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ONLINE-EXTRA Nr. 287

Mai 2019

Das Wesen, die Rolle, Funktion und Bedeutung eines wie auch immer islamisch geprägten Antisemitismus gehört zu den umstrittensten und immer wieder kontrovers diskutierten Phänomenen, wenn es um Ursachen und Lösungskonzepte im Blick auf den wachsenden Antisemitismus der jüngeren Zeit geht. Das in Zeiten einer globalen Welt, eines immer noch ungelösten Nahost-Konflikts, nach zahlreichen Attentaten unter Federführung oder Beteiligung muslimischer Attentäter und schließlich umfangreicher Zuwanderung von Flüchtlingen mit muslimischen Wurzeln die Frage danach, ob es einen spezisch islamischen Antisemitismus gibt, auch eine zutiefst politische Frage darstellt, deren Beantwortung weitreichende Konsequenzen in sich trägt, versteht sich von selbst. Um so mehr sollte man hoffen können, dass  Wissenschaft und Forschung beim Thema islamischer Antisemitismus wertvolle Erkenntnisse und Leitlinien auch für das politische Handeln liefern. Genau das aber ist aus der Sicht des Politischwissenschaftlers und Historikers Matthias Küntzel nicht der Fall, im Gegenteil, "beim Thema islamischer Antisemitismus nicht nur hierzulande" klaffen seines Erachtens "große forschungspolitische Lücken."

Küntzel führt als Gründe für diese Forschungslücke zum einen an, dass "wer den Antisemitismus unter Muslimen untersucht, (leicht) in den Verdacht der 'Islamophobie'" gerät. Und zum anderen sieht er einen fatalen "Einfluss des Antizionismus auf die Forschung". Denn manche "möchten dem islamischen Judenhass aufgrund der Existenz oder Politik Israels mildernde Umstände beimessen". Damit aber stellt sich die beunruhigende Frage, inwieweit es betont unwissenschaftliche, ja, "politische Skrupel" sind, die die Forschungsarbeit in diesem Bereich beeinträchtigen.

Die spezifischen Probleme dieses Forschungsberichs zum Thema islamischer Antisemitismus arbeitet Küntzel in dem nachfolgenden Beitrag am Beispiel des renommierten Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) heraus - und konstatiert im Ergebnis schwerwiegende Mängel und Versäumnisse in der Bearbeitung just jenes Themas, für das allein schon der Name des Instituts bürgen sollte: Antisemitismusforschung.

Gleichwohl betont er in seinem Fazit jedoch auch, dass "Forschungsdefizite beim Thema 'Islamischer Antisemitismus' ... allerdings nicht nur beim ZfA und auch nicht nur in Deutschland evident" sind. Und er konstatiert wenig tröstlich: "Auch international fällt es schwer, ein Forschungsinstitut zu benennen, das sich mit diesem Thema systematisch befasst. Diese Forschungslücke begünstigt die Leugnung des Problems auf der einen und den demagogischen Pauschalangriff auf Muslime auf der anderen Seite."

Küntzels Beitrag "Islamischer Antisemitismus als Forschungsbereich. Über Versäumnisse der Antisemitismusforschung in Deutschland" ist dem empfehlenswerten Band "Antisemitismus im 21. Jahrhundert. Virulenz einer alten Feindschaft in Zeiten von Islamismus und Terror" entnommen. Nähere Informationen sowie das komplette Inhaltsverzeichnis dieses Bandes könnten Sie der Anzeige weiter unten entnehmen.

Ein wichtiger Hinweis noch: Entgegen bisheriger Praxis ist das heutige ONLINE-EXTRA aus lizenzrechtlichen Gründen nicht frei zugänglich, sondern den Abonnenten von COMPASS vorbehalten. Weitere Hinweise dazu ebenfalls an mehreren Stellen im weiteren Verlauf dieser Seite weiter unten.

© 2019 Copyright bei Autor und Verlag
online exklusiv für ONLINE-EXTRA



Online-Extra Nr. 287


Islamischer Antisemitismus als Forschungsbereich. Über Versäumnisse der Antisemitismusforschung in Deutschland


MATTHIAS KÜNTZEL

 
Islamischer Antisemitismus zeigt sich als akute Gefahr und Bedrohung in unterschiedlicher Gestalt. Im Sommer 2014 waren es Gruppen junger Muslime, die in deutschen Großstädten Proteste gegen den Gaza-Krieg mit Allahu Akbar-Rufen, militanten Angriffen auf Israel-Unterstützer und Parolen wie „Jude, Jude, feiges Schwein, komm‘ heraus und kämpf‘ allein“ dominierten. 2014 und 2015 konzentrierten Anhänger des Islamischen Staats ihre Angriffe auf jüdische Einrichtungen in Europa; zufällig anwesende Juden wurden im Jüdischen Museum in Brüssel, in einem koscheren Supermarkt in Paris und in einer Kopenhagener Synagoge getötet. Wir haben es somit erstens mit dem Judenhass in der arabisch-muslimischen Welt und zweitens mit dem importierten Judenhass in Deutschland und Europa zu tun, also mit dem Echo, das der islamische Antisemitismus jener Regionen hierzulande erzeugt.

Gleichwohl klaffen beim Thema islamischer Antisemitismus nicht nur hierzulande große forschungspolitische Lücken. Vor einigen Jahren erschien in den USA eine Monographie, die sich unter dem Titel Muslim antisemitism and the conspiracy of silence eigens mit der Weigerung westlicher Eliten befasst, den massenhaften Antisemitismus unter Muslimen wahrzunehmen, geschweige denn ihn zu erforschen.1 Wer dennoch auf diesem Gebiet zu forschen sucht, gerät schnell auf politisch umkämpftes Terrain.

Da ist zum einen der Tatbestand, dass Muslime in Europa eine Minderheit darstellen, die sich mit dem Aufkommen rechtspopulistischer Bewegungen zunehmend einer rassistischen Agitation ausgesetzt sieht. Leicht gerät, wer den Antisemitismus unter Muslimen untersucht, in den Verdacht der „Islamophobie“. Dieser Vorwurf war schnell bei der Hand, als Anfang 2003 zwei Mitarbeiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) einen Bericht über ...


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Antisemitismus im 21. Jahrhundert
Virulenz einer alten Feindschaft in Zeiten von Islamismus und Terror

Hrsg. v. Grimm, Marc / Kahmann, Bodo
Reihe:Europäisch-jüdische Studien – Beiträge 36

München 2018
Verlag De Gruyter Oldenbourg

446 S. * Euro 119,95


Das vollständige Inhaltsverzeichnis:
Inhalt

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In den vergangenen Jahren vollzog sich eine deutlich beobachtbare Radikalisierung des Antisemitismus in Europa, die mit den islamistisch motivierten Terroranschlägen von Paris, Toulouse, Brüssel und Kopenhagen auch mörderische Konsequenzen hatte. Als Indikator für eine neue Qualität und Virulenz des Antisemitismus kann jedoch nicht nur der islamistische Antisemitismus gesehen werden, sondern auch die Zunahme von Antisemitismus in politisch und sozial arrivierten Kreisen und Milieus. Zugleich ist die Hemmschwelle für die Äußerung und Akzeptanz antisemitischer Ressentiments gesunken, sofern diese als „Israelkritik“ camoufliert sind. Parallel zu diesen Entwicklungen stellte der Antisemitismus sein Mobilisierungspotential für den politischen Protest auf der Straße unter Beweis, etwa im Rahmen der Mahnwachen für den Frieden und während des Gaza-Krieges 2014. Die Beiträge des Sammelbandes untersuchen Aspekte dieser Entwicklungen und befassen sich schwerpunktmäßig mit Antisemitismus in der öffentlichen Kommunikation, islamischen Antisemitismus und Antisemitismus in politischen Bewegungen.


Mit Beiträgen von Alvin Rosenfeld, Dina Porat, Matthias Küntzel, Karin Stögner, Navras Alfreedi, Stephan Grigat, Amy Elman, Florian Markl, Franziska Krah, Matthias J. Becker, Dana Ionescu, Daniel Rickenbacher, Zbynek Tarant, Günther Jikeli, Ullrich Bauer, Michael Höttemann, Laura-Luise Hammel, Simon Gansinger




Die Konferenz: „Feindbilder“ im Konflikt um Palästina

Den Anstoß zu dieser Konferenz gab Miryam Shomrat, die damalige israelische Generalkonsulin in Berlin. „Sie erhoffte sich in erster Linie Aufschlüsse über Ursachen, Motive und Wirkungen arabischer Judenfeindschaft“, schrieb Benz rückblickend. „Wie es die thematische Ausrichtung des Zentrums für Antisemitismusforschung nahe legt“, betonte auch Werner Bergmann, der die Tagung konzipierte, „war zunächst an eine Untersuchung des arabischen und islamischen Antizionismus und Antisemitismus gedacht.“10

Dies stieß außerhalb des Zentrums aber auf Kritik. So warnte Joel Beinin, Professor an der Stanford University, vor der Gefahr einer „Beförderung negativer Vorstellungen über die Araber, welche in Israel und dem Westen vorherrschen”, wenn man sich auf deren Antisemitismus kapriziere.11 „ Many of the invited Middle East specialists objected to the notion that anti-Semitism was the only form of racism in the Arab-Israeli-conflict”, berichtet Beinin, „and the invitation was revised to mention anti-Arab racism as well.“12 Werner Bergmann bestätigte, dass das ZfA damals einen „Lernprozess” durchlaufen habe, für dessen Erfolg einige „Experten für den Islam und den Nahen Osten von zentraler Bedeutung” gewesen seien, darunter Helga Baumgarten, Gudrun Krämer, Gerhard Höpp, John Bunzl, Kai Hafez und Joel Beinin. Man habe im Laufe dieses Prozesses erkannt, dass sich der arabisch-islamische Judenhass nur dann verstehen lasse, wenn man „nicht mit dem Antisemitismus beginnt, sondern ihn als eine Folge des Palästinakonflikts thematisiert.”13 Also mussten, so Bergmann, ...


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Die Konferenz: „Feindbild Muslim – Feindbild Jude“

Während das ZfA im September 2000 den Antisemitismus in der arabischen Welt mit dem anti-arabischen Rassismus in Israel auf eine Stufe stellte, setzte Wolfgang Benz im Dezember 2008 die Haltung von Muslimfeinden und Antisemiten gleich. „Die Wut der neuen Muslimfeinde gleicht dem alten Zorn der Antisemiten gegen die Juden“, behauptete er im Jahrbuch von 2008.24 Es folgte im Dezember 2008 die ZfA-Konferenz „Feindbild Muslim – Feindbild Jude“, deren Beiträge das Zentrum 2009 unter dem Titel „Islamfeindschaft und ihr Kontext“ dokumentierte.25

Die wissenschaftliche Befassung mit dem „Feindbild Muslim“ ist fraglos relevant. Mit dieser Konferenz aber setzte das ZfA erneut Rassismus und Antisemitismus in eins. Dabei ist ein zentrales Merkmal des modernen Antisemitismus die Verschwörungstheorie, die Juden für die Schattenseiten der Moderne ...


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Islamischer Antisemitismus als Forschungsbereich

Wodurch unterscheidet sich der islamische Antisemitismus von anderen Erscheinungsformen des Judenhasses? Mein Versuch einer begrifflichen Eingrenzung setzt eine Reihe von Prämissen voraus. Seriöse Forschung sollte erstens zwischen dem Islam als vielfältig auslegbare Religion und dem Islamismus als einer globalen, antisemitischen Massenbewegung zu unterscheiden: Auch wenn sich alle Islamisten auf den Koran beziehen, sind gleichwohl nicht alle Muslime, die sich auf den Koran beziehen, Islamisten. Sie sollte zweitens zwischen dem religiös motivierten Antijudaismus in den vormodernen Schriften des Islam und dem weltanschaulich geprägten Antisemitismus der Moderne differenzieren, wie er im 19. Jahrhundert entstand. Sie sollte drittens berücksichtigen, wie sich das Judenbild des christlichen Antijudaismus ...


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Der Autor

MATTHIAS KÜNTZEL

Matthias Küntzel ist Politikwissenschaftler und Historiker und hat mehrere Bücher zum Thema Islamismus und Antisemitismus veröffentlicht. 2011 wurde er in den USA von der Anti-Defamation League (ADL) mit dem Ehrlich-Schwerin-Menschenrechtspreis ausgezeichnet.

Homepage:
Matthias Küntzel

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