-Forschung der deutschen protestantischen Nachkriegstheologie. Vgl. A.J.M Wedderburn, Jesus and the Historians, Tübingen 2010.
24 Eine solche Intention der christologischen Konzeptionen wird von den genannten Autoren vielmehr kategorisch ausgeschlossen. Vgl. E. Jüngel, Zur dogmatischen Bedeutung der Frage nach dem historischen Jesus, in: ders., Wertlose Wahrheit. Zur Identität und Relevanz des christlichen Glaubens. Theologische Erörterungen III, München 1990, 214-242, hier 215: „Gotteserkenntnis ist Offenbarungserkenntnis und als solche Glaubenserkenntnis. Folglich kann Glaubenserkenntnis, und das heißt die dogmatische Verantwortung einer Sache (eines Ereignisses oder einer Person) nicht [!] durch historische Erkenntnis begründet werden.“
25 Vgl. W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie. Gütersloh 21966. Zu Pannenbergs Konzeption vgl. A. Heit, Sinnbildung in der Moderne. Selbstverortung der Theologie am Beispiel von Ernst Troeltsch, Paul Tillich, Wolfhart Pannenberg und Eilert Herms, Zürich 2018, 177-225.
26 Bei Pannenberg ist das die Behauptung der Auferstehung Jesu als einem der Geschichtswissenschaft selbst zugänglichen historischen Ereignis, das dem Glauben vorausgeht und diesen begründet.
27 Vgl. G. Theißen, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000, 49.
28 Vgl. v. Stosch, Komparative Theologie, 270: Es sei „nicht vorstellbar, den Glauben desjenigen, den man als den eigenen Heilsbringer bekennt, in irgendeiner Weise als defizitär zu kennzeichnen, sodass die Würdigung des Judentums dem Christentum zuinnerst eingeschrieben ist“. Vgl. auch Nitsche, Christologie, 60-75.
29 Vgl. Theißen, Die Religion der ersten Christen, 49.
30 Nitsche, Christologie, 64.
31 Vgl. den Vorschlag von C. Schwöbel, Glaube und Kultur. Gedanken zur Idee einer Theologie der Kultur, in: NZSTh 38 (1996), 137-154, hier 149.
32 Das wird an Schwöbels Vorschlag einer Begründung des Pluralismus im Gottesgedanken deutlich. Vgl. ebd., 152.
33 Ausführlicher zu dem vorgestellten Vorschlag vgl. C. Danz, Jesus von Nazareth zwischen Judentum und Christentum. Eine christologische und religionstheologische Skizze, Tübingen 2020.
Der Autor
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Prof. Dr., Jahrgang 1962, 1985-1990 Studium der Evangelischen Theologie an der Universität Jena, 1993-1994 Vikariat bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, 1994 Promotion zum Dr. theol., 1999 Habilitation für das Fach Systematische Theologie an der Universität Jena, seit 2002 Professor für Systematische Theologie A.B. an der Universität Wien, Vorsitzender der Deutschen Paul Tillich-Gesellschaft.
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