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Original-Beitrag


Lea Fleischmann:
Heilieges Essen,
Das Judentum für Nichtjuden verständlich gemacht
Frankfurt: Scherz Verlag 2009,
268 Seiten, 
16,95 EUR.
.


Eine Rezension von Dr. Hans Maaß


"Heiliges Essen"

Lea Fleischmann ist eine Erzählerin. Im Buch nennt sie sich zwar Schriftstellerin, sie besitzt aber die Gabe des anschaulichen Erzählens. So ist es nicht verwunderlich, dass sie die Erklärung der jüdischen Speisegebote in eine Reihe von Erzählungen einbettet.

Form, Inhalt und Bedeutung der teils biblischen, teils rabbinischen Vorschriften und Bräuche werden anhand einer jungen evangelischen Frau (später heißt es einmal, sie sei streng katholisch erzogen worden), einer Lehrerin aus Deutschland, geschildert, die nach einer Lebensenttäuschung nach Israel kommt und Jüdin wird, dort bei einem Ausflug eine fromme Jüdin kennenlernt, die Rabbanit Malka Levin, und von ihr Zug um Zug in kleinen Schritten in die jüdischen Speisegebote und -sitten eingeführt wird.

Dabei wird so manches bewusst, was bei uns in Vergessenheit geraten ist, dass etwa das Einkaufen im Supermarkt an die Stelle des Erntens getreten ist, sich damit aber auch die Einstellung zum Essen verändert hat. Dem wirken die jüdischen Speisegebote entgegen: »Das koschere Essen dient nicht nur der Sättigung des Körpers, sondern genauso der Heiligung der Seele.« Aber nicht nur die Beachtung der Speisegebote, sondern das Händewaschen und andere Reinigungsriten, die verschiedenen Segenssprüche vor dem Essen von Brot und anderen Lebensmitteln, selbst vor dem Trinken klaren Wassers werden erklärt. Dies alles ist immer wieder durchzogen von Erzählungen aus dem Leben der Erzählerin, dem Talmud und der jüdischen Tradition, so dass das Ganze auch für Kinder und Jugendliche anschaulich und begreiflich wird.

Im Kapitel über das Brotbacken erfährt man zugleich etwas über die Priester in biblischer Zeit und die Stellung ihrer Nachkommen in heutigen Gemeinden, teilweise auch merkwürdig Anmutendes. Schließlich wird auch das Rezept für eine Challa, das Schabbatbrot, mitgeteilt. Wer Hebräisch kann, stört sich allerdings an der Pluralform »Challas« statt »Challot«. Wenn deutschen Lesern schon jüdische Begrifflichkeiten beigebracht werden, dann richtig!

Auch andere Rezepte werden en passant mitgeteilt, etwa eine besondere Art, Paprika zuzubereiten. Ebenso wird geschickt ein Gespräch über Behinderungen und Abtreibungen eingeflochten und – fast möchte man sagen: selbstverständlich – mit einer Erzählung übe Baal Schem Tov abgerundet. Man erfährt, warum beim Verzehr von Bananen der Segen für Erdfrüchte und nicht für Baumfrüchte gebetet wird, aber auch die symbolische Bedeutung der sieben Früchte, die man zum Tempel brachte, und den besonderen Segen nach deren Verzehr. Es ist eine ganz eigentümliche Spiritualität, die dieses Buch durchzieht, eine Mischung aus Alltäglichem,
Religiösem und Geschichtlichem.

Beim Kapitel über Fleisch wird mitgeteilt, dass erlaubte Tiere nur dann koscher sind, wenn sie makellos sind. So dient auch die religiös geregelte Fleischbeschau automatisch der Hygiene. Man wüsste aber gerne, was mit dem nicht für tauglich befundenen Fleisch geschieht. Über das Stichwort »Blut im Ei« wird auch die »Ritualmordlüge« ad absurdum geführt, aber auch das christliche Abendmahlsverständnis dargelegt. Undeutlich bleibt, wieso der Jude Jesus – wenn auch nur symbolisch – Bluttrinken nicht als anstößig empfand, weil es für Christen kein Tabuthema sei. Dass am Yom Kippur immer noch Hühner über den Köpfen Opfernder geschwungen und anschließend geschlachtet werden, wird von offiziellen jüdischen Stellen meist verneint.

Beim Sichwort »Schwein« wird die Geschichte aus 2.Makk. 7 erzählt, beim Honig wird sowohl an den Neujahrsbrauch als auch an die Kundschaftergeschichte in der Bibel erinnert. Insekten sind unkoscher, aber nicht alle. »Es gibt koschere Heuschrecken«; die Erlaubnis Heuschrecken zu essen, wird damit erklärt, dass die Menschen auch bei einer Heuschreckenplage wenigstens etwas zu essen haben! Mehl, Hülsenfrüchte und Fische müssen dagegen auf Befall durch Käfer und Würmer untersucht werden. Dass Milchiges und Fleischiges getrennt verzehrt werden muss, wird damit erklärt, dass Milch dem Leben dient, während für Fleisch Tiere getötet werden müssen. Die koschere Küche wird beschrieben – und wie sie koscher gemacht wird. Eine kleine Szene in einer Apotheke, die den Rezensenten an eigene Erlebnisse erinnert, fängt eine authentische Situation ein. Allerdings handelt es sich dabei um einen sehr langen Anlauf, in dessen Verlauf ein Rezept für »Plätzchen à la Chantal« übermittelt wird, ehe tatsächlich das Thema »Kaschern der Küche« behandelt wird.

Ein besonderes Kapitel widmet Lea Fleischmann der Frage, »Warum essen Christen nicht koscher?« Es wird mit der Missionssituation erklärt. Die Ausführungen sind etwas grobmaschig, aber im Ganzen korrekt. Mit Kochrezepten »als Überlebenshilfe« kommt das Buch dem Ende entgegen. Im Museum von Yad Vashem entdeckt sie Kochrezepte, die eine KZ-Insassin notiert hat. Sie sind ein Beleg dafür, dass Überleben eine religiöse Pflicht ist, die sogar die Kaschrut-Pflicht außer Kraft setzen kann. Dies wird auch durch ein entsprechendes Gebet dokumentiert. Mit Rezepten zu speziellen Gerichten für die einzelnen jüdischen Feiertage schließt das Buch,
das damit in einem weiten Spektrum Nichtjuden verständlich macht, was „heiliges Essen“ bedeutet. 

Dr. Hans Maaß
(COPYRIGHT beim Autor)


       

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