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ONLINE-EXTRA Nr. 231

Januar 2016

Ziemlich genau vor drei Jahren, im Januar 2013, sorgte für einige Wochen eine Antisemitismus-Debatte ganz eigener Art die Gemüter der Öffentllichkeit. Im Mittelpunkt der stellenweise erregten Debatte stand der Spiegel-Autor und Herausgeber der Wochenzeitung "Der Freitag", Jakob Augstein. Der auch heute in TV-Diskussionen immer wieder häufig auftretende Augstein war seinerzeit auf die Top Ten-Liste der schlimmsten antisemitischen und antiisraelischen Verunglimpfungen für das Jahr 2012 geraten, die vom in Los Angeles ansässigen Simon Wiesenthal Center (SWC) zusammengestellt wurde. Aufschrei und Erschrecken waren groß: ein kritischer, linker und allseits geachteter Journalist sollte einer der weltweit zehn schlimmsten Antisemiten sein?
 
Die im Januar 2013 eskalierende Debatte um diese Einstufung Augsteins machte schnell deutlich, dass es sachlich gesehen dabei u.a. um einen der umstrittensten Aspekte des Antisemitismus in den letzten Jahren ging, nämlich um das Phänomen eines zunehmend als "Israelkritik" oder Antizionismus sich tarnenden Antisemitismus - und damit natürlich auch um die vieldiskutierte Frage, wo berechtigte Kritik an Israel endet und der antisemitische Furor beginnt, ja, letztlich um die Frage: Was ist Antisemitismus heute, und was linker Antisemitismus im Besonderen.
 
Vor zwei Jahren schließlich publizierte der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel eine umfangreiche Analyse dieser Debatte, der ein privat gesammelter und etwa 600 Seiten umfassender Fundus deutschsprachiger Stellungnahmen aus Print- und Onlinemedien zugrunde lag. Küntzels ungemein lehrreicher Aufsatz erschien in dem höchst empfehlenswerten, von der Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin Monika Schwarz-Friesel 2015 herausgegebenen Band "Gebildeter Antisemitismus", der eine ganze Reihe exzellenter Studien führender Antisemitismusforscher und -forscherinnen zum weiten Feld des Antisemitismus und Antizionismus enthält.

COMPASS freut sich, Ihnen heute aus diesem hervorragenden Band den Beitrag von Matthias Küntzel über die Jakob-Augstein-Debatte online präsentieren zu können - und dankt Autor und Verlag herzlichst für die Genehmigung zur Wiedergabe des Betrages an dieser Stelle!

© 2016 Copyright beim Autor
online exklusiv für ONLINE-EXTRA



Online-Extra Nr. 231


Die Jakob Augstein Debatte: Eine verpasste Chance


MATTHIAS KÜNTZEL

 
Jakob Augstein ist im deutschen Medien-Business eine Autorität und für viele eine Lichtfigur. Das liegt zum einen an seinen Vätern: Wer als biologischer Sohn Martin Walsers und als angenommener Sohn des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein ins Leben tritt, gilt als wichtig, auch ohne ein Wort geschrieben zu haben. Das liegt zum anderen an seiner Stellung im Business: Augstein hält 24 Prozent der Anteile am Spiegel-Verlag und ist Herausgeber und Chefredakteur der Wochenzeitschrift Freitag. Es liegt aber auch an seinen rhetorischen Fähigkeiten und seiner medialen Präsenz – als kritischer Autor der Spiegel Online-Kolumne „Im Zweifel links“, als schlagfertiger Gesprächspartner der wöchentlichen Phoenix-Show „Augstein und Blome“ und als omnipräsenter Gast bei Talk-Sendungen des öffentlichen Fernsehens.

Auch deshalb waren viele äußerst überrascht, als ausgerechnet Jakob Augstein auf die Top Ten-Liste der schlimmsten antisemitischen und antiisraelischen Verunglimpfungen für das Jahr 2012 kam. Denn auch der Urheber dieser Liste, das in Los Angeles ansässige Simon Wiesenthal Center (SWC), beansprucht Autorität: Das SWC ist eine renommierte Menschenrechtsorganisationen, die sich gegen Nazi-Verbrecher, aber auch gegen aktuelle Formen von Judenhass engagiert und deren Stellungnahmen weltweit Beachtung finden.

Zwar hatte das SWC auf seiner am 27. Dezember 2012 veröffentlichten Liste lediglich Texte an den Pranger gestellt und Augstein auf dem neunten Platz mit fünf Sätzen aus seinen Kolumnen zitiert (SWC 2012), doch das Gerücht, dass das SWC die Person Jakob Augstein als einen der weltweit schlimmsten Antisemiten angeprangert habe, verbreitete sich rasch und trieb die Empörung in die Höhe.

Viele teilten anfänglich dessen Reaktion: „Ich glaube“, erklärte Augstein am 4. Januar 2013 in den Tagesthemen, „hier hat das [Wiesenthal-]Zentrum nicht sauber gearbeitet, nicht gut recherchiert, weil es eigentlich nicht sein kann, dass kritischer Journalismus diffamiert wird als Antisemitismus.“ (ARD 2013)

Das Wiesenthal Center gegen Augstein: Seit der Auseinandersetzung zwischen Ignatz Bubis und Martin Walser von 1998 (Wistrich 2010: 261 ff.) hatte es in Deutschland keine vergleichbare Großdebatte gegeben. Anders als vor 15 Jahren ging es diesmal jedoch nicht um einen gestandenen Literaten, sondern um einen linksliberalen Medienstar. Anders als damals wurde der Streit von außen provoziert. Und anders als bei Walser stand diesmal die „Israelkritik“ zur Diskussion.

Die Jakob Augstein-Debatte fand zwischen Anfang und Ende Januar 2013 statt. Ihre erste Phase reichte bis zum 14. Januar, dem Tag, an dem unter dem Titel „Was ist Antisemitismus?“ ein Spiegel-Streitgespräch zwischen Augstein und Dieter Graumann, dem damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, erschien (Beyer/Follath 2013). Der zweite Teil der Kontroverse wurde am 31. Januar mit einer Berliner Pressekonferenz von Rabbi Abraham Cooper, dem stellvertretenden Direktor des Wiesenthal Centers, abgeschlossen.

Diesem Aufsatz liegt ein privat gesammelter und etwa 600 Seiten umfassender Fundus deutschsprachiger Stellungnahmen aus Print- und Onlinemedien zugrunde. Filmbeiträge wurden nur sporadisch und Internet-Kommentare zu Onlineartikeln nicht berücksichtigt.





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GEBILDETER ANTISEMITISMUS
Eine Herausforderung für Politik und Zivilgesellschaft
Herausgegeben von Monika Schwarz-Friesel


Nomos Verlasgesellschaft
Baden-Baden 2015

318 * € 59,00
ISBN: 978-3-8487-1679-1


Blick ins Inhaltsverzeichnis (pdf)

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Dieser Band präsentiert neueste Forschungsergebnisse zum gebildeten Antisemitismus in der deutschen Gegenwartsgesellschaft durch Beiträge führender AntisemitismusforscherInnen. Themenschwerpunkte sind Judeophobie und antiisraelischer Antisemitismus in der Alltagskommunikation, dem Internet sowie in der massenmedialen Berichterstattung.

Empirische Fallstudien und Korpusanalysen dokumentieren, dass Judenfeindschaft keineswegs bloß ein Phänomen an den Rändern, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt. Zunehmend finden sich zudem auch bei gebildeten FunktionsträgerInnen aus der Mitte der Gesellschaft antisemitische Äußerungen im öffentlichen Kommunikationsraum. Der Sammelband soll dazu beitragen, ExpertInnenwissen aus verschiedenen Disziplinen zu präsentieren und in das Bewusstsein
der Öffentlichkeit zu bringen.

Monika Schwarz-Friesel ist Professorin an der TU Berlin und Expertin für aktuellen
Antisemitismus, u.a. Autorin von „Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert“
(mit J. Reinharz).

Mit Beiträgen von:
Matthias J. Becker, Robert Beyer, Evyatar Friesel, Linda Giesel, Olaf Glöckner, Georg M.
Hafner, Günther Jikeli, Martin Kloke, Matthias Küntzel, Lars Rensmann, Samuel Salzborn,
Esther Schapira, Monika Schwarz-Friesel, Hagen Troschke und Andreas Zick.



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Jakob Augstein und Günter Grass

Vor seiner Listung durch das Wiesenthal Center hatte Jakob Augstein sechs Israel-bezogene Kommentare verfasst. In keinem ist von „Juden“ die Rede, in keinem wird das Existenzrecht Israels explizit bestritten. Warum also der Vorwurf aus den USA?

Schauen wir uns seine Kolumne vom 06. April 2012 über das kurz zuvor veröffentlichte Prosa-Gedicht von Günter Grass „Was gesagt werden muss“ an. Die Zeilen dieses Gedichtes markierten, so Augstein,

„eine Zäsur. Es ist dieser eine Satz, hinter den wir künftig nicht mehr zurückkommen: ,Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden.‘ Dieser Satz hat einen Aufschrei ausgelöst. Weil er richtig ist. Und weil ein Deutscher ihn sagt, ein Schriftsteller, ein Nobelpreisträger, weil Günter Grass ihn sagt. Darin liegt ein Einschnitt. Dafür muss man Grass danken. Der hat es auf sich genommen, diesen Satz für uns alle auszusprechen“ (Augstein 2012a).

Israel zum potenziellen Weltbrandstifter zu erklären, ist problematisch genug (s. hierzu auch Glöckner und Rensmann in diesem Band). Augstein aber hält es für besonders wichtig, dass gerade „ein Deutscher“ diesen Vorwurf formuliert. Dies ist für ihn der Einschnitt, hinter den „wir künftig nicht mehr zurückkommen“ dürfen. Aber auch sonst macht der Sohn des Spiegel-Gründers aus seinem Wunsch nach einer Revision der deutschen Israelpolitik keinen Hehl:
„Es muss uns nämlich endlich einer aus dem Schatten der Worte Angela Merkels holen, die sie im Jahr 2008 in Jerusalem gesprochen hat. Sie sagte damals, die Sicherheit Israels gehöre zur deutschen ,Staatsräson‘“ (Augstein 2012a).

Die Metapher vom Schatten ist bemerkenswert, weil sie auf den Schatten von Auschwitz verweist. Augstein möchte nicht nur aus dem Schatten der Worte Angela Merkels geholt, er möchte auch von der Last der deutschen Geschichte erlöst werden.

In einer weiteren Kolumne über die Lieferung eines U-Boots an Israel zeigt Augstein, warum ihn das Düstere dieses Schattens so drückt:
„Israel bekommt, was es will. [...] Wenn es um Israel geht, gilt keine Regel mehr: Politik, Recht, Ökonomie – wenn Jerusalem anruft, beugt sich Berlin dessen Willen. [...] Die Regierung Merkel hat einmal kurz versucht, von den Israelis so etwas wie eine Gegenleistung für die deutsche Großzügigkeit zu erlangen: die Siedlungspolitik sollte geändert werden, Gaza solle die Genehmigung erhalten, ein von Deutschland finanziertes Klärwerk fertig zu bauen, und die eingefrorenen Steuergelder der Palästinensischen Autonomiebehörde sollten freigegeben werden. Als die Israelis mit dem Lachen fertig waren, haben sie die palästinensischen Steuergelder freigegeben. Das war’s“ (Augstein 2012b).

Die Behauptung, dass sich die Bundesregierung dem Willen der israelischen Regierung beuge, hat mit der Realität ebenso wenig zu tun, wie das imaginierte Hohngelächter über Wünsche aus Berlin. Hier zeichnet Augstein ein Fantasiegemälde, das um infam lachende Juden und ausgelachte Deutsche kreist.

Augstein scheint es weniger um Israel als um seine Rolle als Deutscher gegenüber Israel zu gehen. Es geht ihm darum, den Schatten des Holocaust zu verlassen und endlich einen Schlussstrich zu ziehen. „Ich möchte als Journalist über israelische Sicherheits- und Siedlungspolitik keine verdrucksten Texte schreiben. [...] Ich will diesen neurotischen Journalismus nicht“, erklärte er im Spiegel-Streitgespräch; „[ich bin] derjenige, der an dieses Israel eben keinen Doppelstandard anlegt.“ (Beyer/Follath 2013)


Jakob Augstein und Israel

Der Begriff des Doppelstandards knüpft an die berühmte „3D-Definition“ von Nathan Sharansky an. Sharansky hatte auf die Frage, wie sich legitime Kritik an der israelischen Regierung vom anti-israelischen Antisemitismus unterscheide, drei Kriterien genannt. Die Kritik an Israels Politik sei legitim, wenn sie Israel nicht dämonisiere, wenn sie die Existenz des jüdischen Staates nicht delegitimiere und wenn sie an Israel keinen Doppelstandard anlege, also Ansprüche formuliert, an denen kein anderer Staat gemessen wird (Sharansky 2004; s. hierzu auch Kloke in diesem Band).

Ob Augstein keine Doppelstandards anlegt, sei dahingestellt. Sicher ist, dass er Israel gegenüber Vorurteile hat. Dies zeigt ein Auszug aus seinem Streitgespräch im Spiegel.
Spiegel: „Herr Augstein, sind Sie gelegentlich in Israel?“
Augstein: „Beruflich hat es sich nie ergeben, und privat möchte ich nicht.“
Graumann: „Warum?“
Augstein: „Ich wäre in den Zeiten der Apartheid auch nicht nach Südafrika gefahren.“ (Beyer/Follath 2013)

Der Vergleich mit dem Apartheid-Staat zeugt von dem Bedürfnis, Israel zu delegitimieren und zu dämonisieren, herrscht doch der Konsens, dass Apartheid-Staaten abzuschaffen sind (s. hierzu auch Becker in diesem Band). Wie unsinnig der Apartheid-Vorwurf im Falle Israels ist, wurde an anderer Stelle analysiert. (Wistrich 2010: 151 ff.; Schwarz-Friesel/Reinharz 2013: 216 ff.). Hier reicht es, festzustellen, dass Augstein Israel gegenüber Ressentiments hegt. Er blendet nicht nur den regionalen Kontext, den jeder Politiker in Israel zu gegenwärtigen hat, so gut wie vollständig aus, sondern er geht a priori davon aus, dass Israel „an Frieden [...] kein Interesse“ hat und akzeptiert anschließend nur noch das, was in dieses Wahrnehmungsmuster passt.

Weil Israel keinen Frieden will, „brütet“ es in Gaza „seine eigenen Gegner aus“, heißt es in einer seiner Kolumnen. Weil es keinen Frieden will, „will [es] gar nicht beweisen [...], dass Iran eine Bombe baut“; weil es keinen Frieden will, setzt es seit 44 Jahren seine Interessen „ohne Rücksicht auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ durch; weil es keinen Frieden will, gehe eine „nukleare Bedrohung, [...] von Israel für den Nahen Osten aus“.

Darüber hinaus fließen in seine Israeldarstellung immer wieder antisemitische Stereotype mit ein, etwa wenn er die israelische Politik in einem einzigen Kommentar viermal mit dem „Gesetz der Rache“ in Verbindung bringt; wenn er Israels Streitkräften die gezielte Tötung von Kindern unterstellt („Ein 13-jähriger palästinensischer Junge soll vor einer Woche beim Fußballspielen von einem israelischen Helikopter aus erschossen worden sein“), wenn er den Gaza-Streifen mit einem KZ assoziiert („1,7 Mio. Menschen hausen da, zusammengepfercht. [...] Gaza ist ein Gefängnis. Ein Lager.“) oder wenn er das Klischee von der jüdischen Weltverschwörung bemüht.

Und immer wieder blitzt dieses Phantasma jüdischer Allmacht auf, wie man es vom antisemitischen Klassiker „Die Protokolle der Weisen von Zion“ kennt. Die „Juden“, heißt es in den „Protokollen“, werden „sobald ein nichtjüdischer Staat es wagt, [ihnen] Widerstand zu leisten [...], den Weltkrieg entfesseln“ (Sammons 1998: 53). Grass war der erste prominente Nachkriegsdeutsche, der die Phantasie vom jüdischen Weltkriegstreiber neu popularisierte (Küntzel 2012: 247 f.), Augstein war der erste prominente Journalist, der sie für den deutschen Zeitungsbetrieb salonfähig machte.

Doch damit nicht genug: Augstein behauptet, dass „die Regierung Netanjahu die ganze Welt am Gängelband [führt] “ und „die ganze Welt als Geisel“ nimmt; er insinuiert, dass die israelische Regierung hinter einem provokanten Mohammed-Film aus Hollywood stecke und er behauptet, dass sich jeder US-Präsident „vor den Wahlen [...] die Unterstützung der jüdischen Lobbygruppen sichern“ müsse.

Die rhetorischen Muster, die Augstein für seine Kolumnen benutzt, entsprechen ziemlich genau der Definition des „antizionistischen Antisemitismus“, wie sie der Bericht des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus des Deutschen Bundestages am 10. November 2011 formulierte. „Der antizionistische Antisemitismus“, heißt es hier, „tritt unter dem Deckmantel der Ablehnung der Innen- und Außenpolitik des Staates Israel auf, der im Kern aus einer besonderen ideologischen Verzerrung und pauschalen Diffamierung des jüdischen Staates besteht, die sich zugleich traditioneller antisemitischer Stereotype bedient“ (Bundesministerium des Innern 2011: 12).

Das alles hinderte Augstein nicht, sich gegenüber dem Wiesenthal-Zentrum als der bessere Antisemitismuskenner aufzuspielen. „Für [...] den Kampf gegen den Antisemitismus hat das SWC meinen ganzen Respekt. Umso betrüblicher ist es, wenn dieser Kampf geschwächt wird“, erklärte er unmittelbar nach Bekanntwerden seiner Listung auf Facebook (Akyol 2012). Schauen wir uns die Auseinandersetzung, die nun folgte, genauer an.


Die Jakob Augstein-Debatte

„Die Nominierung von Jakob Augstein auf Platz neun der Liste der zehn schlimmsten Antisemiten ist ein schwerer intellektueller und strategischer Fehler“, befand Nils Minkmar, der damalige Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das SWC habe den kritischen Journalisten „in diffamierender Absicht“ an den Pranger gestellt. Minkmar begründete seinen Vorwurf damit, dass es bei Augstein „nicht um die Juden und nicht um den Juden“ gehe. Stattdessen habe er „das Resultat politischer Entscheidungen der aktuellen israelischen Regierung“ kritisiert. Auch wenn man diese Kritik nicht teilen müsse, sei doch klar, dass sie „nichts mit Antisemitismus zu tun“ habe (Minkmar 2013).

Minkmars Stellungnahme brachte eine Lawine der Empörung ins Rollen. Täglich wuchs die Anzahl der Journalisten, die sich über die SWC-Attacke ereiferten und mit wenig Textkenntnis, aber umso größerer Inbrunst eine publizistische Wagenburg um den bedrängten Kollegen errichteten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, galten nicht die Aussagen Augsteins, sondern deren Platzierung auf der Top Ten-Liste als der Skandal. 

So stellte sich Frank Drieschner (2013) auf Zeit online die Frage, „ob sie womöglich gemeinsam durchdrehen: Israel [...] und seine Lobby“. Taz-Redakteur Stefan Reinecke (2013) witterte „ein übles diskursives Foul“, während sein Kollege Jan Fleischhauer „die Sache ins weite Reich des Absurden“ (Fleischhauer 2013) verbannte und Tagesspiegel-Journalist Harald Martenstein (2013) von einer „Kabarettnummer“ sprach. „Wenn man nicht auf jeden Einfall von Israels Regierung eingeht“, erklärte Gastautorin Alexandra Belopolsky (2013) in der FAZ, „wird das außer Gefecht setzende Wort ,Antisemitismus‘ wieder in den Ring geworfen“.

Natürlich waren auch den Journalisten die Ergebnisse aus Antisemitismus-Umfragen bekannt, bei denen mehr als ein Drittel der Deutschen Verständnis dafür äußerten, dass man angesichts der „Politik, die Israel macht [...] etwas gegen Juden hat“ und über 40 Prozent einer Gleichsetzung von israelischer Palästinapolitik und nationalsozialistischer Judenpolitik zustimmten (Bundesministerium des Innern 2011: 56). Und doch lag es jenseits ihrer Vorstellungskraft, dass einer von ihnen Antisemit sein oder sich auch nur aus dem Fundus antisemitischer Denkfiguren bedienen könnte: „Einer, mit dem man beim Presseclub sitzt und mit dem man schon über manches Kalte Buffet hergefallen ist – so einer kann kein Antisemit sein“, schrieb Deniz Yücel (2013). Denn wäre Augstein es, wären ,wir‘ es möglicherweise auch. Manche fanden diesen Gedanken lustig, so zum Beispiel die taz, die einen Kommentar mit „Wir Antisemiten“ (Reinecke 2013) überschrieb oder ein Autor des Tagesspiegel, der sich wünschte, „auch auf die Antisemiten-Liste“ (Martenstein 2013) zu kommen (s. hierzu auch Schwarz-Friesel, Reaktionen, in diesem Band).

Am 4. Januar sah sich auch der Deutsche Journalisten-Verband veranlasst, Augstein in Schutz zu nehmen: Die vom SWC aufgeführten Augstein-Zitate „spiegelten Kritik, aber keine Hetze wider“, so der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. „Es sei die Aufgabe von Journalisten, kritisch zu berichten. Das schließe die israelische Politik mit ein“ (DJV 2013).

Der „vehemente Verteidigungsreflex“ (Malte Lehming) war nicht auf Journalisten beschränkt. Sehr früh schlossen sich diesem Chor auch Politiker wie der Linken-Fraktionschef Gregor Gysi oder die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Julia Klöckner, sowie prominente Juden an (Korge 2013a). So nahm Salomon Korn, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Jakob Augstein mit den Worten „es dürfte wahrscheinlich nicht richtig sein, ihn als Antisemiten zu bezeichnen“ (Korn 2013) in Schutz. „Weder Grass noch Augstein gehören auf so eine Liste“, warnte der TV-Moderator und ehemalige Vizepräsident des Zentralrats, Michel Friedman (Pohlmann/Böhme 2013).

Aber auch Fachleute wie Juliane Wetzel, eine Mitarbeiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung, oder Klaus Holz, Verfasser von Büchern über den Antisemitismus und Generalsekretär der evangelischen Akademien in Deutschland, sprangen Augstein bei. „Jakob Augstein ist kein Antisemit“, erklärte Juliane Wetzel. Den Vorwurf, er würde „antisemitische Klischees, Ressentiments, Vorurteile“ bedienen, wies sie zurück: „Auch das würde ich von Jakob Augstein nicht sagen“ (Wetzel 2013). Klaus Holz ging noch einen Schritt weiter. Es sei „gefährlich“, was das SWC mache, erklärte er. „Mit dieser Art von Verwendung“ werde der „Antisemitismus-Vorwurf [...] zu einer pauschalen Keule, die man rausholt, wenn es um Grauzonen geht.“ (Holz 2013)

Das Simon Wiesenthal Center reagiert auf die Welle der Empörung gelassen und baute Jakob Augstein eine Brücke. „‚Wir sprechen nicht von der Person, sondern von den Zitaten‘, stellte der stellvertretende Direktor des SWC, Rabbi Abraham Cooper, klar. Wie über Augstein zu urteilen sei, hänge letztlich von dessen Reaktion auf die Vorwürfe ab. ‚Sprechen wir von antisemitischen Äußerungen, bei denen sich die Person vielleicht gar nicht bewusst war, eine Grenze zu überschreiten? [...] Oder sprechen wir von einem Antisemiten?‘ Augstein habe es gewissermaßen selbst in der Hand, so Cooper. ‚Soweit ich weiß, hat er sich zu den Details noch nicht geäußert‘“ (Korge 2013b).


Das Streitgespräch

In einem Streitgespräch, zu dem der Spiegel ihn und Dieter Graumann, den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, eingeladen hatte, erhielt Augstein Gelegenheit, sich zu erklären. Es war das wichtigste Gespräch zwischen einem deutschen Juden und Nicht-Juden seit Dezember 1998, als Ignatz Bubis, der Vorgänger Graumanns, mit Martin Walser, dem Vater Augsteins, über dessen Paulskirchenrede sprach (Bubis 1998). 

Augstein erhielt Gelegenheit, die SWC-Vorwürfe zu widerlegen, sich von den Spielarten der israelbezogenen Judenfeindschaft zu distanzieren und die Debatte über Antisemitismus und Journalismus voranzubringen. Doch das Gegenteil geschah. Er beharrte nicht nur darauf, dass seine Beiträge, die er „noch einmal sorgsam gelesen“ habe, bis auf eine Nazi-Assoziation „nichts Anstößiges“ enthielten. Sondern er griff zugleich den angeblich „neurotischen Journalismus“ anderer Autoren beim Thema Israel und deren „verdruckste Texte“ an. Im Gegensatz dazu würde er, Jakob Augstein, „keine Doppelstandards“, sondern „Normalität im Umgang mit Israel“ praktizieren.

„Verdruckstheit“ versus „Normalität“: Die Begriffe, die dem Spiegel-Erben flott über die Lippen kamen, haben Gewicht. Der Ruf nach Normalität im Umgang mit Israel beinhaltet den Wunsch, an Auschwitz nicht länger erinnert zu werden. Dies aber ist das Motiv, das dem sekundären Antisemitismus zugrunde liegt.

„Verdruckst“ wiederum steht für gehemmt und scheu, für unsicher und schüchtern. Das Wort beschreibt einen Zustand, der durch mangelndes Selbstbewusstsein gekennzeichnet ist. Augstein tut, als ginge der Kampf gegen den Antisemitismus und für eine wahrheitsgerechte Nahost-Berichterstattung mit Duckmäusertum und Demutsgesten einher. Dabei handelt es sich um eine selbstbewusste Aktivität, die aus einer schlimmen Geschichte positive Schlussfolgerung ziehen will.

Anstatt eine der Brücken zu betreten, die Dieter Graumann seinem Gesprächspartner baute, riss Augstein diese unverzüglich ein:
Graumann: „Wenn ich sage, dass aus Ihren Kolumnen ein antijüdisches Ressentiment begünstigt wird, dann sollten Sie das ernstnehmen. Das ist keine Hysterie.“
Augstein: „Mir kommt es vor wie die Instrumentalisierung eines schweren Vorwurfs. Es geht nicht um mich, es geht darum, Debattenverläufen den Riegel vorzuschieben.“ [...]
Graumann: „Wenn Sie innehielten, bevor Sie loslegen gegen Israel, wäre viel gewonnen.“ [...]
Augstein: „Vielleicht habe ich mehr Normalität im Umgang mit Israel, als Ihnen bewusst ist. Ich will diesen neurotischen Journalismus nicht. Ich schreibe über Angela Merkel oder über Amerika oder über die Linken oder die SPD nicht anders.“
Graumann: „Merken Sie denn gar nicht, dass das etwas anderes ist?“
Augstein: „Ich verstehe, dass Sie das sagen. Aber während ich schreibe, spüre ich das tatsächlich nicht.“
Graumann: „Dann lesen Sie es noch mal, bevor Sie es abschicken, mit Empathie.“
Augstein: „Das will ich gar nicht. Ich möchte als Journalist über israelische Sicherheits- und Siedlungspolitik keine verdrucksten Texte schreiben. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich mich bei dem, was ich schreibe, bremsen müsste.“ (Beyer/Follath 2013)

Es war ein drastisches und schockierendes Gespräch, das die Einstufung des Wiesenthal-Zentrums unerwartet eindeutig bestätigte. Augstein behauptet, es sei „neurotisch“, über Israel in einer Weise zu schreiben, die dessen Besonderheiten einbezieht. Er erklärt Geschichtsvergessenheit für normal und gibt zu verstehen, dass ihn die jüdische Stimme stört.

Erstaunlicher noch als dieses Gespräch war die deutsche mediale Reaktion: Während sich die Medien nach der Veröffentlichung der Top Ten-Liste des SWC mit immer neuen Berichten und Kommentaren geradezu überschlugen, tat die deutsche Öffentlichkeit nach diesem Streitgespräch so, als hätte es dieses nicht gegeben: Kaum eine Erwähnung, kein Kommentar, keine Debatte. Stattdessen: ohrenbetäubendes Schweigen.

Über die Gründe lässt sich derzeit nur spekulieren. Waren Augsteins Kolleginnen und Kollegen über dessen Angriffe auf den Vertreter der deutschen Juden begeistert, ohne das nach außen demonstrieren zu wollen? Oder wurde geschwiegen, weil nach der Lektüre des Gesprächs dem einen oder anderen die vorherige Parteinahme für Augstein peinlich geworden war?

Während zuvor noch eine Flutwelle journalistischer Solidaritätsadressen und Exkulpationsschriften die Feuilletons gefüllt hatte, nahm jetzt die Kritik an Augstein zu. Einen bemerkenswerten Aufsatz verfasste der langjährige Spiegel-Redakteur Matthias Matussek, der unter der Überschrift „Meine Stunde als Antisemit“ seine Augstein-Kritik mit dem selbstkritischen Rückblick auf eine von ihm selbst einst verfasste Kolumne verband (Matussek 2013). 


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Vom Reflex zur Reflexion

Den Abschluss dieser Debatte markiert eine Pressekonferenz mit Rabbi Abraham Cooper, die das Mideast Freedom Forum Berlin am 31. Januar 2013 in Berlin organisierte und die – von etwa 50 Zeitungen und Nachrichtenagenturen besucht – auf ein enormes Interesse stieß. 

„Es geht nicht um Jakob Augstein“, stellte Cooper gleich zu Beginn seiner Darlegungen klar, „es geht um seine Worte“. Der SMC wolle mit seiner Top Ten-Liste auf Antisemitismus in Bereichen aufmerksam machen, für die es an Aufmerksamkeit bisher fehlte.

Die Listung von Augstein sei also nicht nur ein Vorwurf an den Journalisten gewesen, sondern auch ein Vorwurf an eine Gesellschaft, die nach der Lektüre seiner Kolumnen den Vorwurf nicht von sich aus erhob. „Warum wurde Augstein nicht lange vor diesem Listenplatz kritisiert?“, fragte Cooper die anwesenden Journalisten. „Wo wart ihr?“ Erst jetzt, nachdem Augstein die Gelegenheit für eine Richtigstellung ausgeschlagen und im Streitgespräch mit dem Spiegel seinen Glauben an die Richtigkeit seines Tuns bekräftigt habe, vertrat Cooper die Ansicht: „Er ist Antisemit“.

In den Reaktionen auf diese Pressekonferenz zeigte sich ein Paradox. Vier Wochen zuvor war eine ganze Armada der schreibenden Zunft aufgebrochen, um den Spiegel-Erben gegen den Vorwurf, er sei Antisemit, zu verteidigen, obwohl es diese Anschuldigung gar nicht gab. Jetzt aber, als Cooper das Verdikt „Er ist Antisemit“ erstmals formulierte, blieb alles still. Plötzlich blieb Augstein, der das SWC noch am selben Tag mit „fundamentalistischen oder totalitären Institutionen“ auf eine Stufe zu stellen suchte, allein (Augstein 2013 auf Facebook). Denn den Eindruck eines Fundamentalisten machte Cooper gerade nicht. Er habe seine Sätze „ohne Wut und mit einer überlegenen Ruhe“ formuliert, schrieb die Welt am 01. Februar 2013 über die Pressekonferenz. Er habe „nicht wie ein wütender Antisemiten-Jäger [gewirkt]. Im Gegenteil.“ (Kittel 2013)

Die Berichterstattung über diese Pressekonferenz hatte mit den Aufregungen der ersten Woche nichts gemein. „Das Reden über Israel als Bedroher des Weltfriedens ist antisemitisch“, hieß es zum Beispiel in einem Essay von Elke Schmitter (2013), den der Spiegel am 04. Februar 2013 in seiner Printausgabe veröffentlichte. Und während der Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen die Listung Jakob Augsteins noch am 02. Januar als einen „schweren intellektuellen und strategischen Fehler“ anprangert hatte (Minkmar 2013), berichtete am 31. Januar dasselbe Feuilleton ausgesprochen sachlich über die Kennzeichen des israelbezogenen Antisemitismus, verbunden mit dem Plädoyer, „das Anliegen des SWC ernst zu nehmen“ (Steinkopf 2013). Doch einen Startschuss für eine neue Debatte lieferte diese Pressekonferenz nicht. Die zahlreichen Berichte über Coopers Besuch in Berlin beendeten die Diskussion.

Einige hatten den Antisemitismus bei Jakob Augstein bereits vor der Listung seiner Zitate kritisiert. Henryk M. Broder hatte in der Welt darauf hingewiesen, Rainer Trampert in der konkret, Stefan Gärtner in der Titanic (Gärtner 2012) und der Autor dieser Zeilen in einem Buch (Küntzel 2012: 13 f.). Drei Wochen vor der Veröffentlichung des SWC publizierte die taz eine Satire auf Jakob Augstein: „Haben Sie vom Nahostkonflikt keine Ahnung, aber eine Meinung zu bieten? Wollen Sie als mutig gelten? Zehn Tipps für einen israelkritischen Text“ (Meinhold 2012). Diese Stimmen wurden jedoch ignoriert.

Als dann die Wiesenthal-Liste erschien, konnte man darüber unterschiedlicher Meinung sein. Man hätte sie zum Anlass nehmen können, sich genauer zu informieren. Doch das geschah eben nicht. Von Ausnahmen abgesehen, nahmen Journalisten, Politiker und Experten Augstein reflexhaft und leidenschaftlich in Schutz. Zu den Kennzeichen dieser Debatte gehört ihre überbordende Emotionalität und die Überlagerung der Sachebene durch den Affekt.


Die emotionale Dimension


In ihren ersten Reaktionen auf die WSC-Listung präsentierten sich der 1967 geborene Jakob Augstein und dessen 1966 geborener Kollege Minkmar als kompetente Kenner des Antisemitismus, die sich vom Simon Wiesenthal Center nichts sagen lassen müssen. Mehr noch: Sie klärten das Center über dessen „strategische Fehler“ im Kampf gegen den Antisemitismus auf. Von Zuhören, Innehalten oder Nachdenken keine Spur. Da konnten die alten Juden vom Simon Wiesenthal-Zentrum sagen, was sie wollen: Die Jungen wussten allemal besser, was den Kampf gegen den Antisemitismus schwächt oder ihm nutzt.

Diese Haltung hat mit der Generation der Post-1968er zu tun. Hier dominiert das Pathos eines doppelt reinen Gewissens, das sich – nachgeboren und links – jeder selbstkritischen Reflexion auf die eigenen Beweggründe enthoben wähnt. Augstein, Minkmar und Kollegen fühlen sich freier und souveräner als ihre Vorgänger, weil sie davon überzeugt sind, sich mit der Nazi-Geschichte vorbildlich auseinandergesetzt zu haben (Küntzel 1999: 16 ff.).

Der Antisemitismusvorwurf des SWC hat dieses idealisierte Selbstbild brüsk infrage gestellt. Die Möglichkeit, dass es eine Berechtigung hierfür geben könnte, wurde von Augstein und Kollegen gar nicht erst erwogen. Man reagierte, wie Menschen auf narzisstische Kränkungen reagieren: mit Abwehr und Aggression (Rensmann 1998: 236 ff.). So selbstgerecht, wie Martin Walser 1998 die angebliche „Instrumentalisierung unserer Schande für gegenwärtige Zwecke“ anprangerte, wies 15 Jahre später sein Sohn im Spiegel-Streitgespräch die vermeintliche „Instrumentalisierung eines schweren Vorwurfs“, den des Antisemitismus, zurück.

Andere sprachen nicht nur von einer „Instrumentalisierung“ sondern gleich von einer „Keule des Antisemitismusvorwurfs“ (Hoffmann/Pfister 2013) oder von „einer pauschalen Keule, die man rausholt, wenn es um Grauzonen geht“ (Holz 2013), um anzudeuten, wer hier der Aggressor ist. Das Bild vom übergriffigen Juden und angstvollen Deutschen tauchte bereits in einer Augstein-Kolumne auf. Nach Erscheinen der Top Ten-Liste wurde dieses Zerrbild dominant: Man zelebrierte sich als akut bedrohtes Opfer und schmückte diese Wahnvorstellung aus.

So wurde, um den Angriff gefährlicher aussehen zu lassen, aus der Textkritik des Wiesenthal-Zentrums eine Art Fahndungsaufruf konstruiert. Man habe Augstein „zum Verbrecher, sozusagen für vogelfrei [erklärt]“, behauptete der Tagesspiegel (Martenstein 2013). „Wer Israel kritisiert, wird mit der Antisemitismus-Schrotflinte beschossen“ (Reinecke 2013), beklagte die taz, während sich der Spiegel zwar nicht über einen Dolchstoß in den Rücken beklagte, aber doch über einen „gänzlich unerwartete[n] Tritt in den Rücken“ (Höges 2013).

Umso größer war dann das Erstaunen, dass mit Rabbi Abraham Cooper kein blitzespeiender Rachegott, sondern ein gelassener und freundlicher älterer Herr das Podium der Pressekonferenz betrat.

Trotz der Beteuerung von Jakob Augstein, normal zu sein („Ich habe vielleicht mehr Normalität im Umgang mit Israel, als Ihnen bewusst ist“, Beyer/Follath 2013) war an den kollektiven Emotionen, die die Augstein-Debatte an die Oberfläche spülte, überhaupt nichts normal. Die Nichtnormalität aber hat mit der Nichtnormalität der Shoah zu tun und mit der Wucht ihrer Nachwirkung bis in die Gegenwart (Rensmann 2005: 162 ff., und in diesem Band).

Wenn eine Untat gesühnt und damit ausgeglichen ist, tritt in der Regel Ruhe ein. Bleibt ein Verbrechen hingegen ungesühnt, entsteht eine Schieflage, dominieren Unruhe und Angst. Nehmen wir als fiktives Beispiel einen Deutschen, der seine Nachbarn – eine zehnköpfige jüdische Familie – in einem Wahnanfall zu töten sucht und acht davon erschießt. Wenn er dafür bestraft wird, ist der Gerechtigkeit Genüge getan. Was aber, wenn überhaupt keine Strafe erfolgt? Kann sich dann sein Verhältnis zu den beiden Juden, die das Massaker überlebten, normalisieren? Natürlich nicht. Die Unruhe und die Angst, dass es irgendwann zu der fälligen Bestrafung kommt, werden den Täter und dessen Nachkommen zeitlebens begleiten.

Die Shoah aber war ein Verbrechen, das nicht gesühnt werden kann. Das Schuldmotiv bleibt deshalb im deutschen Gedächtnis virulent und tritt mal auf die eine, mal auf die andere Art zutage (Becker et al. 1997: 106 ff.).

So lassen sich einige der Phantasievorstellungen während der Augstein-Debatte mit dem Phänomen der Projektion erklären. Bei diesem Vorgang schreibt man bestimmte Wünsche, die man in sich selbst verleugnet, anderen zu: „Die Projektion erscheint immer als eine Abwehr, in der das Subjekt dem Anderen Qualitäten, Gefühle, Wünsche, die es ablehnt oder in sich selbst verleugnet, unterstellt“ (Laplanche/Pontalis 1973: 403; zu Projektion und Entlastungsantisemitismus s. Becker in diesem Band).

Das Subjekt ist hier der Deutsche, der diejenigen, die ihn immer wieder an die Shoah erinnern, zum Schweigen bringen will. Da er sich den Wunsch aber niemals eingestehen kann, wird dieser auf den Gegner projiziert, von dem plötzlich angenommen wird, er wolle den Deutschen mundtot machen (Joffe 2005: 7 f.).

Die Wut konzentrierte sich besonders auf Henryk Broder, der Augstein beim Wiesenthal Center denunziert und damit das eigene Nest beschmutzt haben soll. Dieses Gerücht war schnell widerlegt; gleichwohl geriet der bekannteste jüdische Journalist unter Beschuss. Das SWC habe sich zum „Vollstrecker“ einer Rufmordkampagne (gemacht), „die Broder seit Längerem gegen den Freitag-Herausgeber führt“, behauptete die Frankfurter Rundschau und fuhr fort: „Es spricht für den deutschen Rechtsstaat, dass Henryk M. Broder bis heute frei herumläuft“ (Bommarius 2013). Hier offenbarte sich eine kaum noch zu bändigende Aggression.

Mit dem virulenten Schuldmotiv lässt sich aber auch der israelbezogene Antisemitismus erklären, der in der deutschen Öffentlichkeit derart verbreitet ist, dass es schon besonderer Anstrengungen bedarf, um von ihm nicht angesteckt zu werden (Schwarz-Friesel/Reinharz 2013: 209 ff.).

Vielleicht ist es dies, was die massenhafte Solidarität mit Augstein erklärt: Die meisten wollten dessen antisemitisches Potential nicht erkennen, weil sie es mehr oder weniger teilen. So wie es früher normal war, dass man pauschal etwas gegen „Juden“ hatte, ist es heute normal, dass man pauschal etwas gegen „Israel“ hat. Man kennt dies aus dem Alltag. Die Augen des Gesprächspartners beginnen einen fiebrigen Glanz auszustrahlen, seine Stimme bekommt einen metallischen Klang – wenn nur die Chance besteht, den erhobenen Zeigefinger in Richtung Israel zu schwenken.

„Bei keinem anderen Thema schlagen die Emotionen Hass, Wut und Empörung so hoch wie bei Debatten und Kontroversen um den israelisch-palästinensischen Nahostkonflikt“, konstatieren Jehuda Reinharz und Monika Schwarz-Friesel. „Bei keinem anderen Thema ist das Bedürfnis so groß, ,Lösungsvorschläge‘ und ,gute Ratschläge‘ zu erteilen, ,Strafmaßnahmen‘ zu verhängen“ (Schwarz-Friesel/Reinharz 2013: 233).

Warum? Weil es auch bei diesen Emotionen unterschwellig um die Schulddruckentlastung geht. Da aber Wut auf Juden weiterhin unschicklich ist, bietet sich Wut auf Israel förmlich an. Auch deshalb sollten sich Journalisten, bevor sie über Israel schreiben, stets der großen psychologischen Verlockung bewusst werden, die darin besteht, in den Israelis, also den Juden, brutale Verbrecher zu sehen.

Es zeigt sich, dass aus dem sekundären, die Shoah verleugnen wollenden Antisemitismus der israelbezogene erwächst. Es handelt sich hier um ein deutsches Phänomen, das mit dem islamischen Antisemitismus, der andere Wurzeln hat und sich anders artikuliert, nicht verwechselt werden kann (Küntzel 2007).

Jakob Augstein möchte von alldem nichts wissen. Im Streitgespräch mit Dieter Graumann blitzte die psychologische Dimension der Kontroverse für eine Sekunde nur auf:


Graumann: „Im Zusammenhang mit Ihren Formulierungen drängen sich in der Tat Fragen auf: Warum ist das so? Gibt es da noch etwas, das in Ihrem Innern verborgen ist?“
Spiegel: „Sie meinen, Jakob Augstein muss auf die Couch?“
Graumann: „Ich werde einen Teufel tun, irgendwelche diagnostische Ratschläge zu geben. Das steht mir nicht zu.“
Augstein: „Da bin ich froh. Wahrscheinlich gehören alle Deutschen auf die Couch, so wie wahrscheinlich alle Juden.“
Graumann: „Die hierzulande übrigens auch Deutsche sind. Ja, wir Juden sind traumatisiert, und ich wünschte, alle wären dafür sensibilisiert.“
Augstein: „Ja, wir müssen alle auf die Couch. Nebeneinander. Aber lassen Sie mich ganz unemotional feststellen [...]“.(Beyer/Follath 2013)


Man erkennt, dass Augstein das Moment des Unbewussten sofort ins Lächerliche zieht und durch die Gleichstellung von Opfern und Tätern leugnet. Damit will er nichts zu tun haben: „Ich argumentiere rational, und Sie versuchen, das auf die Psycho-Ebene zu ziehen.“

In Wirklichkeit ist gerade die Weigerung, die besondere psychologische Aufladung zur Kenntnis zu nehmen, irrational. Es gibt kein deutsches Gespräch über Juden, Palästinenser und Israel, das nicht unterschwellig von der Wucht der Shoah beeinflusst wird.

Selbstbewusst bedeutet auch, „sich selbst“ bewusst zu sein. Wer sich mit der psychologischen Verlockung, in Israel einen Verbrecherstaat zu sehen, nicht auseinandersetzen will, ist schwerlich „sich selbst bewusst“.

Rational wäre es, sich fortlaufend um eine erhöhte Sensibilität für die Nachwirkungen der Shoah auf das kollektive Bewusstsein in Deutschland zu bemühen und zu begreifen, dass Antisemitismus sich stets unterschiedlich artikuliert, weshalb es darauf ankommt, seine jeweils neuesten Erscheinungsformen aufzuspüren und zurückzuweisen (s. hierzu auch Schwarz-Friesel, semper idem cum mutatione, in diesem Band).

Es ist eben nicht so, dass schon am Antisemitismus-Verdacht das Gewicht von sechs Millionen Ermordeten hängt. Es gibt antisemitische Äußerungen, bei denen sich der Sprecher nicht bewusst ist, eine Grenze überschritten zu haben. Hier kommt es auf den guten Willen und die Fähigkeit zur Selbstkorrektur an.


Das „Zentrum für Antisemitismusforschung“

Die Pressekonferenz mit Rabbi Cooper, die den Ausgang dieser Debatte entscheidend beeinflusste, wurde nicht von der öffentlich finanzierten Antisemitismusforschung, sondern von dem Mideast Freedom Forum Berlin initiiert, einer Nicht-Regierungsorganisation. Das staatlich finanzierte Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) hatte sich um eine solche Klärung nicht bemüht. Dessen Leiterin, Prof. Stephanie Schüler-Springorum, meldete sich während der Debatte nicht ein einziges Mal zu Wort. Allerdings hatte sie auch zu den vorausgegangenen Kontroversen über den Antisemitismus – der Grass-Debatte, der Beschneidungsdebatte oder der Diskussion um die Verleihung des Adorno-Preises an die Israel-Boykotteurin Judith Butler – geschwiegen.

So blieb es einer Mitarbeiterin des Zentrums, Dr. Juliane Wetzel, überlassen, sich zu Augstein zu äußern. Doch was geschah: Sie nahm Augstein gegen den Vorwurf, er bediene antisemitische Klischees, ausdrücklich in Schutz.

Nur wenige Monate zuvor hatte sie das Grass-Gedicht noch als „eine Vorlage für jene“ bezeichnet, „die antisemitische Klischees, Ressentiments und Vorurteile hegen.“ Grass habe mit seiner Aussage „über Israel, das den Weltfrieden bedrohe [...] Möglichkeiten [eröffnet], das anti-antisemitische Tabu im öffentlichen Diskurs zu durchbrechen.“ Es bleibt bei Juliane Wetzel offen, warum Augsteins Loblied auf diese Aussage nicht denselben Tatbestand erfüllt.
Sie ließ es bei der Verteidigung Augsteins nicht bewenden: „Man muss die Sache richtigstellen“, erklärte sie in einem Interview: „Wenn wir den Begriff Antisemitismus ständig benutzen für Dinge, die nicht antisemitisch sind, dann höhlen wir ihn aus“ (Wetzel 2013). Das Zentrum für Antisemitismusforschung schloss sich damit dem Vorwurf an, dass ausgerechnet das Simon Wiesenthal-Zentrum dem Kampf gegen den Antisemitismus schade (Wetzel 2012). Dieses Urteil wurde bis heute nicht korrigiert.

Das Problem besteht nicht darin, dass wir das Wort „Antisemitismus“ für Dinge benutzen, die nicht antisemitisch sind. Sondern es besteht darin, dass das Vorhandensein von Antisemitismus geleugnet wird, nur weil sich dieser neu drapiert.

Wie akut das Problem der Leugnung ist, beweist eine neue Studie des ZfA (s. hierzu auch Rensmann in diesem Band). Darin wird allen Ernstes vorgeschlagen, den „Begriff Antisemitismus [...] für solche Phänomen zu reservieren, bei denen die Ablehnung von Juden als Juden ideologisch oder in anderer Weise weltanschaulich verankert ist bzw. als Teil eines politischen Programms formuliert wird“ (Kohlstruck/Ullrich 2014: 91).

Nach dieser Definition träte „Antisemitismus“ fortan nur bei organisierten Nazis („politisches Programm“) oder in islamistischen Zirkeln auf, während es einen israelbezogenen Antisemitismus schon deshalb gar nicht geben könnte, weil sich dieser nicht gegen „Juden als Juden“, sondern gegen den jüdischen Staat richtet. Mit dieser Begriffsbestimmung wären nicht allein die Kolumnen eines Jakob Augstein, sondern auch die Aufrufe Mahmoud Ahmadinejads, Israel zu vernichten, vom Antisemitismusvorwurf befreit.

Gleichwohl wird diese neue Studie von der Direktorin des Zentrums als wegweisend angepriesen und vom Berliner Senat gefördert und verbreitet. Hier scheint das eigene Versagen während der Augstein-Debatte keinen Lerneffekt ausgelöst zu haben.


Aus Fehlern gelernt?

Als der Bundestag am 13. Juni 2013 über Antisemitismus diskutierte, tauchte in der Rede der CDU-Abgeordneten Gitta Connemann auch der Name Jakob Augstein auf:


„Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit und der legitimen Kritik an Israel werden antisemitische Verunglimpfungen artikuliert. Oder es heißt: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen. Aktuelles Beispiel: Jakob Augstein. Er bedient sich regelmäßig antisemitischer Denkmuster. Er schwadroniert von der Allmacht Israels. Streiche Israel, setze Juden. Die Stereotype ändern sich nicht. Und
Worte sind Waffen.“ (Connemann 2013)


Es gab keine Zwischen- oder Protestrufe, sondern Beifall von allen Fraktionen mit Ausnahme der Fraktion der Linkspartei. Dies zeigt, dass die Wiesenthal-Intervention allen Widerständen zum Trotz nicht umsonst gewesen ist und dass sich die Berechtigung der SWC-Kritik für relevante Teile der Gesellschaft bestätigt hat.

Doch auch bei Jakob Augstein blieb nicht alles, wie es war. „Kann man der Netanjahu-Regierung hier wirklich Schießwütigkeit vorwerfen?“, fragte er in seiner „Im Zweifel links“-Kolumne vom 04. Februar 2013, die sich mit dem israelischen Angriff auf für die Hisbollah bestimmte syrische Waffen befasst. Er beantworte diese Frage mit einem klaren „Nein!“, so, als wolle er beweisen, während der Debatte dazugelernt zu haben (Augstein 2013). Auch wenn seine seltener gewordenen Kommentare über Israel auch weiterhin das Bild von den „Hardlinern auf beiden Seiten“ mobilisieren und aus tendenziösen Quellen zitierten, blieben sie bislang von antisemitischen Anspielungen frei.

Zwar hat sich Augstein von keiner seiner Aussagen distanziert, zwar hat die Debatte seinem Renommee als Starjournalist nicht geschadet – doch ist seine Ambition, Deutschland vom Schatten von Auschwitz und dem „neurotischen“ Journalismus zu befreien, gescheitert. Als Augstein im Dezember 2014 beim Fernsehsender 3sat dem Populärphilosophen Richard David Precht gegenüber saß, wollte ihn dieser mit der Aussage, dass die „Politik gegenüber Israel durch deutsche Schuld [geprägt]“ sei, provozieren. „Das soll sie auch bleiben“, lautete Augsteins wegwerfende Bemerkung, um schnell zum nächsten Thema zu eilen (3sat 2014).

Allerdings hat es keine Debatte über die Debatte selbst gegeben. Die deutsche mediale Elite hat bis heute weder ihre jähe Aggression gegen das Wiesenthal Center noch das kollektive Schweigen nach dem Spiegel-Streitgespräch reflektiert. Zwar lieferte das Wiesenthal Center eine gute Vorlage, doch die damit verbundene Chance – sie wurde verpasst. Die bitter notwendige Diskussion über Journalismus, Israelkritik und Antisemitismus fand nur in Ansätzen statt, ohne langfristigen Effekt.

Man merkte dies, als ein Jahr später das Simon Wiesenthal Center seine „2013 Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs“ veröffentlichte. Hier wurden auf Platz sieben neben einer norwegischen Zeitung und einem französischen Karikaturisten auch zwei deutsche Zeitungen – die Badische Zeitung und die Stuttgarter Zeitung – an den Pranger gestellt. Sie hatten Karikaturen veröffentlicht, die den israelischen Premier Netanjahu als Vergifter des Weltfriedens zeichnen.

Man sieht in der Zeichnung der Badischen Zeitung, wie Netanjahu, bewaffnet mit einem Aktenkoffer mit der Aufschrift „Netanjahu und Co.“ argwöhnisch ein Zwitterwesen aus Friedenstaube und Schnecke begutachtet, das in Richtung „Genf-Iran-Atom-Lösung“ kriecht. Per Telefon bestellt er „Taubengift“ und „Schneckenkorn“, ein Ungeziefervernichtungsmittel. Dem Beobachter wird klar: Israel und nur Israel verhindert den Frieden in der Welt durch Sabotage der Atomverhandlungen mit dem Iran. Hier wird das Bild vom Juden als Giftmörder, heimlicher Saboteur und Weltbrandstifter revitalisiert.

Die Stuttgarter Zeitung reaktivierte das Bild des Juden als Brunnenvergifter. Der israelische Premier sitzt hier allein auf einer Bank und wirft einer Friedenstaube mit der Aufschrift „Nahostfrieden“ vergiftete Brotstückchen hin. „Dieses Motiv basiert auf einer heimtückischen mittelalterlichen Lüge“, heißt es im Begleittext des Wiesenthal Centers: „Diesmal ist es nicht das Trinkwasser, das vergiftet wird, sondern die Hoffnung auf Frieden“ (SWC 2013).

Jetzt aber wurde keine Lawine ins Rollen gebracht. Jetzt wurde die Kritik des Simon Wiesenthal Centers ignoriert.



ANMERKUNGEN



1 Ausnahmen während dieser ersten Phase waren Cigdem Akyol (2012), Clemens Wergin (2013) und Malte Lehming (2013).
2 Weitere Teilnehmer dieses Gesprächs waren Frank Schirrmacher und Salomon Korn.
3 Am selben Tag veröffentlichte die taz den Artikel „Mit fettarschiger Selbstzufriedenheit“ von Deniz Yücel und die Welt meinen Beitrag „Augstein und der Israelkomplex“ sowie am 16.01.2013 unter dem Titel „Dämonisierung mit dem Ziel der Delegitimierung“ ein Gespräch mit dem Antisemitismusforscher Samuel Salzborn.
4 Den Ablauf der Pressekonferenz mit Rabbi A. Cooper und dem Autor dieser Zeilen dokumentiert ein Filmmitschnitt des Mideast Freedom Forum Berlin (2013), s. Quellenverzeichnis.


Literaturverzeichnis



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Quellenverzeichnis



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Augstein, Jakob 2012d: Gesetz der Rache, in: Spiegel Online v. 19.11.2012, http://www.spiegel.de/politik/ausland/jakob-augstein-ueber-israels-gaza-offensive-gesetz-der-rache-a-868015.html (Stand 09.02.2015).

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Minkmar, Nils 2013: Eine offene Gesellschaft. Das Simon-Wiesenthal-Center hat Jakob Augstein als schlimmen Antisemiten deklariert: Das ist unsinnig und die Begründung lächerlich, in: FAZ v. 02.01.2013.

Pohlmann, Sonja/Christian Böhme 2013: Henryk M. Broder verschärft Kritik an Jakob Augstein, in: Tagesspiegel v. 04.01.2013.

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Schmitter, Elke 2013: Da geht noch was, in: Spiegel 6/2013 v. 04.02.2013, S. 129.

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Simon Wiesenthal Center (SWC) 2013: 2013 Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs, v. 30.12.2013, http://www.wiesenthal.com/atf/cf/%7B54d385e6-f1b9-4e9f-8e94-890c3e6dd277%7D/TOP-TEN-2013.PDF (Stand 10.02.2015).

Steinkopf, Leander 2013: „Fall Augstein“. Wie wird man einer der schlimmsten Antisemiten? in: FAZ online v. 31.01.2013, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/fall-augstein-wie-wird-man-einer-der-schlimmsten-antisemiten-12046164.html (Stand 10.02.2015).

Wergin, Clemens 2013: Augsteins Verteidiger sind auf linkem Auge blind, in: Die Welt v. 03.01.2013.

Wetzel, Juliane 2012: Die Täter-Opfer-Umkehr, in: Freitag v. 22. April 2012.

Wetzel, Juliane (Interview) 2013: „Grenzwertig, aber nicht antisemitisch”, in: Cicero v. 04.01.2013, http://www.cicero.de/weltbuehne/grenzwertig-aber-nichtantisemitisch/53060?print (Stand 09.02.2015).

Yücel, Deniz 2013: Mit fettarschiger Selbstzufriedenheit, in: Taz v. 15.01.2013.



Der Autor

MATTHIAS KÜNTZEL

Matthias Küntzel ist Politikwissenschaftler und Historiker und hat mehrere Bücher zum Thema Islamismus und Antisemitismus veröffentlicht. 2011 wurde er in den USA von der Anti-Defamation League (ADL) mit dem Ehrlich-Schwerin-Menschenrechtspreis ausgezeichnet.

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Matthias Küntzel

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