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ONLINE-EXTRA Nr. 44

Januar 2007

Der nachfolgende Beitrag entstammt dem soeben im Metropol-Verlag (Berlin) erschienenen Buch "Exklusive Solidarität. Linker Antisemitismus in Deutschland" (siehe Hinweis weiter unten). Die Studien dieses Sammelbandes diskutieren die Bedeutung antisemitischer Denkfiguren in der deutschen Linken in Geschichte und Gegenwart.

Der vorliegende, diesem Band entnommene und online exklusiv bei COMPASS veröffentlichte Beitrag von Martin Kloke zeichnet in diesem Kontext auf kenntnisreiche und beeindruckende Weise das Verhältnis der deutschen Linken zu Israel nach.

COMPASS dankt dem Autor und dem Metropol-Verlag, Berlin, für die Genehmigung zur exklusiven Online-Wiedergabe an dieser Stelle!

© 2007 Copyright bei Autor und Verlag 
online exklusiv für ONLINE-EXTRA


Online-Extra Nr. 44


Israel - Alptraum der deutschen Linken?

MARTIN KLOKE



Zur Aktualität des Themas1

Die Headline dieses Beitrags geht auf den gleichnamigen Titel eines Artikels von Joschka Fischer zurück, den der ehemalige Bundesaußenminister vor 23 Jahren als hessischer Oppositionspolitiker veröffentlicht hat.2 Fischers Aufsatz gehört zu den wenigen politischpublizistischen Versuchen linker Vordenker jener Zeit, den im Fahrwasser antiimperialistischer Gewissheiten und antisemitischer Ressentiments sich bewegenden Antizionismus linksradikaler, später auch grünalternativer Couleur kritisch aufzuarbeiten. War der Versuch erfolgreich, die deutsche Linke von ihren israelpolitischen „Alpträumen“ zu befreien?

Inzwischen müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass das Amalgam aus antisemitischen und antizionistischen Ressentiments nun auch in der Mitte der Gesellschaft seine dumpfen Sumpfblüten treibt. Natürlich ist nicht jede einseitige und überzogene Israelkritik per se antisemitisch; doch belegen die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung einen signifikanten Zusammenhang zwischen einer negativen Grundeinstellung gegenüber Israel und sonstigen antisemitischen Vorurteilen. Zwar bleiben die Werte für den traditionellen rassistischen Antisemitismus relativ stabil; doch nehmen in allen sozialen und politischen Milieus gleichsam „modernisierte“ antisemitische Ressentiments dramatische Werte an – sie suchen sich über den Umweg der „Kritik“ an Israel freie Bahn zu verschaffen.

Der Marsch durch die Institutionen, den vor über 35 Jahren eine linksgerichtete Jugendkultur proklamierte, ist auch im Hinblick auf unser Thema „erfolgreich“ gewesen: Wie zur Bestätigung dieses Trends konnte 2004 ein Mitarbeiter der Bundeszentrale für politische Bildung in der angesehenen Wochenzeitung Das Parlament unwidersprochen das Existenzrecht Israels als jüdischer Staat zur Disposition stellen, indem er die „Entzionisierung“ Israels „als Voraussetzung für einen wirklichen Frieden“ herbeizuschreiben versuchte.3 Ausgerechnet am Tage der historischen Begegnung des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, am 8. Februar 2005 im ägyptischen Scharm-el-Scheich, stellte die Süddeutsche Zeitung die Frage: „Ist der Zionismus heute der wahre Feind der Juden?“ – und überließ im Stil einer Pro- und Kontra- Diskussion die Antworten zwei Gastautoren.4 Welcher andere, zumal demokratische Staat in der Welt befindet sich seit mehr als 50 Jahren in der Zwangslage, sich permanent gegenüber Feinden und „Freunden“ seiner Existenzberechtigung vergewissern zu müssen: Häu- fig beteuern „fortschrittliche“ Zeitgenossen: „Ich trete zwar für das Existenzrecht Israels ein, aber ...!“ Niemand dieser Gutmenschen würde jemals einen Gedanken entwickeln, der mit dem Satz begänne: „Ich trete zwar für das Existenzrecht Russlands ein, aber ...!“

Ende 2004 hat eine Forschungsgruppe um den Bielefelder Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer herausgefunden, dass im Rahmen einer Schuld aufrechnenden und abwehrenden „Umwegkommunikation“ mehr als die Hälfte aller Deutschen der Auffassung sind, „dass sich das Verhalten Israels gegenüber den Palästinensern grundsätzlich nicht von dem der Nazis im Dritten Reich gegenüber den Juden unterscheidet“.5 Gleichwohl macht sich selbst das kritische Bielefelder Forscherteam in seinem Fragedesign wie selbstverständlich die schlichte antizionistische These zu Eigen, wonach „Israel den Palästinensern Land wegnimmt“.6 Damit verzichten die Wissenschaftler darauf, dem sicherheitspolitischen Dilemma Israels auch nur ansatzweise gerecht zu werden – denn der jüdische Staat ist historisch wider Willen in die Rolle einer Besatzungsmacht katapultiert worden. Wie sehr Israel unter dem Eindruck des jahrzehntelangen Vernichtungswillens seiner „Nachbarn“ in innenpolitische Zerreißproben geraten ist, zeigen die anhaltenden Diskussionen um die einseitigen Abkopplungsschritte der Regierung unter Ariel Scharon.

Der Schriftsteller Gerhard Zwerenz verstieg sich 1976 zu der These: „Linker Antisemitismus ist unmöglich.“7 Noch heute wirkt diese Parole nach. Die geschichtspolitischen Debatten um den Umgang mit der deutsch-jüdischen Vergangenheit und ihren politischmoralischen Konsequenzen zeigen, wie sehr die deutsche Gesellschaft als Ganzes noch immer von unheilvollen Traditionen kontaminiert ist. Viele selbst wohlmeinende Deutsche und Linke sind in die Vorstellung vernarrt, Antisemitismus begänne erst an der Rampe von Auschwitz. Alles, was sich im ressentimentgeladenen Vorfeld des Vernichtungsantisemitismus abspielt, wird klein geredet – häufig mit moralisierender Empörung. Das Credo nicht zuletzt linksliberaler Feuilletonisten und von Teilen des etablierten Politikbetriebs scheint zu lauten: „Antisemitismus ist, wenn man die Juden noch weniger mag, als es normal ist.“ Insofern gibt es gute Gründe, den israelpolitischen „Alptraum“ der deutschen Linken genauer zu untersuchen.


Antizionismus als Weltanschauung

Als sich Israel Anfang Juni 1967 der Eskalationsstrategie der arabischen Anrainer-Staaten durch einen Präventivschlag zu erwehren suchte, wurde der jüdische Staat auch hierzulande von einer Welle der Sympathie erfasst. Nicht zuletzt linke Strömungen beteiligten sich an zahlreichen Solidaritäts-Aktionen. Unter dem Eindruck einer monströsen antiisraelischen Rhetorik der arabischen Kriegspropaganda8 schien es zunächst, als falle der deutschen Linken, wie bereits in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren, eine besondere moralische Verantwortung für die Existenz des jüdischen Staates zu.9

Israel setzte sich binnen sechs Tagen auf der ganzen Linie durch – gegen eine quantitative Übermacht arabischer Armeen, die von der Sowjetunion ausgerüstet worden waren. Es war nun endgültig ein Teil des Westens geworden, psychologisch unterstützt durch die eruptive Israelbegeisterung bürgerlich-konservativer Kreise.

Vor diesem Hintergrund schlussfolgerten viele Anhänger der aufkommenden Studentenbewegung: „Wenn Springer für Israel ist, können wir nur dagegen sein.“ Der einst als progressiv begriffene jüdische Pionierstaat wurde bald nur noch als „Brückenkopf des USImperialismus“ in Arabien wahrgenommen.

Im September 1967 gehörte der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) als wichtigste organisierte Strömung der außerparlamentarischen Opposition zu den ersten Organisationen, die einen unerbittlich antizionistischen Kurswechsel vorgenommen hatten. Der linksradikale Verband, der zu dieser Zeit sowohl „traditionalistische“ (Moskauorientierte) als auch „antiautoritäre“ und libertäre Strömungen in sich vereinte, übernahm eine aggressiv antiisraelische Diktion: „Zionistische Kolonisierung Palästinas hieß und heißt bis heute: Vertreibung und Unterdrückung der dort lebenden eingeborenen arabischen Bevölkerung durch eine privilegierte Siedlerschicht.“10

In der Folgezeit richteten die Matadoren der studentischen Linken ihr nahostpolitisches Interesse immer stärker auf die Araber Palästinas. Gleichzeitig präsentierte sich die PLO als Teil einer globalen sozialrevolutionären Befreiungsbewegung. Sie versah ihren antizionistischen Kampf mit einer imperialismustheoretischen Legitimation. Die Weigerung der PLO, das Heimat- und Selbstbestimmungsrecht der jüdisch-israelischen Nation auch nur ansatzweise anzuerkennen,11 tat der mythisch verklärten Aura der PLO keinen Abbruch. Linke Publizisten begannen ein Palästinenserbild zu zeichnen, das sich nahtlos mit den heroischen Selbstdarstellungen palästinensischer Kampforganisationen deckte.12 Der Schulterschluss zwischen linksdeutschen Studenten und in der Bundesrepublik lebenden arabischen Al Fatah-Anhängern entwickelte sich 1969 zu einem zentralen Kennzeichen internationaler „Solidarität“. Die Israelfeindschaft der Neuen Linken steigerte sich zur antizionistischen Weltanschauung.13

Ende Juli 1969 reiste ein knappes Dutzend führender SDS-Mitglieder mit weiteren internationalen Teilnehmern in das haschemitische Königreich Jordanien. Die linksdeutschen Revolutionsromantiker loteten Möglichkeiten einer engeren Kooperation zwischen der antizionistischen Neuen Linken und den palästinensischen Organisationen aus. Die Idee einer anschließenden Erkundungsreise nach Israel zwecks Überprüfung des eigenen Standpunkts hielt die Besuchergruppe für völlig abwegig.14 Das Konzept des „Volksbefreiungskrieges“ ließ die Al Fatah zum Hoffnungsträger antiimperialistischer Sehnsüchte werden. Zeitweise übersetzte und veröffentlichte der SDS als Mitglieder-Service die triumphalistischen Al Fatah-Militärkommuniques zu „erfolgreichen“ Terroraktionen in Israel.15

Kontakte zum palästinensischen „Widerstand“ wurden auch in der Folgezeit gepflegt: An einer PLO-Konferenz im Dezember 1969 nahmen 200 ausländische Teilnehmer teil, darunter der damalige SDS-Vorsitzende Udo Knapp sowie der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer. Auch wenn das Erinnerungsvermögen einiger Teilnehmer heute getrübt zu sein scheint, gilt als sicher, dass in den Reden von Algier der „Endsieg“ über Israel beschworen und eine Atmosphäre der Gewalt verbreitet wurde.16




,Antizionistischer Antisemitismus artikuliert sich auch in Karikaturen:Die Zeitung des Kommunistischen Bundes Arbeiterkampf setzt das israelische Parlament mit dem Berliner Sportpalast der Nazi-Zeit gleich. Ministerpräsident Yitzhak Rabin hat sich wundersamerweise in Propagandaminister Goebbels verwandelt – eingerahmt von Moshe Dajan und Golda Meir.Die vermeintliche historische Analogie (bzw.Gleichsetzung) wird so weit getrieben,dass die Vertreter des jüdischen Staatsvolkes den Aufruf zum totalen Krieg begeistert aufnehmen.Man beachte die hervorstechenden „jüdischen “ Kennzeichen der ansonsten gesichtslosen Masse – was mehr über den Zeichner als über die von ihm karikierten Menschen aussagt.


Fasziniert vom zeitgeistigen Dritte Welt-Mythos, mochten die SDS-Aktivisten nicht mehr an die historischen Voraussetzungen des Zionismus – seiner Amalgamierung mit der jüdischen Leidensgeschichte in Europa – erinnert werden. Flankiert von wohlfeilen antiimperialistischen Erklärungsmustern, vertrat der SDS bis zu seiner Selbstauflösung im Jahr 1970 eine Politik der revolutionären „Unschuld“, in der unter antizionistischen Vorzeichen auch Fragmente eines linken Antisemitismus virulent wurden. Als der israelische Außenminister Abba Eban im Februar 1970 die Bundesrepublik bereiste, ließ der Frankfurter SDS gemeinsam mit anderen Gruppierungen verlautbaren: „Der Besuch Abba Ebans, der als  Vertreter eines rassistischen Staates in die Bundesrepublik reist, muss zu einer Demonstration und zum Protest gegen den zionistischen, ökonomisch und politisch parasitären [sic!] Staat Israel und seine imperialistische Funktion im Nahen Osten werden [...]. Nieder mit dem chauvinistischen und rassistischen Staatsgebilde Israel.“17

Zu Zentren deutscher „Palästina-Solidarität“ avancierten Universitätsstädte, in denen Anhänger des neu-linken Spektrums zum Sprachrohr des in der PLO organisierten palästinensischen „Widerstandes“ wurden. Unwidersprochen verbreiteten sie auch antisemitisches Gedankengut. Das Bonner Palästinakomitee suggerierte in seinen Statuten die ominöse Existenz eines „jüdischen Kapitals“;18 Berliner Maoisten verfassten ein Flugblatt gegen „US-Imperialismus und Weltzionismus“;19 die Leitung des Kommunistischen Bundes rief zum Kampf gegen den „internationalen Zionismus“ auf.20

Militant-anarchistische Kreise der Neuen Linken trieben die Glorifizierung ihrer palästinensischen „Helden“-Figuren auf die Spitze. Publizistisches Forum der „libertären“ Kommunisten wurde die West-Berliner Agit 883, die trotz wiederholter staatlicher Verbotsverfügungen zeitweise eine wöchentliche Verkaufsauflage von bis zu 20 000 Exemplaren erzielte. In immer neuen Variationen beschworen ihre Autoren die „großartige Wahrheit“ des bewaffneten Widerstandes palästinensischer Fedayin, „weil das Gewehr die einzige Ausdrucksmöglichkeit aller Unterdrückten ist – überall“.21 Doch beschränkten sich die linken Schreibtischtäter nicht auf eine revolutionsromantisch verklärte verbale Ästhetisierung von Gewalt, sondern warben unter dem Motto „Schlagt die Zionisten im eigenen Land!“ auch für einen gewaltbereiten Kampf gegen die „Erfüllungsgehilfen“ Israels in der BRD.22



Henry Kissinger,Ex-Außenminister der USA,wird im Arbeiterkampf als Eier legendes Huhn dargestellt.Die Physiognomie erinnert an einschlägige Stürmer-Karikaturen; der Hut symbolisiert die zionistisch-amerikanische Symbiose –die USA gelten hier wie anderswo als die Inkarnation einer jüdisch-zionistischen Verschwörung. Die massenhaft produzierten Eier symbolisieren die israelfreundlichen „Schandtaten “der westlichen Supermacht.


Ausgerechnet in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1969 machten jungdeutsche Antizionisten Ernst mit ihren gewaltverherrlichenden Phantasien und griffen (wie weiland ihre Väter) jüdische Einrichtungen an. Im Bekennerschreiben erklärten die Schwarzen Ratten TW (Tupamaros Westberlin): „Am 31. Jahrestag der faschistischen Kristallnacht wurden in Westberlin mehrere jüdische Mahnmale mit ‚Schalom und Napalm‘ und ‚El Fatah‘ beschmiert. Im jüdischen Gemeindehaus wurde eine Brandbombe deponiert. Beide Aktionen sind nicht mehr als rechtsradikale Auswüchse zu diffamieren, sondern sind ein entscheidendes Bindeglied internationaler Solidarität [...]. Der wahre Antifaschismus ist die klare und einfache Solidarisierung mit den kämpfenden Feddayin [...]. Jede Feierstunde in Westberlin und in der BRD unterschlägt, dass die Kristallnacht von 1938 heute tagtäglich von den Zionisten in den besetzten Gebieten, in den Flüchtlingslagern und in den israelischen Gefängnissen wiederholt wird. Aus den vom Faschismus vertriebenen Juden sind selbst Faschisten geworden, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das palästinensische Volk ausradieren wollen.“23 Obwohl die Aktion auch unter den Aktivisten antizionistischer PKs auf Kritik stieß,24 war ein Fanal gesetzt:

Ein Teil der unter verschiedenen Namen auftretenden „Haschrebellen“, aus denen bald die Bewegung 2. Juni hervorgehen sollte, hatte bereits im Sommer 1969 in palästinensischen Lagern Jordaniens eine militärische Grundausbildung durchlaufen. Mit „dem totalen Willen zu kämpfen sind die Leute dann aus Palästina zurückgekommen“, berichtete später einer ihrer Mitstreiter.25 Erst die straff organisierte und professionalisierte Rote Armee Fraktion (RAF) begann im Frühsommer 1970, aus den militant-antizionistischen Phantasien der Westberliner Anarcho-Szene blutigen Ernst zu machen: Über zwanzig RAF-Mitglieder – darunter Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Horst Mahler – sickerten von Ostberlin via Beirut nach Amman ein, um in einem Ausbildungslager der Al Fatah von palästinensischen Kämpfern unterwiesen zu werden. Interne Unstimmigkeiten führten nach zwei Monaten zu einem vorzeitigen Abbruch der „Ausbildung“. Dennoch hatten die Deutschen genügend terroristische Fertigkeiten erworben, um sie fortan praktisch anzuwenden.26

Trotz des Eklats in Jordanien blieben die Verbindungen zwischen palästinensischer und westdeutscher Guerilla auch in der Folgezeit bestehen: Noch in der Haft begrüßten Ulrike Meinhof und Horst Mahler den Anschlag des Schwarzen Septembers auf die israelische Olympia-Mannschaft als „mutiges Kommando [...] gegen zionistische Soldaten, die in München als Sportler auftraten“.27 Immer wieder taucht in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob nicht auch Otto Schily, der in den 1970er-Jahren regen Umgang mit der linksradikalen Szene pflegte, zeitweise dem „internationalistisch camouflierten Antisemitismus der Neuen Linken“ erlegen sei – etwa in seiner Funktion als RAF-Anwalt. Doch selbst Schilys kritischer Biograf kommt nicht um das lakonische Fazit herum: „Schily hat ihn [den linken Antisemitismus] nicht geteilt, und er hat sich dafür nicht sonderlich interessiert. Er ist ihm nicht aufgefallen. Die 68er, sagt er heute, ‚waren für mich Antifaschisten. Vielleicht hat man manches damals nicht so scharf gesehen wie heute‘.“28 Doch im Sommer 1976 brachte ein deutsch-palästinensisches Kommando aus Mitgliedern der Revolutionären Zellen, der Bewegung 2. Juni und der Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP) ein französisches Passagierflugzeug in seine Gewalt und dirigierte die Maschine nach Entebbe (Uganda) um. Der Deutsche Wilfried Böse organisierte die räumliche Trennung der jüdischen von den nichtjüdischen Passagieren.29 Nicht zuletzt dieser Höhepunkt antisemitischer Gewaltpraxis begann die antizionistische Selbstgewissheit der neu-linken Palästina-Solidarität massiv in Frage zu stellen. Der Schock über Affinitäten zwischen rechtsgerichteten und linksradikalen Ressentiments war so tief, dass er das Ende des antizionistischen Meinungsmonopols in der Linken einläutete.


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Zerreißproben und Lernprozesse

Im Spiegel von Entebbe realisierten führende Anhänger der Neuen Linken, dass der Kampf gegen Unrecht auch monströse Züge annehmen kann. Einige erkannten, dass ihr Antizionismus eine Platzhalter-Funktion für den gesellschaftsunfähigen Antisemitismus eingenommen hatte. Als selbst die PLO, um ihr ramponiertes Ansehen aufzubessern, ihren strategischen Schwerpunkt auf politisch-diplomatische Initiativen verlegte, schien eine grundsätzliche Neujustierung linker Solidaritätsprinzipien angesagt.

Die deutsche Nahost-Debatte spitzte sich noch einmal zu, als die israelische Armee im Sommer 1982 in den Libanon einmarschierte, um dort befindliche PLO-Basen zu zerstören, die Teile des libanesischen Staates fest im Griff hatten. In seltener Einmütigkeit wurde Israel des Völkermords an den Palästinensern bezichtigt. Linke Publizisten erlagen der Faszination begrifflicher Tabubrüche; triumphierend witterten sie die Gelegenheit, Antifaschismus und Antisemitismus miteinander zu versöhnen. Auch Journalisten der links-alternativen taz beteiligten sich an jener historisch-psychologischen Entlastungsoffensive, bei der die Palästinenser als die „neuen Juden“ bezeichnet und die israelischen Invasoren mit den Nazis verglichen wurden. Die gezielte Vermischung historischer Ebenen gipfelte im Vorwurf des „umgekehrte[n] Holocaust[s]“ und einer „Endlösung der Palästinenserfrage“.30

Noch auf dem Höhepunkt dieser verbalen Exzesse erhoben auch einige Linke Einspruch: gegen den „Erlösungsantisemitismus“ und den Versuch, die deutsche Geschichte auf dem Rücken ihrer Opfer zu bewältigen. Der israelpolitische Schlagabtausch nahm zeitweise eine Intensität an, die den wirklichen Krieg im Libanon in den Hintergrund treten ließ. Wolfgang Pohrt stellte lakonisch fest: „Unter die Völkermorde subsumiert, kann der Libanonkrieg nur als Kavaliersdelikt betrachtet werden [...]. Kein Grund zur Annahme, die Palästinenser würden sich, wenn sie Erfolg hätten, anders verhalten als die Israelis.“31 Etwa zeitgleich mit jüdischen Linken appellierte Joschka Fischer an seine grünen Mitstreiter, die nahöstlichen „Realitäten“ zur Kenntnis zu nehmen und von „blinde[r] Solidarität“ mit den Palästinensern Abstand zu nehmen: „Wir sollten endlich aufhören, palästinensischer als die PLO zu sein. Wir sollten mit unserer Solidarität durchaus eigene Ziele verfolgen, was uns sowohl mit den Israelis als auch mit den Palästinensern in Widerspruch bringen kann“.32

Kathartische Aufrufe zur kritischen Reflexion zeitigten trotz gelegentlich anderslautender rhetorischer Eingeständnisse keine durchschlagenden Verhaltensänderungen – das ist bis heute so geblieben: Wem ist heute noch erinnerlich, was sich Mitte der 1980er-Jahre im Libanon abspielte? Als syrische Truppen gemeinsam mit rivalisierenden palästinensischen Milizen und der schiitischen Amal Bastionen von PLO-Chef Arafat schleiften, erzeugten diese Übergriffe nicht einen Bruchteil jener Wogen der Betroffenheit, die zuvor die israelische Invasion begleitet hatten – dies, obwohl Berichte über Massaker an Palästinensern an die Weltöffentlichkeit gelangt waren, die alle bisherigen Gräueltaten im Libanon in den Schatten stellen sollten. In der taz war zu lesen: „Vermutlich liegt die Zahl der Opfer im ‚Lagerkrieg‘ heute höher als während des Massakers in Sabra und Shatila, das falangistische Milizen unter den Augen israelischer Soldaten im September ’82 verübten. [...] Das genaue Ausmaß der syrischen Verwicklung im ‚Lagerkrieg‘ wird wohl nie geklärt werden. Denn anders als im Falle Israels 1982 wird es in Damaskus keine Untersuchungskommission über die Rolle Syriens geben.“33


Ende der Funktionalisierung?

In den späten 1980er-Jahren erzeugte das unausgegorene Nahost-Engagement von Teilen der links-alternativen Szene zunehmend Unbehagen. Insbesondere die Grünen wurden von „kathartischen Zerreißproben“ erschüttert und begannen sich für ausgewogenere Israelwahrnehmungen zu öffnen. Selbst in „autonomen“ Kreisen begann die fanatisierte Palästina-Solidarität hier und da obsolet zu werden.34 Zudem flaute mit der Auflösung des sowjetischen Machtblocks das nahostpolitische Interesse ab. Gelähmt von den weltpolitischen Veränderungen begann eine orientierungslos gewordene Linke zur Subkultur zu werden – mit Symptomen der Versektung.

Gleichwohl hat der Golfkrieg des Winters 1991 der deutschen Restlinken noch einmal Auftrieb verschaffen können – um den Preis einer erneuten antiisraelischen Ausrichtung. Wochenlang musste die israelische Bevölkerung mit Gasmasken in versiegelten Räumen sitzen, weil der Irak im Besitz von chemischen Waffen war, die mit Hilfe deutscher Techniker zu einer Bedrohung geworden waren. Saddam Hussein drohte den Einsatz dieser Waffen gegen Israel an, obwohl der jüdische Staat gar nicht Teil der alliierten Kriegskoalition war. In Israel, wo die Regierung sich nicht zu einem Gegenschlag verleiten ließ, warteten die Menschen angstvoll das Ende des Krieges ab; schließlich hatte der Irak Jahre zuvor chemische Waffen gegen die eigene kurdische Bevölkerung eingesetzt. Angesichts der erneuten Konnotation von „Deutschen“ und „Gas“ machte sich ohnmächtiger Zorn breit.35

Einige Vertreter der Friedensbewegung verhehlten nicht ihre Sympathien mit jenem irakischen Diktator, der einer überlegenen alliierten Streitmacht die Stirn bot. Dass der  Aufruf zur zentralen Antikriegskundgebung in Bonn keinerlei Hinweis auf die Bedrohung Israels enthielt, obwohl neun Tage zuvor bereits die ersten von 39 irakischen Scud-Raketen im Großraum von Tel Aviv eingeschlagen waren, wurde kaum registriert. Als der grüne Vorstandssprecher Christian Ströbele mit pazifistischem Pathos die Lieferung deutscher Abwehrwaffen an Israel ablehnte, nahm seine persönliche Glaubwürdigkeit Schaden, hatte er doch noch in den 1980er-Jahren die Spendensammlung „Waffen für EI Salvador“ koordiniert. Der Parteiräson wurde er vorübergehend geopfert, nachdem er die Raketenangriffe auf jüdische Wohngebiete als „die logische, fast zwingende Konsequenz der Politik Israels“ bezeichnet hatte.36

Mit dem weitgehenden Zerfall einer radikalen Linken setzte sich in den späten 1990er- Jahren der Eindruck fest, als ob nicht mehr Antifaschismus, Neutralismus und Antizionismus, sondern Proisraelismus, Westbindung und Antitotalitarismus die Leitideen einer geläuterten Linken ausmachten. Anders als im Jahrzehnt zuvor ließen sich israelfeindliche Ausfälle im Milieu des rot-grünen Spektrums nun eher als unfeine Entgleisungen denn Ausdruck antizionistischer Grundüberzeugungen deuten.37 Der so hoffnungsvoll begonnene Friedensprozess im Nahen Osten mochte dazu beigetragen haben, dass ein weltanschaulich auftretender Antizionismus an Anziehungskraft verloren hatte. Affinitäten zwischen islamistischen Arabern und linksradikalen Deutschen, das rechtsgerichtete Renegatentum von Intellektuellen wie Horst Mahler und Bernd Rabehl schienen Randerscheinungen zu sein. Gleichwohl ist mit der so genannten Al-Aksa-Intifada das Verhältnis linker Strömungen zu Israel im neuen Jahrhundert z. T. wieder in alte Bahnen zurückgefallen.


Wiederkehr alter Frontstellungen? Israel im rot-grünen Milieu

Bis zum Regierungswechsel 2005 sind die Maklerdienste des von Fischer geführten Auswärtigen Amtes sowohl von der Regierung Scharon als auch von Palästinenserpräsident Abbas hoch geschätzt worden. Die Wurzeln dieses diplomatischen Kunststücks sind einem „Double bind“-Effekt geschuldet: Sie können auf die antizionistische Vergangenheit des Fischer-Milieus der späten 1960er-Jahre ebenso rekurrieren wie auf die Doktrin einer grün gefärbten „Außenpolitik nach Auschwitz“. Neben dem verstorbenen Altbundespräsidenten Johannes Rau sowie Ex-Bundesinnenminister Otto Schily gibt es links von der Mitte keinen Politiker von Rang, der sich dem deutsch-israelischen Verhältnis mehr verpflichtet fühlte, als es Fischer tat: „Der Holocaust gehört zu unserer Geschichte. Wir haben keine andere. Aus dieser Verantwortung begründet sich das Sonderverhältnis zwischen Deutschland und Israel. Es gründet auf der Unantastbarkeit des Existenzrechts des Staates Israel und seiner Bürger. Israel ist der einzige Staat, dessen Existenz wirklich in Frage gestellt wird. Wenn man nicht bösartig, blind oder von naiver Einseitigkeit ist, muss man doch die Raketen im Südlibanon sehen, die heute bis in das Kernland Israels reichen. Wenn Israel auch nur einen Tag eine militärische Niederlage erleben würde, dann würde dieser Staat nicht mehr existieren.“38 Wenn Fischers Reputation im Nahen Osten darauf beruhte, dass er Honig aus zwei traditionsgeschichtlich gänzlich verschiedenen Blütenkelchen saugt – unterliegt dieser nahostpolitische Nimbus nicht einem kommunikativen Missverständnis? Fest steht: Fischers schillernde linksradikal-antizionistische Vergangenheit ebenso wie seine kathartischen Anstrengungen seit den frühen 1980er-Jahren waren paradoxe Voraussetzungen dafür, dass er zu den wenigen westlichen Nahost-Politikern zählte, die ihren politischen Kredit nicht verspielt haben.









EXKLUSIVE SOLIDARITÄT
Linker Antisemitismus in Deutschland


Herausgegeben von
Matthias Brosch / Michael Elm /
Norman Geißler / Brigitta Elisa Simbürger / Oliver von Wrochem

Metropol Verlag
Berlin 2007
440 Seiten
Preis: 24,00 Euro


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Inklusion, Solidarität und Gleichheit gehören traditionell zu den konstitutiven Begriffen und Motiven linker Weltanschauung und linken Handelns. Dennoch kam und kommt in der Argumentation und Politik der deutschen Linken beim Thema Israel und Judentum nicht selten eine Kerndoktrin rechter politischer Ideologie zum Tragen: die Exklusion.

Die Studien des Sammelbandes diskutieren die Bedeutung antisemitischer Topoi in der deutschen Linken in Geschichte und Gegenwart. Sie belegen, dass Antisemitismus keine Randerscheinung, sondern in vielen Fällen ein struktureller Bestandteil linker Ideologien und Bewegungen ist.

Die Kapitel:
- Frühformen von linkem Antisemitismus in Deutschland
- Das Verhältnis von politisch Verfolgten und Juden 1933-1945
- Antisemitismus und nationale Identität
- Antizionismus und Antiamerikanismus in der DDR und in der bundesrepublikanischen Linken
- Der Nahostkonfllikt: Euroopa und die deutsche Linke
- Dokumentationsteil



Eingedenk früherer israelpolitischer Peinlichkeiten insbesondere in der linksalternativen Szene der 1980er-Jahre äußern sich (ehemalige) rot-grüne Mandatsträger heute eher umsichtig – oder schweigen gar wortreich.39 Zu oft haben ihre Außenpolitiker mit missionarischem Eifer einen „Verantwortungsimperialismus“ gegenüber dem jüdischen Staat zelebriert – als solle ausgerechnet „am deutschen Wesen“ die nahöstliche „Welt genesen“.40

Weniger zimperlich gerieren sich Kulturrepräsentanten bzw. ehemalige Funktionsträger des rot-grünen Establishments: Manfred Wüst äußerte im Sommer 2000 als Leiter des Goethe-Instituts im palästinensischen Ramallah die Überzeugung: „Tatsache ist, dass die meisten Israelis das Leben in dieser Region nicht interessiert. Sie wollen sie nur besitzen.“41 Offenbar genoss Wüst allerhöchste Protektion, denn noch 2002 wurde er zum Leiter des Goethe-Instituts in Damaskus befördert. Doch als er 2003 auf einer öffentlichen kulturpolitischen Veranstaltung die palästinensischen Selbstmord-Attentäter als „Freiheitskämpfer“ bezeichnet hatte, bestellte Institutspräsidentin Jutta Limbach ihren leitenden Mitarbeiter zur „Klärung“ ein – nach massivem öffentlichem Druck versetzte sie ihn nach Poona (Indien).42 Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Freimut Duve macht sich heute als Medienbeauftragter der OSZE in Wien Sorgen über die angeblich „gezielte Vertreibung“ der Palästinenser – „da müssen wir [Deutsche] aufpassen, dass hinter diesem von Scharon gezogenen Vorhang [des Abzugs aus Gaza] sich nicht eine ganz andere Wirklichkeit abspielt, über die wenig zu lesen ist.“43 Der ehemalige Grünen-Politiker Christian Sterzing, der seit  2004 als Direktor des Arab Middle East Office der Heinrich-Böll-Stiftung im palästinensischen Ramallah residiert, verfasste ein offiziöses Positionspapier, in dem er sich zur These vom „fortgesetzten Mäßigungsprozess innerhalb von Hamas“ verstieg.44

Kaum mehr erinnerlich ist vielen Beobachtern die Israeldistanz des abgewählten Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Noch unter dem Eindruck des 1991 von irakischen Giftgasgrananten bedrohten Israel hatte der niedersächsische Ministerpräsident Schröder seine Teilnahme an einer Kundgebung für die Existenz Israels verweigert, weil die Initiatoren nicht zugleich die sofortige Beendigung der alliierten Intervention zur Befreiung Kuwaits gefordert hatten.45 Aber der Realpolitiker Schröder ist auch Diplomat und als solcher „lernfähig“: Obwohl er eigene außenpolitische Ambitionen hegte – in Zeiten sich abkühlender deutsch-amerikanischer Beziehungen pflegte er als Kanzler demonstrativ Männerfreundschaften zu führenden Repräsentanten Frankreichs, Russlands und in jüngster Zeit auch Spaniens –, hielt er sich in Sachen Israel lieber bedeckt. Schröder vermied nahostpolitische Stellungnahmen, indem er dieses Minenfeld seinem Außenminister überließ. Ob aus dieser Zurückhaltung mehr als nur diplomatische Besonnenheit spricht, ist zweifelhaft: Als Schröder im Oktober 2003 vom tödlichen Anschlag palästinensischer Terroristen auf die Gäste eines israelischen Restaurants bei Haifa erfuhr, konnte er nicht umhin, sich zu positionieren – schließlich befand er sich gerade auf Staatsbesuch in Äypten. Doch während einer Pressekonferenz in Kairo richtete der Kanzler seine Aufmerksamkeit nicht auf die Ermordung von 20 israelischen Zivilisten; stattdessen verurteilte er den kurz danach erfolgten israelischen Militärschlag gegen mutmaßliche Djihad-Lager auf syrischem Gebiet. Die Tatsache, dass die für den Anschlag verantwortlichen Terrorzellen ihre Trainingslager mit Duldung der Damaszener Regierung seit Jahren auf syrischem Hoheitsgebiet errichtet hatten, schien den Kanzler nicht weiter zu beeindrucken: Die Israelis hätten „die Souveränität eines anderen Landes verletzt“, eine solche „Aktion“ sei „nicht akzeptabel“.46

Bis heute ist das nahostpolitische Selbstverständnis des rot-grünen Lagers widersprüchlich – und führt gelegentlich auch zu skurrilen Paradoxien: Während die SPD mit gutem Recht jahrzehntelang auf ihr besonderes Verhältnis zum linkszionistischen Israel verweisen konnte, zelebriert heute die parteinahe Friedrich-Ebert-Stiftung den „kritischen Dialog“ mit islamistischen Strömungen. In Beirut lud die Stiftung im Winter 2004 gemeinsam mit dem Deutschen Orient-Institut zu einer Konferenz ein, die der schiitisch-libanesischen Terrororganisation Hisbollah ein gleichberechtigtes Forum bot: „from Dialogue  towards Understanding“ – so das Motto der Veranstalter, deren Verständigungsbegehren selbst jene Kräfte einschließt, die sich der Zerstörung Israels verschrieben haben.47

Obwohl oder vielleicht auch weil die Grünen in der Vergangenheit von z. T. starken antizionistischen Stimmungen geprägt und im Streit um eine angemessene Haltung im israelisch-palästinensischen Konflikt wiederholt an den Rand einer Spaltung geraten waren, gehört die Zentrale der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung seit einiger Zeit zu den engagiertesten Widersachern einer antisemitischen Instrumentalisierung aktueller Israelkritik. Diese neue Sensibilität speist sich aus der leidvollen Auseinandersetzung mit dem in Deutschland und Europa wachsenden latenten bis manifesten Antisemitismus – sichtbar sowohl unter muslimischen Migranten, neonazistischen „Protestwählern“ und linken Antiglobalisierungskreisen als auch zunehmend in Teilen der so genannten gesellschaftlichen Mitte. In einem Policy Paper zog im Juli 2004 eine Autorengruppe um den Stiftungsvorsitzenden Ralf Fücks eine klare Linie zwischen legitimer Israelkritik und der Infragestellung des Existenzrechts Israels als jüdisch-demokratischer Staat. Vergleiche zwischen der israelischen Besatzungspolitik und der Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus seien eine Form „aggressiver Schuldabwehr“.48

Wer glaubt, inzwischen könne man eine simple, nach parteipolitischen Kriterien erfolgte Zuordnung (z. B. proisraelisch vs. propalästinensisch oder antizionistisch vs. philosemitisch) vornehmen, sieht sich getäuscht. Nach wie vor sind im rot-grünen Lager israelpolitische Unsicherheiten oder gar Obsessionen zu beobachten, die sich gelegentlich heftig entladen – quer zu überkommenen Links-Rechts-Zuschreibungen. Die deutsche Geschichte hat gerade die Grünen seit den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts immer wieder eingeholt: Der Biograf Otto Schilys schildert eindrücklich das israelpolitische Damaskuserlebnis des ehemaligen Grünen-Politikers – 1987 bei einer Begegnung mit dem Siedler Elyakim Haetzni in der Wüste von Judäa: „‚Warum siedeln Sie hier?‘, fragt Schoppe [Schilys Fraktionskollegin] – die Antwort ist ein Wutausbruch. ‚Was wollt ihr Deutschen hier? Wir haben bei euch gesiedelt, und ihr habt uns in die Gaskammern geschickt. Jetzt kommt ihr und fragt, warum wir hier siedeln.‘“ Schily lernt in dieser Begegnung, dass Deutsche die Letzten sind, die die Legitimität von Haetznis Perspektive bestreiten können – auch wenn sich der radikale Siedler politisch „leider auf einem Irrweg“ befinde.49 So ist es nur folgerichtig, dass der zur Sozialdemokratie übergewechselte Schily bei seinem jüngsten Israelbesuch im September 2004 noch weniger diplomatisch als sein Amtskollege Fischer die im Bau befindliche Sperranlage als ein geeignetes Mittel pries, die israelische Bevölkerung vor Attentaten zu schützen. Kritik an der Anlage sei „etwas fern der Realität“, betonte der Minister. Obwohl das Auswärtige Amt in verhaltenem Ton Schilys Äußerungen unterstützte, handelte sich der ehemalige Innenminister harsche Vorwürfe grüner Spitzenpolitiker ein.50


„Antideutsche Israelfreunde“

Zum ersten Mal seit 35 Jahren gibt es als Minderheit in der Minderheit wieder eine organisierte deutsche Linke, die proisraelisch orientiert ist; mehr noch: Sie propagiert und zelebriert eine Form der Israelbegeisterung, die sich mit den Maximalpositionen der israelischen Rechten deckt. Nach der Lesart dieser Strömung, die sich selbst als „radikale antinationale und antideutsche Linke“ bezeichnet, sind die Palästinenser „das derzeit aggressivste antisemitische Kollektiv“ – übertroffen nur vom „Vernichtungs-Antisemitismus“ der Nazis. Israel als staatlicher Hort der vom Antisemitismus bedrohten Juden dürfe „einem völkisch-islamistischen Judenhasser-Kollektiv [...] keinerlei Zugeständnis“ machen.51

Die „antideutsche“ Szene ist in den 1990er-Jahren, im Nachgang zum zweiten Golfkrieg, unter anderem aus der autonomen Szene hervorgegangen. Während die autonome Szene traditionell stets antizionistische Positionen vertreten hat, begehren die „Antideutschen Kommunisten“ ebenso wie diverse „Antifa-Bündnisse“ gegen den „ehrbaren Antisemitismus“52 des klassischen Linksradikalismus auf: „Lassen wir uns nicht mehr vom antizionistischen Konsens einschüchtern: Raus auf die Straße: Nieder mit Deutschland! Her mit dem Kommunismus! Und solange diese Forderungen nicht erfüllt sind, ein klares und lautes: LANG LEBE ISRAEL!“53

Seit Ausbruch der Al-Aksa-Intifada versuchen die „antideutschen Israelfreunde“ mit allerlei spektakulären Aktionen, den „Konsens der Antizionisten“ anzufechten. Für ihre hierzulande ungewöhnliche Israelsicht, die allenfalls von Teilen des protestantischen Fundamentalismus geteilt wird,54 nehmen sie es hin, von linken Antizionisten ausgegrenzt, angepöbelt oder gar verprügelt zu werden. Auf Kundgebungen gelingt es ihnen immer wieder, auch Sympathisanten aus bürgerlich-konservativen Milieus zu mobilisieren. Inzwischen haben linksradikale Israelfreunde nicht nur in der „Nie-wieder-Deutschland-Bewegung“, sondern auch in anderen lokalen Betätigungsfeldern an Einfluss gewonnen. In zahlreichen Studierendenausschüssen sind ihre Anhänger/innen inzwischen tonangebend geworden.

Die Israel-Apologie der jungen Linken weist phänomenologische Parallelen zu den 1950er-Jahren auf: Gleichwohl geht es Teilen der ebenso vernetzten wie zerstrittenen Initiativen und Zirkel – gruppiert um Publikationen wie Konkret, Jungle World und Bahamas – nicht in erster Linie um die Demonstration ideologischer Nähe zum israelischen Staat. Welche Gemeinsamkeiten sollte auch die israelische Regierungskoalition aus bürgerlich-säkularen, sozialdemokratischen und religiös-orthodoxen Kräften mit linksradikalen Deutschen teilen, die ungeachtet ihrer proisraelischen Provokationen von antireligiösen Ressentiments erfüllt sind?55 Wortführer wie Hermann Gremliza und Justus Wertmüller suchen in ihrem Israelkult vor allem nach Bestätigung ihrer vergangenheitspolitisch motivierten Deutschlandkritik (der „ewige Antisemitismus“ der Deutschen als hermeneutischer Schlüssel zum Verständnis heutiger Weltpolitik). In anderen, abgespaltenen Zirkeln bzw. „Bündnissen“ gibt es intensive Diskussionen darüber, wie das hermetische Weltbild der Bahamas überwunden werden kann, ohne die Solidarität mit Israel aufs Spiel zu setzen.


„Linksradikale Israelfeinde“

An der Traditionslinken sind die geistigen Veränderungen der vergangenen 16 Jahre weitgehend abgeprallt. PDS- und DKP-nahe Zeitungen wie das Neue Deutschland, die junge Welt und unsere zeit führen das israelfeindliche Erbe der radikalen Linken unbeirrt fort:56 Wann immer die israelische Armee palästinensische Terrorangriffe abwehrt, sind dies „Racheaktion[en]“. Überhaupt scheinen sich Klischees des überlieferten christlichen Antijudaismus in säkularen Kreisen hartnäckiger zu behaupten als in aufgeklärt-religiösen Milieus. Reflexhaft fragen ausgerechnet religionslose Postkommunisten immer wieder: „Wer stoppt dieses alttestamentarische Gemetzel?“57 Der Chefredakteur der ebenso linksradikalen wie antizionistischen Jungen Welt setzt diesem Stereotyp die Krone auf: „Mit alttestamentarischer Härte geht Israel gegen die palästinensische Rebellion in den besetzten Gebieten vor. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das ist noch eine glatte Untertreibung. Für ein Auge hundert Augen und für einen Zahn hundert Zähne, lautet die Rechnung.“58 Wie eh und je werden an der Marburger Universität Lehrveranstaltungen angeboten, die schon im Titel das antizionistische Ressentiment erkennen lassen: Den orthodox-marxistischen Politikwissenschaftler Reinhard Kühnl treibt noch immer „das Problem Israel“ um.59 Die trotzkistische Arbeitermacht, die die letzten linksdeutschen Weltrevolutionäre um sich schart, holt den antizionistischen Konsens neu-linker 68er aus der Mottenkiste hervor: „Der zionistische Staat kann nicht reformiert – er muss zerschlagen [...] werden.“60 Während einer „Palästina-Demonstration“ in Wien fragen Anhänger der Revolutionär-Kommunistischen Liga und des Kommunistischen Student/innenverbandes allen Ernstes: „Was will die Jüdische Politik? Weltherrschaft?“61

Eine Koalition linksliberaler, linksradikaler und rechtsextremer Deutscher scheut nicht davor zurück, Sympathien mit den verquasten Inhalten einer politischen Theologie des Islam zum Ausdruck zu bringen – diese drückt sich vor allem in der Heroisierung palästinensischer „Märtyrer“ aus.62 Neonazis wie der frühere linksextreme RAF-Aktivist Horst Mahler begeistern sich ungeniert für die „deutsch-palästinensische Volksfront“: „Die Juden haben sich Palästina genommen und betreiben dort Völkermord, das bringt eine gemeinsame Front der Deutschen und Palästinenser zustande.“ Auf NPD-Demonstrationen schwenken Teilnehmer genauso begeistert die palästinensische Flagge, wie es jahrelang linksdeutsche Antizionisten vorgemacht haben; in Gaza-City und in anderen palästinensischen Städten haben Demonstranten während der Al-Aksa-Intifada gelegentlich Hakenkreuzfahnen vor sich hergetragen.63

Auch in jüngster Vergangenheit haben sich linksgerichtete Gruppen immer wieder öffentlich ihrer israelfeindlichen Überzeugungen vergewissert: Dies wird immer dann besonders pikant, wenn es ihnen gelingt, als Hauptredner jenen glühenden Antizionisten zu gewinnen, der im bürgerlichen Leben als Redakteur der Bundeszentrale für politische Bildung arbeitet und in seiner Freizeit, je nach Publikum, mal einen neu-rechten, dann wieder einen linksradikalen Antiisraelismus bedient.64 Das organisierte antijüdische Ressentiment kennt keine ideologischen Grenzen. Der Autor dieses Beitrags wurde bei einer Veranstaltung des „revolutionär“-trotzkistischen Linksrucks im Februar 2002, bei der Ludwig Watzal als einer der Hauptredner auftrat, Zeuge, wie ein Teilnehmer, der den israelfeindlichen Konsens der Veranstalter in Frage zu stellen wagte, aus dem Publikum lauthals als „Zionistenschwein“ tituliert wurde.65 Auch dass sich unter Ostermarschierer, die sich traditionell als „Friedensdemonstranten“ verstehen, gelegentlich optisch sichtbar Anhänger der Terror-Organisation Hamas mischen, vermag offenbar keine Missstimmungen herbeizuführen.66

Die israelische Regierung hat 2002 unter dem Druck fortwährender Terroranschläge mit dem Bau eines Sicherheits- und Trennungszauns begonnen – mit der Folge, dass die Kette tödlicher Selbstmordanschläge merklich dünner geworden ist. Seither konzentriert sich die Wut antizionistischer Linker gegen die angebliche „Apartheidmauer“. Die Sperranlage, die an einigen bevölkerungsdichten Punkten die Ausmaße einer Mauer angenommen hat, ragt zum Teil auch in die umstrittenen palästinensischen Gebiete hinein. Gleichwohl betonen israelische Regierungsstellen, dass der Zaun keine politische Grenzziehung vorwegnehme – diese werde einer endgültigen Friedensregelung vorbehalten sein. Im Übrigen hat inzwischen Israels Oberster Gerichtshof die Regierung Scharon angewiesen, den ursprünglich geplanten Verlauf des Zauns an einigen Stellen zugunsten palästinensischer Einsprüche zu korrigieren. Anstatt eine differenzierte Beurteilung und ggf. Kritik vorzunehmen, setzten sich Teile der Friedensbewegung an die Spitze einer Kampagne, die den 9. November 2003 zum „Internationalen Tag gegen den Mauerbau“ erklärte.67 Mit Kritikern dieser Entscheidung, die das Gedenken an die Reichspogromnacht nicht mit einer antiisraelischen Aktion vermischen mochten,68 gingen die antizionistischen Akteure hart ins Gericht: Die „Bedenkenträger“ aus der antideutschen und jungliberalen Szene würden aus „dunklen Quellen“ geheimdienstlichen und jüdisch-amerikanischen Ursprungs finanziert.69


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Nach dem 11. September 2001 – eine Bilanz

Die brutalen Anschläge in New York und Washington haben in Deutschland zunächst fast überall Entsetzen und tief empfundene Trauer ausgelöst. Gleichwohl ist dieses Mitgefühl im Zuge der Kriege gegen das Taliban-Regime in Afghanistan und gegen den Irak des Saddam Hussein schnell verpufft – aus Gründen, die mit einer tatsächlich oder vermeintlich neoimperialen US-Außenpolitik nur bedingt zu tun haben.

New York ist die Stadt mit der weltweit größten jüdischen Bevölkerung – dort leben mehr Juden als in Tel Aviv oder Jerusalem zusammengenommen. Insofern war der brutale Terrorangriff nicht nur eine Attacke gegen die multikulturellste Stadt der Welt; er war auch ein Anschlag gegen die Juden, die wissen sollen, dass sie nicht einmal im Herzen der USA sicher leben können. Osama Bin Ladens Organisation al-Qaida faxte kurz nach dem Anschlag die Losung nach Pakistan: „Wo immer sich Amerikaner und Juden befinden, werden sie zum Ziel.“70

Es gibt Indizien, dass diese Weltsicht in antizionistischer Weise auch von Teilen der deutschen Linken geteilt wird – natürlich nicht in der Brachialsprache islamistischer Terroristen. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“, hieß es in linksgerichteten Verlautbarungen ebenso wie in Kreisen der NPD. Schon zwei Tage nach dem Anschlag waren in der taz höhnische Kommentare der folgenden Art zu lesen: „Schauten Pentagon und WTC dem israelischen Bruch des Völkerrechts in Palästina nicht jahrelang ungerührt zu?“ Mathias Bröckers sprach von „verzweifelten Kamikaze-Kriegern“, die im Anschluss an die israelische Aggression „zurückschlagen“.71 Das also ist die Logik: Weil Israelis, „die Juden“, eine (kritikwürdige) Besatzungspolitik in Palästina praktizieren, zahlen die USA die Rechnung für ihre enge Freundschaft zu dem weltweit ungeliebten jüdischen Pariastaat.72

Der frühere Leiter der Kulturredaktion der taz veröffentlichte im Herbst 2002 ein Buch unter dem Titel Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11. 9. Das Werk hatte bereits Anfang 2004 die 35. Auflage erreicht. Finden wir in dem Bestseller ein aufklärerisches Votum gegen Verschwörungstheorien, denen ja gerade die jüdische Gemeinschaft immer wieder zum Opfer gefallen ist? Keineswegs: Bröckers geht soweit, den 11. September der Bush-Administration in die Schuhe zu schieben: Die USRegierung habe sich mit diesem Fanal ein Alibi schaffen wollen, um freie Hand für eine neoimperialistische und kriegerische Welteroberungspolitik zu bekommen.73 Nach einer Umfrage der ZEIT vermutet fast jeder fünfte Deutsche die US-Regierung als Urheber der Terroranschläge vom 11. September; fast jeder dritte Deutsche unter 30 Jahren hält diese These für plausibel.74

In einer solchen Stimmungslage kann alles möglich sein: Wer Gerüchte über jüdische Drahtzieher einer gigantischen Menschheitsverschwörung schürt, darf noch immer sicher sein, eine Art „Angstlust“ zu erzeugen; sie zeitigt den angenehmen Nebeneffekt, die undurchschaubare Globalisierung auf ihren „eigentlichen“ Urheber zurückführen zu können.75 Kein Wunder, dass der ehemalige deutsche Bundesminister Andreas von Bülow mit seinen angeblichen „Indizien“, wonach jüdisch-israelische Angestellte der Zwillingstürme rechtzeitig vor dem Anschlagstermin vom israelischen Geheimdienst Mossad gewarnt worden seien, insbesondere in links-, aber auch rechtsradikalen Milieus zum Kultautor avanciert ist.76

Schließlich ist es bemerkenswert, dass linke Antizionisten angestrengt versuchen, eine direkte Verbindungslinie zwischen den Verhältnissen in der Golfregion und dem Palästina- Israel-Konflikt zu ziehen: Nicht nur der US-Administration von George W. Bush, sondern auch der israelischen Regierung unter Ariel Scharon wurden allerlei böse Absichten unterstellt, z. B. im Windschatten des Irakkrieges von 2003 eine Vertreibung der Palästinenser als „Transfer“ betreiben zu wollen.77 Nichts von diesen Kassandra-Rufen ist eingetreten. Stattdessen konnte nach dem Einmarsch der Amerikaner in den Irak und nach dem Tod Arafats zum ersten Mal seit vier Jahren für Israelis und Palästinenser wieder kurze Zeit ein friedenspolitisches „window of opportunity“ geöffnet werden.

Seit dem 11. September 2001 verspüren die 200 lokalen Gruppen der neolinken Attac Deutschland Auftrieb: Attac hat die antiimperialistischen Argumentationsmuster der Linken  „modernisiert“. Nicht wenige machen das „vagabundierende internationale Finanzkapital“ für jene sozialen Verwerfungen verantwortlich, die der zunehmenden Globalisierung der Weltwirtschaft angelastet werden. Dabei führen Teile ihrer Anhängerschaft komplexe weltwirtschaftliche Zusammenhänge auf ein verschwörerisches Komplott dunkler Mächte zurück. Der personalisierende Schritt zum antijüdischen Ressentiment ist von hier aus nicht weit – etwa in den Anti-Kriegs-AGs von Attac, die von Anhängern der Sozialistischen Alternative und der Gruppe Linksruck dominiert werden. Rechtsextreme und islamistische Kreise haben Signale dieser Art mit Genugtuung aufgenommen.

Während einer Demonstration gegen den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Davos im Januar 2003 tanzten Aktivisten in den Masken von US-Verteidigungsminister Rumsfeld und Israels Ministerpräsident Scharon um ein goldenes Kalb. Wussten die Akteure nicht, dass der „Tanz ums goldene Kalb“ – eine biblische Metapher der Geldgier – im 19. und 20. Jahrhundert in antisemitischen Karikaturen verwendet wurde? Wieso überhaupt taucht im Zusammenhang mit dem IWF der weltwirtschaftlich unbedeutende Staat Israel auf? Die Tatsache, dass sich beide Figuren einen Stern an die Brust geheftet hatten, suggeriert: „Amerikaner sind Juden, alle Juden sind wie Scharon, ein Judenstern ist dasselbe wie ein Davidstern, das goldene Kalb ist ein jüdisches goldenes Kalb, alles egal, die Zuschauer [...] werden schon verstehen, was und wer gemeint ist, Hauptsache, der götzenumtanzende Dämon hat ein Signet.“78

Seither tobt in der Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung ein heftiger Konflikt um die Schnittpunkte von Israelkritik und Antisemitismus, der vor allem in den Internetforen der Bewegung geführt wird: „Wir müssen uns offen und ehrlich mit der Rolle der Juden auseinandersetzen“, fordern die einen. „Nein“, lautet eine andere Antwort, „wir müssen uns nicht ‚mit der Rolle der Juden‘, sondern mit dem Abbau von Ressentiments auseinandersetzen.“79 Gleichwohl bezeichnen einzelne Mitglieder und AGs von Attac den ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten als „Faschisten“, setzen israelische Militäraktionen mit den Verbrechen der Nazis gleich und bekunden ihre Sympathien mit dem antiisraelischen Terrorismus, indem sie Islamisten als „Partner im Kampf“ hofieren. 2003 rief eine deutsche Attac-Gruppe zum Boykott israelischer Waren auf. Während des globalisierungskritischen Europäischen Sozialforums in Paris erhielten drei Mitarbeiter der „Aktion 3. Welt Saar“ wegen ihres Bekenntnisses zum Existenzrecht Israels ein Redeverbot und verloren ihre Akkreditierung – immer neu offenbart die Antiglobalisierungsbewegung ihre offene Flanke gegenüber einem antizionistisch grundierten Antisemitismus.80

Ein markantes Beispiel für die obsessive Popularität antiisraelischer Stimmungen ist die Dämonisierung Ariel Scharons. Die pauschale Abneigung, die seiner Person jahrelang entgegenschlug, bildet in Deutschland und Europa, weit über die Linke hinaus, einen fast unhinterfragbaren Konsens – was zählen schon Fakten, deren vorurteilsfreie Wahrnehmung ein differenziertes Bild nahe legen müsste? So umstritten und kritikwürdig Scharons Sicherheitspolitik im Einzelnen auch gewesen sein mag – wenn sie als Vorwand für hasserfüllte Metaphern figuriert, die Scharon mit Vokabeln wie „schmerbäuchiger Kriegsverbrecher“, „oberster Brandstifter“ oder „Schlächter“ brandmarken, wird die Grenze zwischen legitimer Israelkritik und antisemitisch motiviertem Ressentiment überschritten.81 Noch Ende 2004, als die israelische Koalitionsregierung infolge ihrer mutigen Gaza-Rückzugspläne zerbrach und Scharon eine Regierung der „nationalen Einheit“ mit den Sozialdemokraten bilden musste, wurde hierzulande von einem linksliberalen „Israelexperten“, der ansonsten wenig mit herkömmlichen Antizionisten gemein haben will, das populäre Mantra wiederholt, wonach „Mitglieder der derzeitigen Regierung Israels jede politische Entscheidung der EU, die ihnen nicht genehm ist, als Ausfluss des europäischen Antisemitismus“ betrachteten.82

Anfang Juni 2004 versammelte sich in Köln eine parteiübergreifende „Volksfront“ zur Konferenz „Stop the wall“. Zu den Organisatoren zählten mehr als 20 Organisationen der Friedensbewegung, darunter die Attac-AG „Globalisierung und Krieg“ und die „Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg“. Viele, die es in der antizionistischen Szene zu trauriger Berühmtheit gebracht haben, waren zum Anfassen nah – von Norbert Blüm und André Brie bis hin zu Victoria Waltz und Ludwig Watzal (Letzterer zog allerdings seine geplante Mitwirkung als Moderator eines Panels in letzter Minute zurück). Als Ordner fungierten Aktivisten der linksextremen Kampagne „10 Euro für das irakische Volk im Widerstand“, die auch Terroranschläge im Irak befürworten. Handgreiflich gingen sie gegen vermeintliche oder tatsächliche „Antideutsche“ vor; dabei attackierten sie auch einen taz-Journalisten. Unter dem Beifall des Publikums wurde die Realisierung des palästinensischen Rückkehrrechts als Vehikel zur Überwältigung Israels als jüdischer Staat propagiert: Eine „jüdische Lobby“ habe die amerikanische Regierung im Sinne israelischer Interessen unterwandert; es gebe keinen palästinensischen oder antiwestlichen Terrorismus, wohl aber „legitimen Widerstand“; aufgrund seines „rassistischen“ und „verbrecherischen“ Charakters habe der Staat Israel kein Recht auf Selbstverteidigung.83



Der antizionistische Antisemitismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen: „Der Jude“ wird als randalierender Gewalttäter gezeichnet, der pöbelnd in ein französisches Restaurant eindringt und alles in Trümmer schlägt. Diese wie auch immer metaphorisch gemeinte Unterstellung soll offenbar als Erklärungsversuch für den in Frankreich 2004 dramatisch angestiegenen Antisemitismus herhalten: „Der Jud ist schuld!“, lautet wieder einmal die Botschaft, hier in der Süddeutschen Zeitung.


Das Antisemitismus-Problem in der Linken (und darüber hinaus) spiegelt sich in Befindlichkeiten, die auf ein tief verwurzeltes Wahrnehmungsschema zurückgehen. Offenbar finden in jeder Generation aufs Neue engagiert-empörte Menschen Gefallen an einer Art mentalen Landkarte des Antisemitismus, die ihnen in unübersichtlichen und ungewissen Zeiten Sicherheit verheißt. „Die Juden sind unser Unglück!“, war die Überzeugung des nationalliberalen Historikers Heinrich von Treitschke im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. „Der Staat Israel ist das Problem!“, hören und lesen wir heute von jenen, keineswegs nur linken Erben Treitschkes, die den politischen Antizionismus in Deutschland repräsentieren. Im Rahmen eines globalisierungskritischen Volksfrontbündnisses von links bis rechts könnte sich eine postmoderne Linke, die um ihre Legitimation kämpft, daran gewöhnen, „die Juden“ bzw. „den Staat Israel“ als Verkörperung abstrakter (umhervagabundierender) Kapitalflüsse wahrzunehmen – und für zunehmende soziale Verwerfungen im 21. Jahrhundert verantwortlich zu machen. Die Konsequenzen eines solchen Szenarios wären, vor dem Hintergrund einer jahrhundertelangen Geschichte der Judenverfolgung, unabsehbar. Man kann nur hoffen, dass sich besonnene Milieu-Angehörige dieser Problematik selbstkritisch stellen – in einer Zeit, in der die Israelis noch immer um ihre staatliche Existenz in den Grenzen von 1948 kämpfen müssen.84



ANMERKUNGEN



1 Gekürzte und neu bearbeitete Fassung eines Beitrags, der zuerst in dem Sammelband von Lothar Mertens (Hrsg.), Deutschland und Israel. Ausgewählte Aspekte eines schwierigen Verhältnisses, Berlin 2006, S. 146–185, erschienen ist.

2 Vgl. Joseph („Joschka“) Fischer, Israel – ein Alptraum der deutschen Linken, in: Pflasterstrand, Sondernummer „Palästina“, 9/1982, S. 47–50.

3 So Ludwig Watzal in der euphorisch gestimmten Rezension eines militant antizionistischen Buches, vgl. Das Parlament, 1. 11. 2004, S. 14.

4 Vgl. zwei Feuilleton-Beiträge unter der Überschrift „Ist der Zionismus heute der wahre Feind der Juden?“, in: Süddeutsche Zeitung (SZ), 8. 2. 2005, S. 11.

5 Umfassende Sozialforschungsanalysen zur o. g. Umfrage bietet Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge Drei, Frankfurt a. M. 2005.

6 Vgl. Aribert Heyder/Julia Iser/Peter Schmidt, Israelkritik oder Antisemitismus? Meinungsbildung zwischen Öffentlichkeit, Medien und Tabus, in: Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände, S. 144–165, hier S. 152.

7 Vgl. seinen Artikel in der ZEIT, 9. 4. 1976, S. 34.

8 So löste der erste PLO-Vorsitzende Achmed Shukeiri beklemmende Reminiszenzen an den nazistischen Vernichtungsantisemitismus aus, als er im Vorfeld des Sechstagekrieges die Drohung ausstieß, „die Juden ins Meer zu treiben“.

9 Vgl. Martin Kloke, Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses. Mit einem Vorwort von Micha Brumlik (Schriftenreihe des Deutsch-Israelischen Arbeitskreises für Frieden im Nahen Osten, Bd. 20), aktualisierte und erweiterte Neuauflage, Frankfurt a. M. 1994, S. 70–105.

10 Der Konflikt im Nahen Osten. Dem SDS von der 22. Delegiertenkonferenz als Material überwiesen, in: SDS-Bundesvorstand (Hrsg.), Die XXII. ordentliche Delegiertenkonferenz des SDS. Resolutionen und Beschlüsse, S. 49 (Privatarchiv d. Verf.).

11 Vgl. die Artikel 6 und 20 des palästinensischen Nationalabkommens von 1968. Der Text ist dokumentiert in: Yehoshafat Harkabi, Palästina und Israel, 2. Aufl., Stuttgart 1974, S. 72–91.

12 Vgl. Martin Kloke, Zwischen Ressentiment und Heldenmythos. Das Bild der Palästinenser in der deutschen Linkspresse, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 3 (1994), S. 227–253.

13 Einzelheiten bei Kloke, Israel, S. 124–132.

14 „Nach Israel fahren wir erst, wenn es sozialistisch geworden ist“, so Bundesvorstandsmitglied Hans-Jürgen Krahl, zitiert nach der SZ, 14./15. 8. 1969, S. 3.

15 Vgl. SDS-INFO, Nr. 19, 8/1969, S. 3; siehe auch Rudolph Chimelli/Olaf Ihlau, Sommerlager studentischer Revolutionäre in Jordanien, in: SZ, 14./15. 8. 1969, S. 3.

16 Vgl. Udo Knapp, Die Reise nach Algier. Mit Joschka Fischer in Nordafrika: Wie es war, was uns bewegte, in: FAZ, 15. 1. 2001, S. 12.

17 „Teach in zum Besuch des israelischen Außenministers Eban“. Unterzeichner des Flugblatts: SDS, Generalunion Palästinensischer Studenten (GUPS), Israelisches Revolutionäres Aktionskomitee im Ausland (ISRACA/D), Trikont, Vereine der arabischen, iranischen und afghanischen Studenten, 18. 2. 1970 (Privatarchiv d. Verf.).

18 Al-thaura, Nr. 1, 1971, S. 4.

19 Privatarchiv d. Verf.

20 Arbeiterkampf, Nr. 35, 11/1973.

21 N. N., Emanzipatorische Bewegung der Palästinenser, in: Agit 883, Nr. 29, 28. 8. 1969, S. 8; N. N., Alle politische Macht kommt aus den Gewehrläufen, ebenda, Nr. 59, 7. 5. 1970, S. 9.

22 So das „Kommando Michele Pirk“ in einem Schmähartikel gegen den BfG-Bankier Walter Hesselbach, in: Agit 883, Nr. 59, S. 4.

23 Schwarze Ratten TW, Schalom + Napalm, in: Agit 883, Nr. 40, 13. 11. 1969, S. 9.

24 Vgl. SDS-INFO, Nr. 25, 1. 12. 1969, S. 29 f. Zu dieser Thematik insgesamt siehe auch die jüngsten Rechercheergebnisse von Wolfgang Kraushaar, in: ders., Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus, Hamburg 2005.

25 Michael „Bommi“ Baumann, Wie alles anfing, 3. Aufl., Duisburg 1989, S. 75.

26 Einzelheiten bei Stefan Aust, Der Baader/Meinhof-Komplex, , 3. Aufl., Hamburg 1986, S. 103–116.

27 Vgl. Peter Jochen Winters, Mahler preist den Terror-Akt von München, in: FAZ, 10. 10. 1972, S. 5; ders., Ulrike Meinhof lässt sich nur Stichworte geben, in: FAZ, 15. 12. 1972, S. 6; Stefan Aust, Der Baader/Meinhof-Komplex, S. 260–263.

28 Stefan Reinecke, Otto Schily – Vom RAF-Anwalt zum Innenminister. Biografie, Hamburg 2003, S. 276; auch S. 115–122.

29 Vgl. Kloke, Israel, S. 168.

30 Vgl. ebenda, S. 220–229.

31 Wolfgang Pohrt, Entlastung für Auschwitz. Palästina, Israel und die Deutschen, in: taz, 28. 6. 1982, S. 7.

32 Fischer, Israel – Ein Alptraum der deutschen Linken, S. 50.

33 taz, 7. 6. 1985, S. 3.

34 Vgl. Martin Kloke, Kathartische Zerreißproben: Zur Israel-Diskussion in der Partei „Die Grünen“, in: Herbert A. Strauss u. a. (Hrsg.), Der Antisemitismus der Gegenwart, Frankfurt a. M. 1990, S. 124–148. Siehe auch die teils selbstkritische, teils apologetische Studie von Ludger Volmer, Die Grünen und die Außenpolitik – ein schwieriges Verhältnis, Münster 1998, hier S. 311–332.

35 Vgl. Kloke, Israel, S. 313 f.

36 Vgl. Jerusalem Post, 19. 2. 1991; siehe auch SZ, 19. 2. 1991, S. 5.

37 Vgl. Martin Kloke/Micha Brumlik, Ein abgeschlossenes Kapitel? Die bundesdeutsche Linke und der Staat Israel. Anmerkungen zu einem gestörten Verhältnis, in: Konkret, 5/1998, S. 18–21.

38 Fischer in einer Dankesrede zur Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Haifa am 29. 5. 2002 (Privatarchiv d. Verf.).

39 So etwa in der Bundestagsdebatte über die Lage in Israel und Palästina am 26. Oktober 2000 (Protokoll im Internet).

40 Vgl. Kloke, Zerreißproben, S. 124–148; Volmer, Grünen, S. 311–332.

41 Vgl. Stefan Schroer, Dies Land ist mein Land. Theater unter Okkupation, in: Freitag, 1. 9. 2000.

42 Vgl. Caroline Fetscher, Jenseits der frommen Wünsche, in: Der Tagesspiegel, 17. 12. 2003, S. 25; Joachim Güntner, Missverstandene Lernkultur. Leiter eines Goethe-Instituts strafversetzt, in: Neue Zürcher Zeitung, 16. 1. 2003 (NZZ Online).

43 Freimut Duve, Die gezielte Vertreibung der Palästinenser, in: SZ, 19./20. 6. 2004, S. 2.

44 Vgl. Christian Sterzing, Politische Reform und Demokratisierung. Bemerkungen zum Stand des demokratischen Transformationsprozesses in den palästinensischen Gebieten, Ramallah, September 2004 (Privatarchiv d. Verf.).

45 Vgl. FR, 31. 1. 1991, S. 4; Der Spiegel, 29. 4. 1991, S. 255–267 („Unser Kampf.“ H. M. Broder über die Ressentiments der deutschen Friedensbewegung).

46 Vgl. Henryk M. Broder, Gerhard, stell Dir vor ..., in: Spiegel Online, 6. 10. 2003.

47 Vgl. Thomas Uwer/Thomas von der Osten-Sacken, Verständnisinnig. Islam-Konferenz in Beirut, in: Jungle World, 11. 2. 2004; Pressemitteilung der FES: Stellungnahme zur Kritik an der Internationalen Konferenz in Beirut „Die islamische Welt und Europa“, Berlin: 23. 2. 2004; Markus Bickel, Wo der Dialog an Grenzen stößt. Eine europäisch-islamische Konferenz in Beirut, in: Neue Zürcher Zeitung, 26. 2. 2004 (NZZ Online).

48 Vgl. das Positionspapier „Der neue alte Antisemitismus“. Eine Gesprächsreihe des American Jewish Committee Berlin und der Heinrich-Böll-Stiftung, Juli 2004.

49 Reinecke, Otto Schily, S. 280 f.

50 Vgl. Der Tagesspiegel, 14. und 20. 9. 2004, jeweils S. 5; vgl. auch Mariam Lau, Der Ultra-Realist, in: Die Welt, 14. 9. 2004.

51 Vgl. Horst Pankow, „Kindermörder“. Noch einmal über Antisemitismus, Zionismus, Deutsche und Palästinenser, in: Bahamas, Nr. 33, Herbst 2000, S. 5–9, hier S. 7 ff.

52 Jean Améry, Der ehrbare Antismemitismus. Die Barrikade vereint mit dem Spießer-Stammtisch gegen den Staat der Juden, in: Die Zeit, 25. 7. 1969, S. 16.

53 Editorial zu: Texte für Israel, hrsg. von den Antideutschen Kommunisten, Berlin 2001 www.antideutsch.de

54 Einzelheiten in Martin Kloke, Endzeitfieber und Pulverfass. Israel und der christliche Fundamentalismus in Deutschland, in: Zeitschrift für Theologie und Gemeinde, hrsg. von der Gesellschaft für Freikirchliche Theologie und Publizistik, 9 (2004), S. 141–162.

55 Vgl. beispielhaft Karl Selent, der als Bundesvorstandsmitglied des Kommunistischen Jugendverbandes die Moskauer „Komsomolhochschule“ und die „FDJ-Hochschule Wilhelm Pieck“ absolviert hatte und nach 1989 vom antizionistischen „Saulus“ zum antideutsch-proisraelischen „Paulus“ konvertierte. Vgl. sein Buch: Ein Gläschen Yarden-Wein auf den israelischen Golan. Polemik, Häresie und Historisches zum endlosen Krieg gegen Israel, Freiburg 2003.

56 Noch immer schreiben in den genannten Zeitungen Journalisten wie Hans Lebrecht, die schon zu DDR-Zeiten die staatlich verordnete Israelfeindschaft mit antizionistischen Tiraden fütterten.

57 Olaf Standke, Kriegszustand, in: Neues Deutschland, 23. 11. 2000, S. 1. Gleichwohl sind in der PDS gelegentlich auch Stimmen zu vernehmen, die sich dem antiisraelischen Konsens ihrer Partei entziehen, vgl. Christian Böhme, Mit Sicherheit solidarisch. Gregor Gysi fühlt sich seit langem mit Israel verbunden – auch für den Schutzzaun hat er Verständnis, in: Jüdische Allgemeine, 8. 1. 2004, S. 3.

58 So Werner Pirker: Auge um Auge? Israel besteht auf Gewaltmonopol über Palästina, in: junge Welt, 4. 11. 2000. In ähnlicher Diktion heißt es bei Pirker auch in jüngster Zeit: „Das ist der unverhältnismäßige Blutzoll, den die palästinensische Bevölkerung für die Tötung von zwei israelischen Kleinkindern, die einem Raketenbeschuss zum Opfer fielen, zu entrichten hat. In dieser Dimension bewegt sich seit jeher (!) das israelische Verständnis des alttestamentarischen Vergeltungsprinzips ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘“ (Auge um Auge? Blutbad im Gazastreifen, in: junge Welt, 5. 10. 2004).

59 Vgl. Stefan Braun/Joachim Wurster, Antisemitismus und Antizionismus. Alles in Ordnung?, in: Tribüne. Zeitschrift für das Verständnis des Judentums, Heft 168, 4. Quartal 2003, S. 139 f.; authentische Quellen zur Marburger „Intifada“ unter: www.kosmopolitbureau.unwissenschaftlich.de

60 Michael Gatter, Palästina. Solidarität mit der neuen Intifada!, in: Arbeitermacht, Nr. 59, November/Dezember 2000, S. 17 f.

61 N. N., Linkswende, in: Illustrierte Neue Welt, Oktober/November 2000, S. 37.

62 Christina Förch, Steine und die Wut zu leben. Mit der Intifada erwachen viele palästinensische Jugendliche aus Apathie und Resignation, in: Freitag, 20. 10. 2000; vgl. auch Peter Michalzik, Die Zeit der Märtyrer, in: Frankfurter Rundschau, 2. 4. 2002, S. 13: „Das 16-jährige Mädchen, das sich bei dem nächsten Attentat nach den Angriffen auf Ramallah in die Luft gesprengt hat, war dem klaren Gesicht nach zu urteilen nicht eine der schlechteren ihres Volkes.“

63 Vgl. entsprechendes Gedankengut auf Mahlers Website (www.horst-mahler.de); siehe auch Eberhard Seidel, Gesichter des Antisemitismus, in: taz, 9. 12. 2000.

64 Vgl. z. B. den Kommentar von Ludwig Watzal im DeutschlandRadio Berlin (17. 9. 2004) über „Haim Saban, die Medien und Israel” (Privatarchiv d. Verf.). Gleichwohl verbreitet der Publizist seine mit Ressentiment geladenen „Duftnoten“ und Codewörter mit einem derart filigranen Geschick, dass sie strafrechtlich kaum relevant sind.

65 Protokollnotizen im Privatarchiv d. Verf.

66 Vgl. Sebastian Wehrhahn, Antizionismus in der Berliner Linken, in: Jungle World, 13. 3. 2002, S. 23; Holger Wild, Neue Stärke für den Berliner Ostermarsch, in: Der Tagesspiegel, 2. 4. 2002, S. 9.

67 Vgl. www.friedensforum-duisburg.de/2003/09/9nov-mauer.htm

68 Vgl. den Kampagnenplan „Stoppt den Mauerbau in Palästina/Israel“ einer überregionalen Strategiekonferenz der „Kooperation für den Frieden“ am 28. 9. 2003 in Dortmund (Privatarchiv d. Verf.).

69 So Gerd Höhne, Am deutschen Wesen soll die Welt genesen? Oder: Verliert die deutsche Friedensbewegung ihre Glaubwürdigkeit, in: Kommunistische Internet-Zeitung, Herbst 2003 (www.kommunisten-online.de/Kriegstreiber/aktionstag.htm); vgl. auch Günther Ackermann/Hanna Ackermann, Angeblicher Antisemitismus. Intellektuelle Prostitution oder Die Weißwäscher vom Niederrhein, in: ebenda (www.kommunisten-online.de/Diversanten/diss1.htm).

70 Vgl. Der Tagesspiegel, 26. 9. 2001, S. 6.

71 Vgl. taz, 13. 9. 2001, S. 23.

72 Zum strukturellen Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Antiamerikanismus vgl. Martin Kloke, Reflexe und Ressentiments. Deutsche Linke und die USA, in: Tribüne, H. 169, 1. Quartal 2004, S. 134–150; Andrei S. Markovits, Amerika, dich haßt sich’s besser. Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa (konkret texte 40), Hamburg 2004. Kaum etwas von seiner beklemmenden Aktualität verloren hat der im wahrsten Sinne des Wortes vorausschauende Essay von Andrei S. Markovits, Da schweigen die Experten. Nach dem 11. September: Terror und heimlicher Antisemitismus, in: Der Tagesspiegel, 22. 9. 2001, S. 27.

73 Vgl. Mathias Bröckers, Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11. 9., Frankfurt a. M. 2002.

74 So laut einer Meldung im Tagesspiegel, 24. 7. 2003, S. 6.

75 Vgl. Tobias Jaecker, Antisemitische Verschwörungstheorien nach dem 11. September. Neue Varianten eines alten Deutungsmusters, Münster 2004; siehe auch Philipp Gessler, Der neue Antisemitismus. Hinter den Kulissen der Normalität, Freiburg 2004.

76 Vgl. Andreas von Bülow, Die CIA und der 11. September. Internationaler Terror und die Rolle der Geheimdienste, München 2003, S. 213–222.

77 Beispielhaft Ludwig Watzal, Der Krieg gegen den Irak und die Vertreibung der Palästinenser, in: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 1–2/2003, S. 65 ff.

78 So Marcus Hammerschmitt (29. 1. 2003), in: www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/14065/1.html

79 Toralf Staud, Beschaller voran, in: Die Zeit, 20. 2. 2003.

80 Vgl. Matthias Braun, Antisemitismus-Streit bei Attac, in: taz, 5. 9. 2003, S. 8; Toralf Staud, Attac reagiert hilflos auf den Antisemitismus von links, in: Die Zeit, Nr. 43, 23. 10. 2003; Tom Strohschneider, Klärungsbedarf in Sachen Antisemitismus. In der globalisierungskritischen Szene wird über Palästina-Solidarität und Finanzmarktkritik gestritten, in: Neues Deutschland, 19. 11. 2003; authentische Unterlagen (Flugblätter u. ä.) im Privatarchiv. d. Verf.

81 Vgl. beispielhaft die im Auftrag des AJC (Berlin) vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung erarbeitete Studie: Der Nahostkonflikt in deutschen Printmedien. Analyse diskursiver Ereignisse seit Beginn der Intifada im September 2000, Duisburg, Mai 2002 – mit Ergebnissen, die ungeachtet methodisch-handwerklicher Mängel aufschlussreich sind.

82 Vgl. Tobias Kriener, Wann wird Israelkritik antisemitisch? Überlegungen zu einer kritischen Frage, in: zeichen. Zeitschrift der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, Dezember 2004, S. 10 (Hervorhebung M. K.).

83 Vgl. Simon Wunder, Innenansichten aus der Friedensbewegung. Bericht von der Konferenz „Stop the Wall“, Köln, 5. Juni 2004, in: www.henryk-broder.de; Dirk Eckert, Palästina in den Grenzen von 1917, in: taz, 7. 6. 2004, S. 1; „Gewaltfreiheit endet schon vor der Halle“, in: taz, 7. 6. 2004, S. 7; Gemeinsam gegen Israel. Interview mit Thomas Ebermann über die Tagung „Stop the Wall“, in: Konkret, 7/2004, S. 21 ff.

84 Vgl. Joschka Fischer, Ein Krieg gegen die Existenz Israels, in: Süddeutsche Zeitung, 26. 7. 2006.


Der Autor

MARTIN KLOKE

Dr., geboren 1959, Studium der Ev. Theologie, Politikwissenschaft und Pädagogik an der Justus-Liebig-Universität Gießen; 1989 Promotion am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften ("Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses", 1990/1994); 1989-1992 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Otto Benecke Stiftung in Bonn; 1993/94 Studienreferendariat in Köln; seit 1995 Redakteur im Fachbereich Kulturwissenschaften der Bildungsmediengruppe Cornelsen in Berlin.




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